Aufbauend auf «Brüder schweigen – Das geheime Netzwerk der Hammerskins», sowie «Das geheime Netzwerk der Hammerskins – Chapter in Deutschland» Teil 1 und Teil 2 wird im Folgenden auf weitere Chapter eingegangen.
Inhalt
• Wie alles begann: Die «Hammerskins Berlin»
• Kultstatus: Das Chapter «Nordmark»
• Hinter gutbürgerlicher Fassade: Das Chapter «Württemberg» und das ehemalige Chapter «Baden»
• Zwischenzeitlich aufgelöst, heute wieder rege aktiv: Die «Hammerskins Brandenburg»
Wie alles begann: Die «Hammerskins Berlin»
Die 1992 gegründeten «Hammerskins Berlin» (HSB) sind der älteste deutsche Ableger der «Hammerskin Nation» (HSN). Sie stellten über viele Jahre die Bundesführung und prägten die Ausrichtung der Hammerskins in Deutschland. Auf ihr Betreiben entstand eine straffe und zentralistische Organisation. Ihre Führungsrolle verloren die Berliner infolge einer Krise in den 2000er Jahren, als das Chapter über einige Jahre kaum aktiv war. Um 2010 erhielten die HSB Zuwachs und ihr Einfluss wurde wieder größer.
Dem Chapter sind bundesweit relevante Szene-Bands wie «Deutsch Stolz Treue», «Legion of Thor» und «Kraft durch Froide» eng verbunden. Zudem waren die HSB für die Produktion zahlreicher strafbarer CDs mitverantwortlich, die einzelne Mitglieder auch vor Gericht brachten.
Den HSB gehören heute etwas mehr als zehn Fullmember an, die in Berlin und im Bundesland Brandenburg wohnen. Von der Gründergeneration der HSB ist bis heute eine Handvoll Mitglieder aktiv, die jedoch außerhalb von Feiern und interner Treffen der Bruderschaft kaum in Erscheinung treten. Sie wurden bisher von der Öffentlichkeit nicht als Hammerskins wahrgenommen, da sie auf den wenigen Aufmärschen, an denen sie teilnehmen, auf Bekenntnisse zur HSN verzichten.
Einzelne Hammerskins des Chapters «Berlin» – die mittlerweile um die 50 Jahre alt sind – haben ihr halbes Leben im Kreis ihrer „Brüder“ verbracht und das unerkannt von antifaschistischen Recherche-Strukturen. Der folgende Artikel geht auf die relevantesten, sichtbaren Personen der HSB ein. Es durchliefen in fast 30 Jahren etliche weitere Personen das Chapter, nicht alle können hier genannt werden. Auch muss davon ausgegangen werden, dass heute mindestens zwei bis drei weitere Personen den HSB als Fullmember angehören, die gänzlich der Recherche entgangen sind. Ein Grund dafür mag sein, dass sie außerhalb des engen Rahmens der Bruderschaft nicht in Erscheinung treten – nicht einmal im halb-konspirativen Gefilde rechter Konzerte. Dies ist ein besonderes Merkmal der «Hammerskins Berlin».
Das deutsche „Motherchapter“
Da die «Hammerskins Berlin» die erste deutsche Gruppe im weltweiten Netzwerk der Hammerskins waren, fiel ihnen die Rolle der Bundesführung zu. Am Berliner „Motherchapter“ war in Deutschland kein Vorbeikommen, wollte man Teil der „Nation“ werden. Die Entscheidungen der HSB hatten Gewicht. So erklärten die Berliner Ende der 1990er Jahre das Chapter «Baden-Württemberg» für aufgelöst, da sich deren Mitglieder angeblich nicht regelmäßig bei ihnen gemeldet hatten. Ein Beispiel von vielen, das verdeutlicht, um was es den HSB ging: Macht und Kontrolle. Dies hatte sich bereits 1994 abgezeichnet, als die HSB in der fünften Ausgabe ihrer Zeitschrift «Wehrt Euch!» die Richtlinien ihrer Bruderschaft vorgaben. Sie schrieben unter anderem: „Wir wollen einen eng verflochtenen rassistischen Stamm von gleichgesinnten Brüdern und Schwestern aufrecht erhalten. Daher ist der persönliche Kontakt der Mitglieder untereinander unbedingt notwendig, denn Briefe und Telephonate reichen nicht aus, die Interessen und die Sicherheit der Bruderschaft zu schützen. Dieser Grundsatz ist unbedingt einzuhalten!!“ (sic!) In der selben Ausgabe der Zeitschrift wurde bekannt gegeben, dass man – ganz nach US-amerikanischen Vorbild – einen „Regionaldirektor“ ernennen wolle.
Szeneintern hieß es damals, dass „die Berliner“ älter als die anderen deutschen Hammerskins seien. Tatsächlich war der Großteil der Fullmember in der Gründerzeit der HSB im Schnitt um die 25 Jahre alt. Ihnen eilte der Ruf voraus, extrem gewalttätig zu sein. Ein Großteil ihrer Mitglieder bewegte sich im Hooliganmilieu des Berliner Fußballclub Dynamo (BFC Dynamo) und von Hertha BSC. Vor allem dem BFC Dynamo sind viele der Mitglieder des Chapters bis heute treu geblieben. In Ostberlin sammelten sich die HSB vor allem in Lichtenberg, die Schwerpunkte in Westberlin waren die Stadtteile Zehlendorf, Spandau und Staaken.
Die Hammerskins beanspruchten in ihren Anfangsjahren die Führung in der Berliner Naziskin-Szene. So erzählte der Berliner Stephan Lange, ehemaliger Chef von «Blood & Honour Deutschland», als Zeuge im NSU-Prozess 2015, dass die Gründung von «Blood & Honour» in Berlin im Jahr 1994 auch als Reaktion auf das Treiben der Hammerskins erfolgt sei. Diese hätten von anderen rechten Skinheads Unterordnung erwartet und dies mit Gewalt durchzusetzen versucht. Erst als sich «Blood & Honour» aufgestellt hatte, sei es möglich gewesen, den Hammerskins die Stirn zu bieten bzw. sich bei diesen Respekt zu verschaffen.
Aus den ersten Jahren der HSB sind jenseits kleinerer, interner Feiern nur wenige eigene Aktivitäten bekannt. Aufschluss gibt vor allem das Fanzine «Wehrt Euch!», das von 1991 bis 1999 Sprachrohr des Chapters «Berlin» war. Das Heft war voll mit NS-Verherrlichungen und antisemitischer Hetze, weshalb auf eine Kontaktadresse verzichtet wurde, um strafrechtlich nicht belangt zu werden.
In den Jahren 1992 und 1993 erschienen zudem drei Ausgaben der Zeitschrift «Hammerskin», die über das Berliner Postfach der damals existierenden Neonazi-Partei «Die Nationalen e.V.» vertrieben wurde. Als ein Macher des «Hammerskin» galt der Berliner Hartmut Spengler, ein Aktivist des militanten Kerns der Berliner Kameradschaftsszene. Das Fanzine selbst kann allerdings einer Gruppe Hammerskins in Brandenburg an der Havel zugerechnet werden, die in dieser Zeit als «Hammerskins Deutschland» auftraten – „unautorisiert“ vom Chapter «Berlin».
Aus Artikeln im «Wehrt Euch!» geht hervor, dass Mitglieder des Chapter «Berlin» in ganz Europa RechtsRock-Konzerte besuchten. Sie waren auch im September 1992 in London zugegen, als es im Rahmen eines Konzertes der Szene-Kultband «Skrewdriver» zu massiven Ausschreitungen zwischen Neonazis und Antifaschist*innen kam, die bis heute als „Battle of Waterloo“ im Gedächtnis der Szene verhaftet sind. Auch nahmen Vertreter der HSB regelmäßig an bundesweit relevanten Aufmärschen teil. So wurde im «Wehrt Euch!» über den „Rudolf-Hess-Marsch“ im August 1992 in Rudolstadt (Thüringen) berichtet, wie auch über eine Kundgebung der «Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei» (FAP) am 1. Mai 1992 am Thälmann-Platz in Berlin. Bei letzterer, die nur wenige Teilnehmende anzog und von starken antifaschistischen Protest begleitet wurde, kamen die anwesenden Hammerskins zur Feststellung: „Falsche Stadt und falschen Ort in der selben ausgesucht, zudem die falsche Partei die wohl einiges anders machen muß, um Skins zu begeistern. Wir werden wohl kaum für eine Partei den Kopf hinhalten, deren Funktionäre dann noch abfällig über uns reden“. Wie man über die FAP und andere „nationalrevolutionäre Parteien“ generell dachte, führten die HSB in der Nr. 4 der «Wehrt Euch!» aus und gingen dabei auf die Vor-und Nachteile einer Parteimitgliedschaft ein. Prinzipiell sei man nicht gegen ein Mitwirken in Parteistrukturen, heißt es. Doch war es dem Verfasser der Zeilen wichtig zu betonen, dass er kein Mitglied in einer Partei sei und er schreibt: „Dafür ist er aber ‚Hammer-Skin‘! (Auch eine Widerstandsform)“. Die Stoßrichtung sei, die neonazistischen Kräfte zu bündeln, weshalb sowohl Parteistrukturen, als auch sogenannte „Freie Kräfte“ gebraucht würden.
Die «Hammerskins Berlin» wollten und wollen das Radikalste sein, was die neonazistischen Szenen der Hauptstadt aufzubieten hatten. Dies wird an vielen Beispielen deutlich, so zum Beispiel im Rahmen eines Streits mit einer Neonazi-Clique, die Mitte der 1990er Jahre in Brandenburg an der Havel ein Chapter «Brandenburg» ins Leben gerufen hatte. In der vierten Ausgabe des «Wehrt Euch!» echauffierten sich die HSB nicht nur darüber, dass das Chapter „unautorisiert“ gegründet wurde, sondern auch, dass sich dessen Mitglieder vom Nationalsozialismus distanziert hätten.
„Man ist also kein Nationalsozialist“ schrieben die HSB und: „DANN seid Ihr auch keine ‚Hammer-Skins‘! Höchstens ganz normale Skins, wenn überhaupt. Denn aus dem Zusatz ‚Hammer-‘ leitet sich der nationalsozialistische Anspruch ab. Soll heißen, zu der Rasse zu gehören, die durch die Arbeit der Hand und des Kopfes groß geworden ist und nicht durch die Macht des Geldes und das Ausbeuten der Arbeitskraft.“ (sic!)
In der fünften Ausgabe des «Wehrt Euch!» aus dem Jahr 1994 verkündete man im Editorial selbstbewusst: „Zu den nächsten Zielen gehören die Gründung einer Band und das Organisieren eines Konzertes. Während ersteres speziell bei der Proberaumbeschaffung erhebliche Probleme mit sich bringen dürfte, ist das Konzert wohl schon eher wahrscheinlich. Laßt Euch überraschen!“. Tatsächlich dauerte es noch drei Jahre, bis erste Konzerte der HSB wahrgenommen werden konnten.
200 Teilnehmende sollen es im Mai 1997 gewesen sein, die zu einem der ersten Konzerte der HSB in Berlin anreisten. Auf dem Programm standen an dem Abend die Bands «Deutsch Stolz Treue» (D.S.T.), «Proissenheads», «Spreegeschwader» und «Crossed Hammers». Letztere spielte in den Jahren 1997 und 1998 einige Konzerte und war die erste Berliner Band, die sich ganz offen – schon in ihrem Namen – als Berliner Hammerskin-Band präsentierte. Am Schlagzeug von «Crossed Hammers» saß Heiko Hagen (*1979) aus Berlin-Lichtenberg, der den HSB bis Ende der 1990er angehörte. Nachdem «Crossed Hammers» 1998 ihre Aktivitäten einstellten, gründete Hagen mit anderen die Band «Legion of Thor» (LoT). LoT ist bis heute aktiv und spielte zuletzt auf dem „Joe Rowan Memorial“-Konzert der «Hammerskins Franken» im Oktober 2019 in Thüringen.
Am 13. Dezember 1997 feierten die «Hammerskins Berlin» im Vereinslokal «Cantian Eck» des SV Empor e.V. in Berlin-Prenzlauer Berg bereits ihr fünfjähriges Bestehen. Mitglieder aus ganz Deutschland und aus den Niederlanden waren angereist um den Berlinern ihren „Respekt zu zollen“, wie es in einem Bericht zur Feierlichkeit heißt. Die Jahresfeiern der HSB, die bis heute meist im November oder Dezember stattfinden, gehören zu den wichtigsten Events der deutschen Hammerskins. Schließlich feiert man dort nicht nur den Geburtstag des Berliner Ablegers, sondern auch das Bestehen der Hammerskins in Deutschland.
Doch nicht alle Jahresfeiern verliefen in den Folgejahren wie geplant. Am späten Abend des 29. November 2003 löste ein Großaufgebot der Polizei die Jahresfeier des Chapter «Berlin» in der Kneipe „Pankower Bär“ im Ortsteil Niederschönhausen auf und führte 127 Personen ab. Hammerskins aus dem gesamten Bundesgebiet und aus dem Ausland waren nach Berlin gekommen, aber auch Personen aus befreundeten Organisationen wie Mitglieder der Berliner «Vandalen», von lokalen Kameradschaften und Personen aus dem Hooliganmilieu des BFC Dynamo. Zudem waren ehemals führende Personen des seit dem Jahr 2000 verbotenen «Blood & Honour»-Netzwerks anwesend, wie Jan Werner aus Chemnitz oder Olaf Hahnefeld aus Berlin. Aus dem Rahmen fiel der Berliner NPD-Politiker Eckart Bräuniger, als er von behelmten Polizist*innen aus der Kneipe geführt wurde. Während die anderen Teilnehmer im martialischen Skinhead- oder Rocker-Style gekleidet waren, trug Bräuniger Anzug und Seidenschal. Bräuninger war in den 1990er Jahren als neonazistischer Söldner im Jugoslawienkrieg aktiv und pflegte mit den «Vandalen» wie auch mit den Hammerskins ein enges Verhältnis. „Das ist u.a. die Art von Parteiarbeit, wie wir sie in der Reichshauptstadt praktizieren.“, teilte er dazu in einem Internet-Forum mit. Im Juni 2004 hatte er unter dem Label der NPD ein RechtsRock-Konzert mit «Spreegeschwader» und der Band «Die Lunikoff Verschwörung» um den «Vandalen» Michael Regener in Berlin-Lichtenberg organisiert.
„Wenn wir hier nicht mit dem SEK reingegangen wären, hätte das anders ausgehen können“, zitiert der Tagesspiegel einen Berliner Kriminaldirektor, der die Auflösung der Jahresfeier der HSB im November 2003 begleitete. Laut einem Artikel im Antifaschistischen Infoblatt stellten die Beamt*innen nicht nur strafrechtlich relevante Symbole auf der Bekleidung der anwesenden Neonazis fest, sondern fanden auch ein gestohlenes Handy und Kokain. Ein Jahr später, in der Nacht des 6. auf den 7. November 2004, rückte erneut das Sondereinsatzkommando der Polizei an um die Jahresfeier der «Hammerskins Berlin» aufzulösen, die man konspirativ im Stadtteil Prenzlauer Berg hatte durchführen wollen.
Das Chapter «Berlin» in den 1990er und 2000er Jahren
Führende Personen der HSB in den 1990er und den frühen 2000er Jahren waren Jürgen Mahn und Ricardo Adler. Der damals im Prenzlauer Berg lebende Jürgen Mahn (*1970) war reisefreudig und repräsentierte die HSB im Ausland. Er nahm u.a. im Juni 1997 an einem „European Officers Meeting“ (EOM) in Italien teil. Ein Jahr später, im Sommer 1998, reiste er mit seiner damaligen Partnerin nach Stockholm, um sich ein Bild von den schwedischen Prospects zu machen. Mahn war im November 2000 Gastgeber für den US-amerikanischen Hammerskin Jason Stevens . Stevens war u.a. Sänger der Band «Intimidation One» und initiierte das Musikprojekt «Landser English». Wie aus internen Kommunikationen hervor geht, wollte sich Stevens in Berlin vor allem mit Michael Regener (alias „Lunikoff“) treffen, dem Sänger der Berliner Band «Landser». «Landser English» coverte deren Songs in englischer Sprache, wobei Stevens am Gesang stand und deutsche Neonazis die Instrumente spielten. Im Dezember 2005 reiste Mahn mit einer Gruppe von rund 30 Mitgliedern und Supportern der HSN zu einem Hammerskin-Konzert nach Spanien. Laut der Aussage einer V-Person war Mahn zu dieser Zeit Chef der «Hammerskins Berlin». Als sich Angehörige der HSB Anfang der 2000er Jahre zu kriminellen Milieus hin orientierten, soll Mahn derjenige gewesen sein, der sich gegen diese Entwicklung stemmte und versuchte, die Bruderschaft zusammen zu halten. Doch wohl vergeblich. Nach dem Jahr 2005 kann Mahn nicht mehr im Kreise der Hammerskins wahrgenommen werden. Offensichtlich hat er die Bruderschaft verlassen.
Der Berliner Ricardo Adler (*1970), der heute in Gosen-Neu Zittau im südöstlichen Speckgürtel Berlins lebt, soll in den späten 1990er Jahren Deutschland-Chef der Hammerskins gewesen sein. Er gehörte den HSB bereits seit Mitte der 1990er an. Adler war Initiator eines brutalen Angriffes auf ein alternatives Konzert im ostsächsischen Gohrisch am 6. März 1999. Wochen vor dem Überfall war Adler bei den «Hammerskins Sachsen» zu Gast gewesen. Dort hatte er auf einer Feier laute Töne gespuckt und war mit einem Neonazi der «Skinheads Sächsische Schweiz» (SSS) in Streit geraten. Bei der folgenden Schlägerei hatte Adler den Kürzeren gezogen und forderte nun eine Revanche. So wurde mit der SSS ein „Match“, wie man es aus der Hooliganszene kennt, vereinbart. Dafür konnte Adler seine „Brüder“ aus Berlin anscheinend nur mäßig mobilisieren. So sollen aus Berlin vor allem Hooligans des BFC Dynamo in die sächsische Schweiz mitgekommen sein – neben Mitgliedern des Chapter «Sachsen» und Hooligans aus Bremen – um sich auf Adlers Seite zu prügeln. Als das „Match“ nicht stattfand, suchten die Neonazis das besagte Konzert auf, auf dem sie Linke vermuteten und verletzten einige Gäste schwer.
Noch 2004 und 2005 wurde Adler auf Hammerskin-Treffen und -Konzerten in Berlin und Bayern festgestellt. 2009 stand er zusammen mit anderen Hammerskins in Berlin vor Gericht, da er an der Verbreitung volksverhetzender CDs der Band «D.S.T.» mitgewirkt hatte. Im Februar 2011 nahm er an einem „National Officers Meeting“ (NOM) der deutschen Hammerskins im «Thinghaus» in Grevesmühlen (Mecklenburg-Vorpommern) teil. Danach verliert sich Adlers Spur bei den Hammerskins.
Die wohl bekannteste Person aus dem Kreis der «Hammerskins Berlin» ist Peter Marko Brammann (*1969) aus Berlin-Mitte. Er ist Frontmann der 1994 gegründeten Band «Deutsch Stolz Treue», die seit ihrer Anfangszeit eng mit den Hammerskins verbunden ist. Mit «D.S.T.» spielte Brammann vor allem in den 2000er Jahren europaweit auf Konzerten der HSN, zuletzt beim „Joe Rowan Memorial“-Konzert der deutschen Hammerskins im Oktober 2019 im thüringischem Kirchheim. Der HSN hatte die Band vor Jahren ein Loblied geschrieben, in dem es heißt: „Eine verschworene Gemeinschaft hält sie am Leben, alles für den Bruder mit Herz und Seele geben. Respekt, Treue, Ehre, die 14 words im Blut, der ewige Kampf für das reine Erbgut“. Der Refrain lautet: „Hammerskin-Nation“. Auch auf internen Feiern und familiären Anlässen der HSN war Peter Brammann in den letzten Jahren anzutreffen. So nahm er 2014 an der Hochzeit des Hammerskins Alexander Mex in Jamel in Mecklenburg teil und war ebenso beim „Tanz in den Mai“ der «Hammerskins Mecklenburg» Ende April 2019 an selber Stelle. Jedoch: Es finden sich keine Belege für eine Mitgliedschaft oder gar eine führende Funktion von Peter Brammann bei den Hammerskins.
Während Personen wie Adler, Mahn und Brammann durch antifaschistische Recherche ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerieten, sind andere Mitglieder der «Hammerskins Berlin» bis heute nahezu unbekannt geblieben, obwohl sie der Bruderschaft bereits seit mindestens 25 Jahren angehören. Hierfür stehen unter anderem Mario Müller und Oliver Schubert.
Mario Andreas Müller (*1970) dürfte zum Gründerkreis der Hammerskins gehören. Auf einem Gruppenbild der HSB von 1997 steht er zentral in Pose. Durch sein extravagantes Erscheinungsbild sticht er auch heute noch hervor. Behangen mit schweren Halsketten und mit silbernen Ringen an den Fingern, dazu eine Zigarre im Mund, trat er am 30. April 2019 in Jamel bei seinen „Brüdern“ vom Chapter «Mecklenburg» beim „Tanz in den Mai“ auf. Doch Müller konnte bislang ausschließlich auf internen Treffen und Feiern wahrgenommen werden, die die Hammerskins oder befreundete Gruppen veranstalteten. Als die rechte Hooligangruppe «Wannseefront» von Hertha BSC im September 2013 im Clubhaus der Rockergruppe «Born To Be Wild MC» in Berlin-Heinersdorf ihr 30-jähriges Bestehen feierte, stand Mario Müller am Grill – bekleidet mit einem Shirt der «Hammerskin Nation». Er lebt heute abgeschieden am Ende einer Sackgasse in einem Eigenheim zwischen Großziethen und Berlin-Lichtenrade.
Auch Oliver Schubert (*1970) ist seit Mitte der 1990er Jahre auf etlichen Fotos des Chapter «Berlin» zu finden. So auf einem Gruppenbild der HSB 1997 und offensichtlich als Security bei einem Hammerskin-Konzert im selben Jahr. Bis heute nimmt Schubert an Hammerskin-Konzerten in ganz Deutschland teil. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der «Hammerskins Berlin» reiste er etwa im Juli 2005 zu einem Konzert der «Hammerskins Bayern» nach Mitterskirchen (Bayern). Im November 2011 und im November 2015 nahm er am „Hammerfest“ in Italien teil. Bei letzterem war er Teil einer größeren Reise-Gruppe, bestehend aus Hammerskins der Chapter «Berlin» und «Sachsen» und ihrem nahen Umfeld sowie Fans der Cottbuser RechtsRock-Band «Frontalkraft». Schubert und weitere Hammerskins des Chapter «Berlin» erschienen in voller Hammerskin-Montur am Flughafen. Im August 2017 und 2018 lief er in einer Gruppe von Hammerskins beim „Rudolf-Hess-Gedenkmarsch“ in Berlin, gab sich jedoch nicht als Hammerskin zu erkennen. Zuletzt wurde Schubert, der als Handwerker arbeitet und in einem Neubaublock unweit des Sportforums in Berlin-Hohenschönhausen wohnt, auf dem Sommerfest der «Hammerskins Mecklenburg» im Juni 2019 festgestellt. Auch er besucht regelmäßig Spiele des BFC Dynamo.
Neben den genannten Personen gehörten dem Chapter «Berlin» in den 1990er Jahren auch Michael Grunwald (*1976), genannt „Michi“, und Matthias M. (*1967), genannt „Matt“, an. Glaubt man den Aussagen ehemaliger Akteure aus dem Hammerskin-Netzwerk, wandte sich „Matt“ um die Jahrtausendwende von der Bruderschaft ab, während Grunwald noch bis mindestens Mitte der 2000er Jahre an Veranstaltungen der HSN teilnahm. Er wohnt seit jeher in Berlin-Köpenick.
Im Jahr 1998 erhielt der „Verfassungsschutz“ über eine V-Person im Bundesland Brandenburg Kenntnis darüber, dass sich in Berlin eine neonazistische Untergrundgruppe formierte, die plante, nach dem Konzept „Combat 18“ Terror zu verbreiten. Als deren zentrale Personen wurden Steffen Haase und Patrick Krüger genannt. Der Berliner Steffen Haase (*1969) hatte in den 1990ern Jahren wegen neonazistischer Gewalttaten bereits mehrere Jahre in Haft verbracht und wird von der V-Person explizit als Berliner Hammerskin beschrieben. Patrick Krüger, der zu dieser Zeit aus Angermünde nach Berlin zog, war Ende der 2000er Jahre Mitglied der Gruppe «Wolf’s Hook Brotherhood», aus der ab 2010 einige Hammerskins hervor gingen. Zusammen mit Krüger soll sich Steffen Haase auch 2015 an Mobilisierungen gegen die Unterbringung von Geflüchteten beteiligt haben. Er wohnt heute nahe der Krummen Lanke in Berlin-Zehlendorf.
Der Mörder von Günter Schwannecke
Der Berliner Norman Zühlke (*1970) war seit Anfang der 1990er Jahre in der Neonaziszene aktiv und gründete 1991 mit dem Brandenburger Neonazi und V-Mann Carsten Szczepanski eine lokale Gruppe des «Ku Klux Klan», die sich „The Flaming Sword“ nannte. Im Folgejahr, am 29. August 1992, ermordete er auf einem Spielplatz in Berlin-Charlottenburg den Künstler Günter Schwannecke. Vorangegangen war, dass Zühlke und der Neonazi Hendrik Jähn auf dem Spielplatz Studenten aus Sri Lanka rassistisch beleidigten und bedrängten. Günter Schwannecke und sein Freund Hagen Knuth bemerkten die Anfeindungen und mischten sich ein. Zühlke ließ von den Studenten ab, holte aus seiner Wohnung einen Baseballschläger und kehrte zum Spielplatz zurück, wo Schwannecke und Knuth noch immer saßen. Mit dem Baseballschläger schlug er viele Male mit nahezu unvorstellbarer Brutalität auf die beiden ein, zum Teil gezielt auf deren Köpfe. Günter Schwannecke überlebte dies nicht. 1993 wurde Zühlke wegen Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Körperverletzung zu sechs Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Das milde Urteil war ebenso skandalös wie die Tatsache, dass das Gericht von einer Verurteilung wegen Mord absah. Nach eigener Aussage schloss sich Zühlke 1996 den HSB an. Ob er zu diesem Zeitpunkt bereits aus der Haft entlassen war, ist nicht bekannt. Um 1997 war er zusammen mit dem Berliner Hammerskin Jens V. für die Zeitschrift «Wehrt Euch!» verantwortlich.
Spätestens 1998 übernahm Zühlke zudem den Versand der monatlichen internen Newsletter der HSB. Darüber hinaus war er in die Konzertorganisation eingebunden, wie auch der V-Mann Carsten Szczepanski in seinen Meldungen an den Geheimdienst detailliert darlegte. So habe Zühlke etwa ein Hammerskin-Konzert am 5. September 1998 in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) mitorganisiert, bei dem u.a. die Bands «Freikorps», «Endstufe» und «Legion of Thor» spielten. Laut Berichten aus Fanzines waren damals bis zu 500 Neonazis zusammen gekommen.
Ab 2002 war Zühlke in die Ermittlungen gegen Produktionen der Band «D.S.T.» einbezogen. Er machte Aussagen bei der Polizei, die er im späteren Prozess nicht wiederholte und stattdessen angab, dass seine Aussagen unter Druck der Beamt*innen entstanden seien. Die Hammerskins will Zühlke um 2003 verlassen haben. Heute lebt er in einem Mietshaus unweit des Volkspark Prenzlauer Berg in Berlin-Lichtenberg.
Ermittlungen und Prozesse gegen die Band «Deutsch Stolz Treue»
Im April 2002 durchsuchte die Polizei mehrere Wohnungen von Neonazis aus dem Kreis der Hammerskins, denen vorgeworfen wurde, an der Produktion der strafrechtlich relevanten CD „Ave et Victoria“ der Berliner Band «Deutsch Stolz Treue» (D.S.T.) beteiligt gewesen zu sein. 150 CDs hatten die HSB damals unter anderem an die «Hammerskins Sachsen» zum Weiterverkauf geschickt, doch das Paket mit den CDs war vom LKA Berlin abgefangen worden. Erst viele Jahre später wurden den Musikern sowie den involvierten Produzenten und Weiterverkäufern der Prozess gemacht.
Ein erster Prozess fand im Jahr 2009 statt. Er richtete sich gegen drei Bandmitglieder von «D.S.T.»: Peter Brammann, Alexander Brammann und Alexander Hogh. Der Schlagzeuger der Band, Alexander Bahls, war nicht angeklagt worden. Die Brüder Peter und Alexander Brammann wurden wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu Bewährungsstrafen von 14 Monaten und 10 Monaten verurteilt, Hogh wurde freigesprochen, da man ihm nicht beweisen konnte, an der CD als Musiker mitgewirkt zu haben.
In einem Folgeprozess im Juni 2009 standen Vertreiber und Produzenten der CD „Ave et Victoria“ vor Gericht. Angeklagt waren unter anderem die Berliner Hammerskins Ricardo Adler, Steffen Penschow und Norman Zühlke sowie Malte Redeker aus Ludwigshafen. Redeker war zum Zeitpunkt des Prozesses bereits „European Secretary“ der «Hammerskin Nation«. Zum Zeitpunkt der Tat im Jahr 2002 war er gerade dabei gewesen, ein organisationseigenes Label der Hammerskins aufzubauen.
Ricardo Adler verweigerte vor Gericht die Aussage mit der Begründung, dass er sich sonst selbst belasten könnte. Steffen Penschow (*1970) erschien zu einem der ersten Gerichtsprozesse erst gar nicht, machte später wie Adler von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Der aus Staaken stammende Penschow war und ist heute noch Mitglied bei den «Hammerskins Berlin». Er tauchte schon Anfang der 1990er Jahre in der Datenbank der «Nationalistischen Front» auf, die 1992 verboten wurde. Seit Anfang der 2000er Jahre kann er im Kreis der Hammerskins festgestellt werden. Er war in den vergangenen Jahren vor allem bei Feiern seiner „Brüder“ in Mecklenburg anzutreffen, wurde dabei auch von seiner langjährigen Partnerin, der Neonazistin Bettina Strauß, begleitet. Die beiden sind heute getrennt. Zuletzt nahm er im Juni 2019 am Sommerfest der «Hammerskins Mecklenburg» in Jamel teil. Er wohnt heute im Berlin-Adlershof in unmittelbarer Nähe des dortigen Friedhofs.
Aufgrund der Repression trat «D.S.T.» seit ca. 2004 meist nur noch unter dem Namen «X.x.X.» auf. Doch auch in den Folgejahren wurde weiter gegen die Band ermittelt. Dabei wurde das Produktions- und Vertriebsnetzwerk offenkundig, in denen weitere interessante Figuren aus der Neonaziszene mitwirkten. Etwa Philip Schlaffer, der damals in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) lebte und die «X.x.X.»-CD „Antwort aufs System“ im Jahr 2007 produziert hatte. Er bewegte sich damals häufig in Berlin, um Geschäfte im RechtsRock abzuwickeln und war sogar offiziell Inhaber des «Parzifal»-Shops des «D.S.T.»-Schlagzeugers Alexander Bahls im Berlin-Oberschöneweide. Über den Kontakt zu Bahls erhoffte er sich damals einen Einstieg in den Vertrieb des Merchandise der Band «Die Lunikoff Verschwörung», in der Bahls ebenfalls mitspielte. Nur wenig später war Schlaffer Anführer des Motorradclubs «Schwarze Schar MC», der 2013 verboten wurde, unter anderem weil Mitglieder im großen Stil mit Drogen gehandelt hatten. Heute präsentiert er sich als „Aussteiger“ und vermarktet seine Zeit in der Szene.
Im Februar 2011 fand ein weiterer Prozess wegen Produktionen von «D.S.T.» / «X.x.X.» statt. Dabei ging es um die «D.S.T.»-CD „Antwort aufs System“ und die Split-CD „Gift für die Ohren“, die «D.S.T.» gemeinsam mit der Potsdamer Neonaziband «Burndown» veröffentlicht hatte. Angeklagt waren Alexander Bahls, Peter Brammann, Alexander Brammann, Philip Schlaffer, der «Burndown»-Sänger Uwe Menzel, der RechtsRock-Produzent Lutz Willert aus dem Bundesland Brandenburg sowie die Berliner Neonazis Alexander Gast und Andreas Tanjsek. Bahls wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die Brammann-Brüder und Schlaffer erhielten Bewährungsstrafen, die anderen Angeklagten wurden frei gesprochen.
Alexander Brammann, genannt „Der Neffe“, hat nach eigener Aussage um 2010 die Neonaziszene verlassen – nicht zu verwechseln mit einem „Aussteiger“, der reinen Tisch macht. Auch er verdient an seiner Vergangenheit als Neonazi. Er arbeitet seit Jahren im Bereich der Deradikalisierung als zertifizierter Personal Coach des «Violence Prevention Network». Wie er und seine Bandmitglieder bei «D.S.T.» zu Aussteiger*innen stehen, teilten sie Anfang der 2000er Jahre in einem Neonazi-Fanzine mit: „Das System nimmt uns eine Menge Arbeit ab, indem sie das Fallobst aussortiert. Ein wirklich überzeugter SN-ler (Anm. d. Verf.: gemeint ist „NS-ler“, Nationalsozialist) läßt sich nicht kaufen. In unserem Freundes-und Kameradenkreis haben wir diesbezüglich keine Bedenken“.
Hooligans und Rockergruppen
Spätestens Mitte der 2000er Jahre gerieten die «Hammerskins Berlin» in eine Krise, für die es offensichtlich mehrere Gründe gab. Eine ehemalige Szeneangehörige beschreibt ein damals existierendes Spannungsfeld innerhalb des Chapter «Berlin». Dies bestand zwischen Mitgliedern und Anhängern, die sich zu Rockergruppen und einem hoch kriminellen Milieu hin orientierten, zu dem auch der Konsum und Handel mit harten Drogen zählte. Demgegenüber sollen einzelne „Alte“ um Jürgen Mahn gestanden haben, die diese Aktivitäten nicht mittragen wollten. Tatsächlich war diese Entwicklung absehbar. Schon beim Überfall auf den Jugendclub in Gohrisch 1999 prügelten auf Seiten der HSB einige Hooligans des BFC Dynamo, die einer Szene angehörten, die schon damals äußerst kriminell war und sich in den 2000er Jahren immer stärker dem «Hells Angels MC» anband. Aus Berlin waren am Gohrisch-Überfall unter anderem die Neonazi-Hooligans Timo Eckhardt und Mirco Jäppelt beteiligt. Eckhardt bewegt sich bis heute in einer extrem rechten Fanszene um den BFC Dynamo und Hertha BSC und präsentiert sich mit Supporter-Merchandise des «Hells Angels MC».
Ein Foto von einem Aufmarsch in Rostock im Jahr 1998 zeigt Mirco Jäppelt, wie er ein Transparent hält, auf dem es heißt: „Soziale Gerechtigkeit durch nationale Solidarität“. Als er am 10. Februar 2021 an einem Krebsleiden starb, bekundeten einige (ehemalige) Hammerskins aus ganz Deutschland in den sozialen Netzwerken ihr Beileid. Zudem wurde zu einer Trauerfeier geladen. Eine Einladung zu dieser Feier zeigt das Logo des Sicherheitsunternehmens «German Security», für das Jäppelt gearbeitet hatte. Die «German Security» sicherte in den letzten Jahren diverse Veranstaltungen der AfD ab und wurde noch im Jahr 2020 als Kooperationspartner der Polizei des Landes Brandenburg geführt. Aufgrund antifaschistischer Öffentlichkeitsarbeit, die diese und weitere Verbindungen der «German Security» in die Neonaziszene offenlegte, wurde eine weitere Kooperation mit der Polizei unterbunden.
Zur Trauerfeier für Jäppelt wurde in das Clubhaus des Rockerclubs «Lones MC Havelland» in Dallgow-Döberitz gleich hinter der Stadtgrenze bei Staaken eingeladen. Dem Club gehört(e) der aus Staaken stammende Heiko Formanowski (*1978), der mindestens bis Mitte der 2000er Jahre Mitglied der «Hammerskins Berlin» war, in führender Position an. Bis Herbst 2020 präsentierte er sich in Kutte der «Lone‘s MC Havelland». Über ein Patch machte er darauf aufmerksam, dass er „Präsident“ des Motorradclubs ist. Heute findet man ihn nicht mehr auf den offiziellen Gruppenbildern des Clubs, stattdessen posiert er in den sozialen Netzwerken in Kluft des «Rolling Wheels MC». Das Clubhaus des «Lone‘s MC Havelland». wurde in den letzten Jahren immer wieder für Konzerte der rechten Berliner Oi-Band «Bullenschubser» genutzt. Auch die Konzertreihe „Oi! The New Old Breed“, die aus dem Umfeld von «Bullenschubser» organisiert wird, konnte im Juli 2019 im Clubhaus in Dallgow-Döberitz ausgetragen werden.
Bilder aus Ende 2020 zeigen Formanowski bei gemeinsamen Unternehmungen u.a. mit Timo Eckhardt, mit dem er bis heute freundschaftlich eng verbunden scheint. Auch betreibt Formanowski das Tattoostudio «Inkperium» in Berlin-Spandau, auf dessen Internetseite Bilder mit neonazistischen Tattoo-Motiven präsentiert werden. Doch eindeutige politische Statements finden sich im Profil und der Kommunikation Formanowskis in den sozialen Netzwerken nicht. Stattdessen können auch (virtuelle) Freundschaften zu Personen ausgemacht werden, die einer Hardcore-Szene angehören, die sich zu Konzerten in den Szene-Locations in Berlin-Kreuzbeg trifft.
Neustrukturierung ab Mitte der 2000er Jahre
Über Benjamin Doege (*1979) heißt es in einer internen Kommunikation, er sei in den 2000er Jahren nach Berlin „geschickt“ worden, um das Chapter neu zu strukturieren. Ob er eigens zu diesem Zweck nach Berlin entsendet wurde oder ob er aus anderen Gründen nach Berlin zog und den Auftrag erhielt, das Chapter wieder auf Trab zu bringen, sei dahin gestellt. Benjamin Doege gehörte zuvor den «Hammerskins Mecklenburg» an. Dies verrät auch sein Tattoo am Unterarm mit dem Logo des Chapter «Mecklenburg» – die gekreuzten Hämmer und im Hintergrund das in Deutschland strafbare Keltenkreuz. Doege wurde in Röbel an der Müritz geboren und wechselte in den vergangenen 20 Jahren mehrfach seine Adresse. 2003 zog er offensichtlich von Schwerin nach Berlin-Oberschöneweide, um 2010 war er zusammen mit seiner Partnerin Carmen Doege in Leezen bei Schwerin gemeldet, 2013 findet sich eine Adresse von ihm in Berlin-Marzahn. Heute wohnt er mit seiner Familie in einem neu gebauten Eigenheim am Rande von Batzlow in der brandenburgischen Gemeinde Märkische Höhe. Gemeinsam mit u.a. Sven Krüger, der 2003 Prospect bei den «Hammerskins Mecklenburg» war, führte Doege im Juni 2003 im Everstorfer Forst bei Jamel (Mecklenburg) Wehrsport-Übungen durch. Im Laufe der Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Gruppe fand man bei den Beteiligten unter anderem Übungshandgranaten.
Aus der internen Kommunikation der Hammerskins zwischen 2011 und 2014 geht hervor, dass Doege in diesem Zeitraum (und mutmaßlich darüber hinaus) Ansprechpartner für das Chapter «Berlin» war. Auch verfasste er den monatlichen, internen Newsletter der HSB. Er profilierte sich als Hardliner, etwa in einer Diskussion um UnterstützerInnen der HSN in Russland. Dazu schrieb er seinen deutschen „Brüdern“ 2012: „Ich möchte hiermit aber auch noch einmal den Standpunkt von mir persönlich und im Namen des Chapters HS-Berlin sowie den Hammerskins Deutschland untermauern, das wir niemals ein POTN oder Hammerskin Chapter Moskau akzeptieren würden.“ (sic!) Bis heute gibt es aufgrund chauvinistischer Vorbehalte kein vollwertiges Chapter in Russland, lediglich eine Support-Gruppe, die «Crew 38 Moscow». Letztmalig konnte Doege beim Sommerfest der «Hammerskins Mecklenburg» im Juni 2018 festgestellt werden. Es besteht kein Zweifel, dass er der HSN bis heute angehört. Darauf verweisen alleine die Kennzeichen der beiden Autos der Familie Doege im Jahr 2021, die beide die Zahl „838“ beinhalten – den Code für „Hail Crossed Hammers“.
Neben Doege stieß nach der Jahrtausendwende auch René Häberle (*1975) zu den HSB. Er war Mitglied der «Endlöser Crew Bremen-Berlin», eine Supporter-Gruppe der Bremer Hammerskin-Band «Endlöser». Mit dieser Gruppe war er viel unterwegs und reiste beispielsweise im Februar 2003 nach Mailand, wo «Endlöser» im «Skinhouse Milano» – dem Clubhaus der «Italia Hammerskins» auftraten. Im November des selben Jahres war Häberle einer von rund 130 Neonazis auf der vom SEK aufgelösten Jahresfeier des Chapter «Berlin». Im Jahr 2007, als einige Prospects des Chapter «Westmark» auf Vorstellungsreise waren und in Berlin Halt machten, präsentierte sich Häberle auf Fotos mit ihnen in Fullmember-Kluft.
Häberle ist bis heute Mitglied der HSB und nahm noch im November 2019 am „Hammerfest“ in Frankreich teil. In seiner Nachbarschaft in Berlin-Lichtenberg macht er keinen Hehl aus seiner Mitgliedschaft in der HSN. Er zeigt sich öffentlich in diversen Shirts mit Hammerskin-Symbolen und auch das Kennzeichen seines PKW trägt den Zahlencode „1438″ – die 38 als Kürzel für CH / „Crossed Hammers“, die 14 für die sogenannten „14 Words“, ein rassistisches Glaubensbekenntnis. Nur 100 Meter von seinem Wohnhaus am Freiaplatz entfernt liegt die «Bierstube Freiaplatz», die ihm und anderen Hammerskins als Treffpunkt dient.
Auf Aufmärschen begegnete man ihm in den letzten Jahren nur selten. Bei einem seiner wenigen öffentlichen Auftritte, dem „Rudolf-Hess-Gedenkmarsch“ im August 2018 in Berlin, war er der einzige im Block der Hammerskins, der – ganz dezent – auf seine Zugehörigkeit zur Bruderschaft hinwies: durch eine Gürtelschnalle mit den gekreuzten Hämmern und dem Schriftzug „Hammerskin Nation“.
Von einer Bruderschaft zur anderen
Im Prozess der Neuformierung stießen ab 2010 neue Mitglieder zu den HSB. Sie kamen vor allem aus der Lichtenberger Kameradschaftsszene und von einer Gruppe, die sich «Wolf’s Hook – White Brotherhood» nannte. Ob die Hammerskins ihre neuen Mitglieder offensiv von den bestehenden Gruppe abwarben oder sie sich aus zerfallenden Gruppen einzelne Personen herauspickten und diesen eine neue „Heimat“ boten, ist nicht bekannt. Beides ist in der Rockerszene, die den Hammerskins als Vorbild dient, ein völlig übliches Vorgehen. Bei den heutigen Hammerskins Christian Dörk, David Eschrich und René Albrecht lässt sich ein gemeinsamer, mehrjähriger Werdegang in Umfeld der Hammerskins feststellen, die für sie – absehbar und konsequent – zur Vollmitgliedschaft bei den HSB führte. Die drei waren Mitte der 2000er Jahre Mitglieder der «Wolf‘s Hook Brotherhood». Diese hatte sich um 2005 gegründet und unterhielt laut eigener Darstellung Ableger in England, im Mittleren Westen der USA und in „East Germany“.
Der ostdeutsche Ableger wurde maßgeblich von Christian Dörk (*1981), genannt „Grille“, repräsentiert. Dörk war schon vor seinem Wirken in der «Wolf‘s Hook Brotherhood» Teil einer Gruppe, die sich «Bilskinir Berlin – Neubrandenburg» nannte. Im September 2005 fiel er auf, als er gemeinsam mit anderen Neonazis eine antifaschistische Demonstration in Henningsdorf störte. Dörk wohnte zu dieser Zeit in Berlin-Karow. Im Juli 2008 organisierte er im nahen Berliner Stadtteil Pankow ein RechtsRock-Konzert. Deklariert war dieses als seine Geburtstagsfeier, tatsächlich handelte sich um die Jahresfeier der «Wolf‘s Hook Brotherhood«, auf der «Tätervolk» aus Berlin und «Whitelaw» aus England spielten. Monate zuvor, im Mai 2008, hatte er bereits im Namen seiner Bruderschaft ein Fußball-Turnier ausgerichtet, an dem Neonazis unter anderem aus Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und den Niederlanden teilgenommen hatten. Ort des Geschehens war der Sportplatz der SG Zühlsdorf 1951 e.V. in Zühlsdorf im Mühlenbecker Land (Brandenburg). Im Anschluss wurde im Vereinsheim des Fußballvereins gefeiert. Der Ort war alles andere als zufällig gewählt, denn zu diesem Zeitpunkt spielte Christian Dörk selbst in der 2. Herrenmannschaft des Vereins. Noch 2016 war er als Spieler der Ü35-Mannschaft des SG Zühlsdorf 1951 e.V. gelistet.
Auch David Eschrich (*1980) und René Albrecht (*1965) zählten zu dieser Zeit zum Kern der «Wolf‘s Hook Brotherhood». Mit Christian Dörk war Albrecht im September 2007 Teil einer Reisegruppe aus Berlin und Brandenburg, die zum „Ian Stuart Memorial“-Konzert des «Blood & Honour»-Netzwerks nach England reiste. Fotos von diesem Event zeigen Dörk und Albrecht in Kutten der «Wolf‘s Hook Brotherhood» etwa bei einem Trinkgelage mit Sten Söhndel, Sänger der RechtsRock-Band «Frontalkraft» aus Cottbus. Weitere Mitglieder der «Wolf‘s Hook Brotherhood» waren unter anderem Patrick Krüger – der bereits um 1998 mit dem Berliner Hammerskin Steffen Haase eine «Combat 18»-Terrorgruppe aufbauen wollte und heute bei der Partei «Der Dritte Weg» aktiv ist – und Holger Gerd Sinnak aus Berlin-Lichtenberg.
Die Nähe einzelner Exponenten der «Wolf‘s Hook Brotherhood» zu den «Hammerskins Berlin» wurde spätestens ab 2007 deutlich. So waren Christian Dörk, Holger Gerd Sinnak, Patrick Krüger und David Eschrich in die Logistik des „Fest der Völker“ in Jena im September 2007 eingebunden, das im wesentlichen von Hammerskins organisiert worden war. Die Mitglieder der «Wolf‘s Hook Brotherhood» filmten das Event. Zwei Jahre später, am 26. Juni 2009, trieben sich Dörk und Albrecht am Berliner Landgericht in Moabit herum, wo an dem Tag der Prozess gegen Berliner Hammerskins und gegen die Mitglieder der Band «D.S.T.» wegen der Verbreitung strafbarer Musik stattfand.
Spätestens im Jahre 2011 war der Anschluss der «Wolf‘ Hook»-Leute an die HSB vollzogen. Am 19. Februar wurden Eschrich und Dörk auf einem NOM im «Thinghaus» in Grevesmühlen (Mecklenburg) festgestellt. Am 30. Juli nahmen Albrecht, Dörk und Eschrich an einem Solidaritäts-Konzert für den Hammerskin Sven Krüger in Jamel (Mecklenburg) teil: Albrecht im Prospect-Shirt und Dörk im Shirt des Ordnerdienstes. Eschrich reiste in einer Gruppe mit den Berliner Hammerskins René Häberle, Mario Müller, Steffen Penschow und dessen Partnerin Bettina Strauß an. Auf dem Event mit dabei waren Albrechts Partnerin Cornelia Albrecht sowie Eschrichs Partnerin Cindy Kliemann. Kliemann arbeitet als Service-Kraft in einer Zweigstelle des «Autohauses Berolina» in Berlin-Tempelhof – vermutlich die Erklärung dafür, dass bereits im Mai 2008 auf dem Fußballturnier der «Wolf’s Hook Brotherhood» in Zühlsdorf ein PKW aus dem Fuhrpark dieses Autohauses festgestellt wurde.
Nachdem Eschrich, Dörk und Albrecht Prospects wurden, stellten sie ihre Aktivitäten für die «Wolf‘s Hook Brotherhood» ein. Die Räume, die durch Dörk und Albrecht in Zühlsdorf zur Verfügung standen, gingen an die Hammerskins über. So fand bereits am 18. Juni 2011 ein Fußballturnier der «Hammerskins Berlin» auf dem Sportplatz des SG Zühlsdorf 1951 e.V. statt. An der anschließenden Party im Vereinsheim nahmen Angehörige von Chaptern aus ganz Deutschland teil. Auch als die HSB für den 9. Juni 2012 zu ihrer 20-Jahresfeier luden, hieß es, dass man sich an dem Tag in einem bestimmten Zeitfenster an einer Tankstelle in Mühlenbeck einfinden solle, um dann zum eigentlichen Ort des Geschehens gelotst zu werden – nach Zühlsdorf.
Als René Albrecht im November 2014 mit einer Handvoll seiner „Brüder“ aus Mailand vom „European Hammerfest“ zurück kam, trug er am Flughafen-Schönefeld in Berlin seine Fullmember-Kluft. Diese präsentierte er ebenso im Oktober 2015, als er unter anderen zusammen mit Dörk an der Beerdigung des Hammerskins und V-Manns Roland Sokol in Karlsruhe teil nahm.
Christian Dörk war spätestens 2014 Vollmitglied, wurde jedoch im Sommer des Jahres kurzzeitig wieder zum Prospect degradiert. In einer internen Nachricht der HSB an die anderen deutschen Chapter hieß es, er habe sich mehrfach „schlecht benommen“. So soll er seinen nackten Hintern in die Kamera gehalten haben, die Fotos sollen in einer Chat-Gruppe aufgetaucht sein. Benjamin Doege teilte seinen „Brüdern“ in der internen Nachricht mit, dass die Degradierung ein „Signal“ sei, das „mahnen“ solle. Doege erkläre die Maßnahme: „Kein HS-Mann sollte sich respektlos und peinlich in der Öffentlichkeit und in Chaträumen zeigen, in denen auch noch Prospects und Hänger anwesend sind“. Lange währte die Degradierung jedoch nicht, denn bereits zum Sommerfest der neonazistischen Dorfgemeinschaft in Jamel im Juni 2015, trug Dörk einen Pullover der «Hammerskins Berlin». Auch David Eschrich trug auf diesem Anlass Fullmember-Merchandise. Damals war Eschrich noch im brandenburgischen Schönwalde-Glien nordwestlich von Berlin beheimatet. Heute wohnt er in Stolzenhagen, einem Ortsteil von Wandlitz, keine zehn Kilometer von Zühlsdorf entfernt.
Zühlsdorf liegt nur wenige Kilometer von der Berliner Stadtgrenze entfernt zwischen Oranienburg und Bernau. In dem 2000-Einwohner*innen-Ort sind die Hammerskins Albrecht und Dörk offenkundig ins Dorfleben integriert. Beide sind im Handwerk tätig: Dörk leitet eine Fliesenlegerfirma, Albrecht ist Trockenbauer. Dörk wohnt in einem schmucken Einfamilienhaus an der Hauptstraße mit neuwertigen Firmenautos im Carport und kleinem Swimmingpool im Garten, Albrecht in einem Bungalow am Ortsrand mit akkurat gestutzten Rasen. Bis auf den Code „HS 1418“ in Albrechts PKW-Kennzeichen weist dort von außen betrachtet nichts auf eine Zugehörigkeit der beiden zur extremen Rechten hin. Die beiden Neonazis sind bis heute fest mit dem SG Zühlsdorf 1951 e.V. verbunden. Auf der offiziellen Vereinsseite wird Dörk mit seiner Firma als Sponsor gelistet und auch am Rand des Spielfelds ist eine Werbebande für seine Firma angebracht. Beide besuchen regelmäßig die Spiele des Kreisligisten, Bilder zeigen Dörk, wie er in einem Grüppchen von Fans eine Trommel schlägt. Mit ihrer Fangruppe «Sportfreunde Zühlsdorf» nahmen die beiden 2018 am Freizeit-Fußballturnier „Mühlenbeck Cup“ teil. Bekleidet in Shirts der «Sportfreunde Zühlsdorf» sind sie auch bei Spielen des BFC Dynamo anzutreffen. René Albrecht findet sich auch in einer der Bildergalerien auf der Webseite der lokalen Vertretung des Wohlfahrtsverbandes Volkssolidarität anlässlich des „Heidefest“ im Juli 2017 in Zühlsdorf. Albrecht und weitere Handwerker betreuten auf diesem Dorffest einen Stand und posierten auf Bildern mit dem „Heidekönig 2017“. Albrecht ist auf den Fotos zwar nicht direkt als Neonazi zu erkennen, doch sind seine Arme unter anderem mit Totenschädel und altdeutscher Schrift großflächig tätowiert. Christian Dörks Tattoos, die er offen zu Schau stellt, sind hingegen unmissverständlich. Auf seiner Wade trägt er ein zwölfarmiges Hakenkreuz, die sogenannte „Schwarze Sonne“. Dieses Tattoo ist ebenfalls in einer Bildergalerie zum „Heidefest“ im Juli 2018 zu sehen. Wenige Wochen später reiste er und Albrecht nach Salchow (Mecklenburg-Vorpommern), um an einer konspirativ organisierte Neonazi-Feier teil zu nehmen.
Im Norden von Berlin fanden in den vergangenen Jahren nicht nur im Mühlenbecker Land Treffen der HSN statt. In Bernau-Schönow veranstalteten die HSB etwa am 18. Februar 2012 ein „National Officers Meeting“ (NOM). Ein weiteres NOM fand am 12. Juni 2014 auf einen Handwerkerhof an der Bucherstraße im Berliner Stadtteil Karow statt, kurz vor der Landesgrenze zu Brandenburg. Die 25-Jahresfeier der «Hammerskins Berlin» floppte hingegen. Europaweit hatte man für den 2. September 2017 in den Raum Berlin eingeladen, musste die Feier dann aber „aufgrund massiver Störungen durch die Staatsmacht“ – wie es in einer internen Kommunikation heißt – einen Tag vorher absagen.
Die Lichtenberger Verbindung
Auch Holger Gerd Sinnak (*1959) gehörte noch Ende der 2000er Jahre der «Wolf‘s Hook Brotherhood» an und bewegte sich im letzten Jahrzehnt im Umfeld der Hammerskins. Zuvor konnte man ihn im Kreis der Berliner «Kameradschaft Spreewacht» (KSSW) feststellen, die sich im direkten Umfeld der RechtsRock-Bands «D.S.T.» und «Legion of Thor» (LoT) befande und in Berlin-Lichtenberg ein Clubhaus unterhielt. Dass LoT im Oktober 2008 auf einem von der «Wolf‘s Hook Brotherhood» mitorganisierten Konzert in England auftrat, erscheint logisch. Auf Sinnaks Kutte prangte das Emblem der «Wolf‘s Hook Brotherhood» und das Logo der «Legion of Thor Crew» – so wie es viele aus dem Kreis der KSSW trugen.
Wie eng Sinnak heute mit den Hammerskins verbunden ist, verdeutlicht seine Teilnahme an der 20-Jahresfeier der «Hammerskins Pommern» in Salchow bei Anklam im März 2017. Schon 2016 liefen Sinnak und René Häberle nebeneinander auf einem Aufmarsch unter dem Motto „Nein zum Heim“ in Berlin-Hellersdorf. Zu Häberle unterhält er bis heute engen Kontakt und besucht ihn regelmäßig in dessen Wohnung am Freiaplatz. Sinnak selbst wohnt nur einige hundert Meter davon entfernt, nahe des Stasi-Museums. Direkt vor seiner Haustür liegt der kleine Park, in dem am 6. Oktober 1999 vier Neonazis den 38-Jährigen Kurt Schneider quälten und ermordeten. Damals wurden bei Razzien bei einem der Täter auch ein Shirt mit der Aufschrift „Hammerskins Berlin“ gefunden. Einer der Täter, Manuel Sandmann, gehörte wie Sinnak zum nahen Umfeld der «Kameradschaft Spreewacht».
Unzertrennlich erschienen in den 2000er Jahren die KSSW und die «Kameradschaft Lichtenberg 35» (KS L35). Die beiden Kameradschaften entstanden und bewegten sich vor allem im Berliner RechtsRock-Netzwerk. Die KS L 35 wurde im Jahr 2000 gegründet, ihr sollen um die 10 Personen angehört haben. Die Benennung bezieht sich auf die «Truppe 35» der «Sturmabteilung» (SA), die in den 1930er Jahren in Berlin-Lichtenberg aktiv war. Laut polizeilicher Einschätzung soll die KS L 35 eine Kameradschaft unter der Führung von Heiko Hagen gewesen sein, einem Mitglied von «Legion of Thor» (LoT). Mitglieder der KS L 35 waren auch der LoT-Sänger David Ferrenz, ein französischer Staatsbürger, der aus dem Elsass zugezogen war, sowie Alexander Brammann, der Bassist der Band «D.S.T.».
Dessen Bruder Peter Brammann, der Bandleader von «D.S.T.», war wiederum eng mit der KSSW verbunden und ein wichtiges Bindeglied zwischen der KSSW und dem Kreis der «Hammerskins Berlin». Während die KSSW zumindest eine Webseite betrieb und sich deren Angehörige Anfang der 2000er Jahre sporadisch auf Aufmärschen in Berlin blicken ließen, war die KS L 35 ein abgeschotteter Kreis, der kein Interesse daran hatte, sich öffentlich zu präsentieren.
Aus der KS L 35 kommt offensichtlich auch der Berliner Martin Kühlich (*1976) – davon ist auszugehen, denn ein Foto vom November 2015 zeigt Kühlich in einem Shirt dieser Kameradschaft. Groß prangt darauf die „35“ und der Berliner Bär. Das Foto entstand am Flughafen Berlin-Schönefeld, als Kühlich mit einer Reisegruppe von Hammerskins vom „Hammerfest“ in Italien zurückkehrte. Die Zahl „35“ ist zudem als Tattoo auf seinem Unterarm verewigt. Weitere Fotos zeigen Kühlich um 2004 auf Feiern im ehemaligen Clubhaus der KSSW in der Archenholdstraße in Berlin-Lichtenberg. An den selben Events nahm auch Hendrik Stiewe teil, der heute in Bochum wohnt und einer der führenden deutschen Hammerskins ist. Sowohl die KSSW, als auch die KS L35 treten seit Mitte der 2010er Jahre nicht mehr in Erscheinung. Vermutlich aus nostalgischer Verbundenheit präsentieren ehemalige AnhängerInnen noch heute vereinzelt Kleidungsstücke der Kameradschaften.
Geblieben ist aus dieser Zeit und dieser Struktur nur die Kneipe «Sturgis» in der Margaretenstraße in Berlin-Lichtenberg. Sie dient – als einer der letzten „eigenen“ Szenetreffs in Berlin überhaupt – dem gesamten Spektrum der Berliner Neonaziszene und darüber hinaus als Anlaufpunkt. Auch Hammerskins sind dort regelmäßig anzutreffen. Etwa am Abend des 23. November 2019, als sich im Nachgang eines NOM im Bundesland Brandenburg Hammerskins verschiedener deutscher Chapter in der Hauptstadt aufhielten und auch im «Sturgis» Station machten.
Martin Kühlich wurde 2016 Prospect bei den HSB. Erstmals in Prospect-Bekleidung konnte er auf einem NOM im Juli 2017 im bayrischen Geiselhöring festgestellt werden. Noch am 9. Februar 2019 zeigte er sich auf dem Aufmarsch zum „Tag der Ehre“ in Budapest (Ungarn) in Prospect-Kluft. Bereits 14 Tage später, am 23. Februar 2019, dürfte er auf dem NOM in Lohr am Main (Bayern) zum Fullmember gepatcht worden sein. Denn als er am 23. März 2019 u.a. mit dem Berliner Hammerskin Oliver Schubert bei einem Konzert im sächsischen Ostritz auflief, präsentierte er sich in einem Pullover mit der Aufschrift „HFFH“ – „Hammerskins Forever – Forever Hammerskins“, ein Gruß, der alleine Fullmembern vorbehalten ist. Kühlich wohnt heute in einem Hochhausblock am Anton-Saefkow Platz in Berlin-Lichtenberg und war zuletzt Teil einer Gruppe Hammerskins des Chapter «Berlin» auf dem Aufmarsch zum „Tag der Ehre“ in Budapest im Februar 2020.
Ein Hammerskin bei «Thor Steinar»
Etwa im Jahr 2010 schloss sich René-Sebastian Stöcklein (*1983) den «Hammerskins Berlin» an. Er hatte bislang in Hilders gewohnt, einem Ort im Landkreis Fulda in der Rhön und war bereits 2010 Prospects bei den «Hammerskins Franken» gewesen. Im Juli 2011 zeigte er sich auf dem Solidaritäts-Konzert für Sven Krüger in Jamel in Fullmember-Kluft der «Hammerskin Nation». Nach seinem Wegzug aus Hessen landete er zunächst in Berlin, zog jedoch wenig später ins brandenburgische Königs Wusterhausen südlich von Berlin. Dort wohnt er heute noch, unweit des Fontaneplatzes.
Während seiner Zeit bei den «Hammerskins Franken» war er wie einige andere Mitglieder seines damaligen Chapters für das «Freie Netz Süd» (FNS) aktiv gewesen und unter anderem bei einem Aufmarsch des FNS als Ordner aufgetreten. Heute ist Stöcklein nur sporadisch bei öffentlichen Anlässen festzustellen. So findet sich sein Name wie auch der seines „Bruders“ David Eschrich in der online einsehbaren Auflistung der Teilnehmenden des „Ausbruch 60-Leistungsmarsches“ in Ungarn im Jahr 2017. Der 60 Kilometer lange „Ausbruch”-Marsch ist ein zentrales Event der ungarischen Neonaziszene, an dem Neonazis aus mehreren europäischen Ländern teilnehmen. Es verherrlicht den „Widerstand“ deutscher Nazitruppen und mit ihnen verbündeter ungarischer Faschisten gegen die Rote Armee in der „Schlacht um Budapest“ in der Endphase des Zweiten Weltkriegs.
Im August 2018 lief Stöcklein zusammen mit David Eschrich, Oliver Schubert und René Häberle im Block der «Hammerskins Berlin» auf dem „Rudolf-Hess-Gedenkmarsch“ in Berlin. Im Februar 2020 reiste er erneut mit Eschrich, sowie Martin Kühlich nach Budapest, wo die drei am neonazistischen Aufmarsch zum „Tag des Ehre“ teilnahmen, der – wie auch der „Ausbruch 60“-Marsch – den deutschen Soldaten des Zweiten Weltkriegs und ihren ungarischen KollaborateurInnen gedenkt. Am 18. November desselben Jahres war René-Sebastian Stöcklein zudem auf einer «Querdenken»-Kundgebung in Berlin anwesend und bewegte sich dort in einer Gruppe Neonazis um den Hammerskin Thomas Gerlach vom Chapter «Sachsen».
Bemerkenswert ist darüber hinaus die Verbindung Stöckleins zur in der rechten Szene beliebten Modemarke «Thor Steinar», die vom Unternehmen „Mediatex GmbH“ in Mittenwalde, wenige Kilometer westlich von Königs Wusterhausen, vertrieben wird. An die Adresse dieser Firma mit dem Zusatz „z. Hd. René“ ließ sich Stöcklein in der Vergangenheit diverse Produkte liefern. Es muss demnach davon ausgegangen werden, dass er dort arbeitete und vermutlich noch immer dort tätig ist. Die Verbindung der Marke «Thor Steinar» zu den Hammerskins ist nicht neu. Als die «Hammerskins Berlin» im September 1998 ein Konzert in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) veranstalteten, reiste auch der Neonazi Axel Kopelke aus dem Raum Königs Wusterhausen an. Ein Jahr später, 1999, gründete Kopelke die Marke «Thor Steinar» und war bis 2007 einer der Geschäftsführer der 2002 entstandenen „Mediatex GmbH“.
Ein (Ex-)Polizist im Kreis der Hammerskins
Im Jahr 2011 stand der heute 47-Jährige Andreas Tanjsek vor Gericht, da er an der Erstellung des Covers der Split-CD „Gift für die Ohren“ der Bands «D.S.T.» und «Burndown» mitgewirkt hatte. Doch Tanjseks Handeln wurde schließlich als nicht strafbar bewertet, er wurde freigesprochen. Als wegen dieser CD im August 2007 seine Berliner Wohnung durchsucht worden war, hatte die Polizei unter anderem gerahmte Bilder von Adolf Hitler vorgefunden.
Pikant dabei war: Tanjsek stand bereits seit 1990 als Polizeibeamter im Dienst des Landes Berlin. Er war bereits zum Zeitpunkt der Razzia (und ist heute noch) mit der Neonazistin Michaela Zanker in einer Partnerschaft. Zanker hatte schon in den 1990er Jahren – damals noch mit Wohnsitz in Baden-Württemberg – der organisierten Neonaziszene angehört und sie war unter anderem im November 2004 auf der Jahresfeier der «Hammerskins Berlin» festgestellt worden. Auch ihre Wohnung wurde bei den Razzien im August 2007 durchsucht. Die beiden leben heute zusammen in Hoppegarten, östlich vor den Toren Berlins.
Aufgrund der Funde, die eindeutig auf eine neonazistische Gesinnung schließen sowie einer nicht genehmigten Tätigkeit als Gesellschafter einer Firma für Paintball-Zubehör, bekam Andreas Tanjsek nach der Razzia ein „Verbot der Amtsausübung“, dem im September 2007 eine vorläufige Dienstenthebung folgte – ohne Kürzung der Dienstbezüge. Zehn Jahre klagte er erfolgreich dagegen und verlor erst in letzter Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2017. Im Urteil hieß es unter anderem:
„Da der Beklagte nicht nur Tätowierungen von Runenzeichen und Emblemen rechtsextremistischer, rassistischer Musikgruppen trägt, sondern wiederholt den Hitlergruß gezeigt, mit einer Hakenkreuzflagge posiert und nationalsozialistische Devotionalien in seiner Wohnung verwahrt hat, ist sein durch die Tätowierungen dokumentiertes Bekenntnis als grundsätzliche und dauerhafte Abkehr von den Prinzipien der Verfassungsordnung zu werten, die zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt“.
Das Antifaschistische Infoblatt hatte über den Fall ausführlich berichtet.
Aus einer Kommunikation von Michaela Zanker um das Jahr 2010 geht hervor, dass Andreas Tanjsek in dieser Zeit häufiger mit Hammerskins auf Konzerten unterwegs war. Er ist der Berliner RechtsRock-Szene und insbesondere den Hammerskins bis heute eng verbunden. Im Sommer 2013 war er Mitorganisator eines Konzertes der Berliner Neonazi-Band «Kraft durch Froide» im Raum Nürnberg. Im Jahr 2019 betreute er mehrfach die Verkaufsstände der Band, unter anderem auf einem Konzert im März in Ostritz (Sachsen), sowie auf dem „Hammerfest“ im November in Frankreich. Fotos vom September 2018 zeigen ihn und Zanker im vertrauten Gespräch mit Alexander Mex von den «Hammerskins Mecklenburg» und dessen Partnerin Kirsten Mex. Aufgenommen wurden diese Bilder am Rande einer Theateraufführung einer Laienspielgruppe aus dem Kreis der 2009 verbotenen «Heimattreuen Deutschen Jugend» (HDJ) im sächsischen Bischofswerda.
Auch außerhalb des Konzertgeschehens ist Tanjsek mit Protagonisten der RechtsRock-Szene verbunden. Gemeinsame Kneipenabende verbrachte er in den 2010er Jahren zusammen mit Andreas Retzlaff, dem Sänger von «Kraft durch Froide», dem Berliner Neonazi-Musiker Ronald Mausolf, aktuell Gitarrist der Neonazi-Band «Berlin Breed» und einer Person, die in der Berliner Neonazi-Szene unter dem Namen „Mikro“ bekannt ist.
Urgestein der Ostberliner Naziskin-Szene und Hammerskin
„Mikro“ ist ein Urgestein der Ostberliner Naziskin-Szene, zugleich Musiker in einer Hardcore-Band, Fanzine-Schreiber und: Vollmitglied der «Hammerskins Berlin». Dennoch blieb seine Identität Antifaschist*innen bislang verborgen. „Mikro“ heißt mit bürgerlichen Namen Mirko Naydowski (*1970) und wohnt im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg an der Schönhauser Allee, unweit der gleichnamigen S-Bahnstation.
Stolz berichtet „Mikro/Ostberlin“ im Jahr 2009 in der zweiten Ausgabe des neonazistischen Fanzines «Für immer und ewig», wie damals am Abend des 17. Oktober 1987 der Überfall von rund 40 Nazi-Skins auf ein Konzert in der Berliner Zionskirche ablief. Der Überfall von 1987 ging in die Geschichtsbücher ein, denn er offenbarte mit einem Mal das von der DDR-Staatsführung bis dato unter den Tisch gekehrte Neonaziproblem in der DDR. Naydowski war – so schreibt er – an dem Überfall beteiligt gewesen. Er und die anderen Angreifer hätten sich in der Kneipe «Sputnik» in Berlin-Prenzlauer Berg getroffen, Bier getrunken und beschlossen, zur Zionskirche in Berlin-Mitte zu fahren, nur wenige Kilometer vom «Sputnik» entfernt. Dort spielte unter anderem die Westberliner Band «Element of Crime» vor geschätzten 1000 bis 2000 Besucher*innen. Die Naziskins gingen davon aus, ein linksalternatives Publikum vorzufinden. „Mikro“ schreibt: „Ab jetzt konnten wir endlich mal den roten Bolschewisten zeigen, wer hier das Sagen hat“. Mit der Straßenbahn angereist, griffen er und die Anderen sofort Konzertbesucher*innen an. Laut „Mikro“ machten bereits vor dem Konzertort Hippies und Punks „Bekanntschaft mit unserer Wut, bzw. unserem Schuhwerk“. Danach drangen die Neonazis in die Kirche ein, brüllten „Sieg Heil“, beschimpften die Anwesenden als „Judenschweine“ und prügelten wahllos auf sie ein. Den Gewaltexzess in der Zionskirche beschreibt „Mirko“ mit ausschmückenden Worte und erkennbar amüsiert. Der Herausgeber des Fanzines «Für immer und ewig», Norman Baar aus Sachsen, wurde um 2011 Prospect bei den «Hammerskins Sachsen». In der Einleitung der Artikelserie „Skinheads in der DDR“ nennt er „Mikro“ den „King vom Prenzlauer Berg“.
Seit wann Naydowski Mitglied der HSN ist, ist nicht bekannt. Im Jahr 2012 wird er von den «Hammerskins Berlin» intern als Fullmember geführt. Doch war Naydowski schon im November 2004 bei der Jahresfeier der «Hammerskins Berlin» anwesend und flog im November 2011 zum „Hammerfest“ nach Italien, begleitet von Andreas Tanjsek, Oliver Schubert, René-Sebastian Stöcklein und 16 weiteren deutschen Hammerskins. Auf Fotos des bereits erwähnten Konzertes von «Kraft durch Froide» im Sommer 2013 im Raum Nürnberg ist Naydowski mit einem Shirt der HSN bekleidet. Mit ihm ist auch Oliver Schubert auf diesen Fotos zu sehen. Im Oktober 2015 nahm Naydowski gemeinsam mit Schubert, Christian Dörk und René Albrecht an der Beerdigung des Hammerskins und V-Manns Roland Sokol in Karlsruhe teil und präsentierte sich dort in Bomberjacke mit Fullmember-Patch. Wie auch andere Mitglieder der HSB gehört „Mikro“ zum rechten Fanklientel des BFC Dynamo.
Bands und Musiker im Kreis der «Hammerskins Berlin»
Zusammen mit Ronald Mausolf spielt(e) Mirko Naydowski seit 2008 in der Hardcore-Band «Bloodshedrise», die sich unpolitisch gibt. Mausolf war in den letzten Jahren zudem Musiker in der rechten Oi-Band «Voice of Hate» und spielt heute Gitarre in der RechtsRock-Band «Berlin Breed». Lange Zeit vermied er es, mit einer offen neonazistischen Szene in Verbindung gebracht zu werden. Unter dem Namen „Vinylfroinde Ron“ war er jahrelang an vielen (auch linken) Konzertorten als Schallplattenverkäufer unterwegs und bewegte sich in den alternativen Kneipen in Berlin-Kreuzberg. Anfang der 2010er Jahre agierte er als Scharfmacher gegen Antifaschist*innen, die die „Grauzone“ in der Oi- und Hardcore-Szene Berlins thematisierten, in der er sich viele Jahre völlig ungestört bewegte. 2013 wurde seine Anbindung an die Neonaziszene und die Hammerskins öffentlich. Im November 2014 flog Mausolf zusammen mit dem Berliner Naziskinhead Kai Weßling nach Italien zum „European Hammerfest“. Ein Jahr später war Mausolf Teil einer größeren Reise-Gruppe um die HSB, die erneut zum „Hammerfest“ nach Italien reiste.
Im Berliner „Verfassungsschutzbericht“ für die Jahre 2010 bis 2014 kommen die Hammerskins genau ein einziges Mal vor und zwar in dem Satz: „In Berlin sind im Netzwerk ‚Rechtsextremistische Musik‘ neben mehreren Bands und Liedermachern auch Einzelpersonen und Personenzusammenschlüsse wie die ‚Hammerskins‘ und ‚Vandalen‘ aktiv, die im Umfeld der Bands agieren und diese vor allem logistisch unterstützen.“ Diese Ansicht ist in zweierlei Hinsicht interessant. Zum Einen, dass die Hammerskins nur im Zusammenhang mit einem Musik-Netzwerk Erwähnung finden und zum Zweiten, dass sich nicht die Bands im Netzwerk der Hammerskins bewegen, sondern dass die Hammerskins im Umfeld der Bands agieren würden.
Neben «Legion of Thor» und «D.S.T.» stand vor allem die Berliner Band «Spreegeschwader» den Hammerskins nahe. Bereits in den 1990er Jahren war die Band vermehrt im Line-Up expliziter Hammerskin-Konzerte in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern zu finden. Mit Alexander Gast als Sänger und Alexander-Willibald Bahls am Schlagzeug war die Band auch ins Vertriebsnetzwerk der Neonazi-Szene eingebunden. Gast war Mitte der 2000er Jahre Betreiber des Neonaziladens «On The Streets» in Berlin-Henningsdorf und Inhaber des «Joe-Hawkins-Versand». Bahls betrieb bis 2006 das rechte Ladengeschäft «Parzifal» in Berlin-Oberschöneweide, war zwischenzeitlich Anwärter bei den «Vandalen» und Musiker bei «D.S.T.» und «Die Lunikoff Verschwörung».
«Kraft durch Froide», kurz KdF, war wiederum in den frühen 1980er Jahren eine der ersten neonazistischen Skinhead-Bands in Deutschland und gilt deshalb heute als „Kultband“ der Szene. Wie eng die Band mittlerweile den Hammerskins verbunden ist, zeigte sich nicht nur am Beispiel von Andreas Tanjsek, der die Band auf ihren Konzerten begleitet und eine Art Manager der Band zu sein scheint. Auch das Konzertgeschehen von KdF tendierte in den letzten Jahren immer stärker in Richtung der HSN. Seit 2016 findet sich die Band vermehrt auf Konzerten der Bruderschaft wieder, vor allem auf denen der «Hammerskins Franken» im thüringischen Kirchheim. Am 2. November 2019 spielte KdF auf dem „European Hammerfest“ in Frankreich. Schon am Nachmittag besichtigten Hammerskins der Chapter «Berlin» und «Mecklenburg» die „Feste Kaiser Wilhelm II“ in Mutzig unweit des Austragungsortes des „Hammerfest“. Mit dabei waren Andreas Retzlaff und „Gunnar“, der Bassist von KdF, in deren Schlepptau Kai Weßling und dessen Ehepartnerin Uta Weßling. Kai Weßling gehörte früher einer antirassistischen Skinheadszene in Ostwestfalen an. Nach seinem Umzug von Hilden (NRW) nach Berlin entwickelte er sich in der rechten Skinhead-Szene um Ronald Mausolf immer stärker zum Neonazi.
Eine Anekdote am Rande der Hammerskins ist die Berlin-Brandenburger Band «Wutbürger». Die 2017 gegründete „Deutschrockband“ nennt sich „patriotisch, system- und gesellschaftskritisch“ und wird von der extrem rechten Plattform «Ein Prozent für unser Land» gefördert. Ihr Sänger ist der AfD-Politiker Andy Habermann aus Werneuchen im Landkreis Barnim. Die Gitarre übernahm 2019 der Sänger von «Spreegeschwader», Alexander Gast. 2020 wechselte Gast an den Bass und die Gitarre spielt seitdem der australische Staatsbürger Nigel Brown. Dessen Hauptband war über viele Jahre die Band «Fortress», eine Hammerskin-Band durch und durch, die im Mittelpunkt der «Southern Cross Hammerskins», dem australischen Chapter, steht. Spätestens seit Anfang 2019 wohnt Nigel Brown in Berlin, seine Partnerin ist die Neonazistin Maria Topf. Diese zählte schon um 2008 zum engeren Kreis der «Wolf’s Hook Brotherhood».
Keine Berührungsängste zur Subkultur
Mit Bands wie «Bloodshedrise» um den Hammerskin Mirko Naydowski und Ronald Mausolf, landete man unweigerlich in der Berliner Hardcore-, Punk -und Oi-Szene. Mausolf wirkte schließlich schon Anfang der 1980er in der bekannten Punkband «Rosa Beton» mit. «Bloodshedrise», die sich 1999 gegründet hatte, war ursprünglich die Band von „Krause“, der 2005 die nicht-rechte Hardcore-Band «Make It Count» mit ins Leben rief, bevor er um 2011 zur Oi-Punkband «Shock Troops» wechselte. «Bloodshedrise» löste sich erstmals 2002 auf und wurde dann 2008 von Gründungsmitglied „Walther“ am Gesang und eben Ronald Mausolf am Schlagzeug, sowie Mirko Naydowski am Bass, neu formiert. Doch «Bloodshedrise» war nicht erst zu diesem Zeitpunkt in der Neonazi-Szene angesagt. Als im Dezember 2001 das Konzert „Eastside Hardcore over X-Mas“ in Berlin-Friedrichshain mit «Bloodshedrise» stattfand, befanden sich unter den knapp 500 Gästen etliche Neonazis. Beobachter*innen des Konzerts schrieben im Nachgang gar, dass sich fast ausschließlich Neonazis auf dem Konzert befanden. Das Konzert wurde schon Wochen zuvor in Neonazi-Kreisen beworben. Neben «Bloodshedrise» trat auch die Band «Withheld» auf – deren Musiker in der organisierten Neonazi-Szene Berlins und Brandenburgs aktiv waren – sowie «Infront» aus Berlin. Das Konzert findet sich sogar in einer behördlichen Auflistung zum RechtsRock-Geschehen in Deutschland. Auch CD-Produktionen von «Infront» wurden in diesem Dokument gelistet. 2011 veröffentlichte «Infront» eine Split-CD mit «Bloodshedrise», als dort bereits Mausolf und Naydowski mitspielten. «Infront» war ein Nebenprojekt von Musikern der mittlerweile wieder aktiven „unpolitischen“ Hardcore-Band «Anticops», die fester Bestandteil der Subkultur in Berlin-Kreuzberg ist. Die Verbindungen und Überschneidungen in die rechte Szene haben offenbar bis heute Bestand. An einem der Auftritte der rechten Oi-Band «Bullenschubser» im Clubhaus der «Lones MC Havelland» im April 2019 nahm auch einer der beiden Sänger von «Anticops» teil, stand dort sogar als Gastsänger für ein Cover des Songs „hässlich, brutal und gewalttätig“ von «Böhse Onkelz» auf der Bühne – ein Song aus dem Jahr 1985, als sich «Böhse Onkelz» noch im Naziskin-Milieu herum trieb. „Tim“, Sänger von «Bullenschubser» wird auf der Facebook-Seite von «Anticops» als „Freund und Supporter“ dargestellt. „Tim“ nahm noch im März 2019 an einem RechtsRock-Konzert im sächsischen Ostritz teil, wo u.a. «Kraft durch Froide“ auftrat. Mit den Musikern der Band ist „Tim“ gut bekannt, denn schließlich spielte Robert Gesswein, genannt „Gessi“, lange Zeit sowohl bei «Bullenschubser», als auch bei «Kraft durch Froide». Heute ist der aus Oranienburg bei Berlin stammende Gesswein u.a. in der RechtsRock-Band «Eskalation» aktiv, seinen Platz am Bass bei KdF übernahm „Gunnar“. Dieser stammt aus der Blase rechter Musiker in Berlin und gehört auch der Oi-Band «Schuldspruch» aus Berlin an. Und wie es der Zufall will, sind Musiker von «Schuldspruch» ebenfalls bei «Berlin Breed» aktiv – der Band von Ronald Mausolf. Zuletzt spielte «Berlin Breed» auf einem Konzert der «Hammerskins Franken» im Mai 2019 in Kirchheim, Thüringen.
Im Kreis der rechten Oi-Szene Berlins um «Bullenschubser» bewegt sich auch der in Berlin wohnhafte Patrick Carstensen. Er hatte viele Jahre der RechtsRock-Band «Punkfront» angehört. Mit seinem aktuellen Projekt «Smart Violence» tritt er häufig auf Konzerten der HSN auf – u.a. auf dem „Hammerfest“ 2015 in den USA und zuletzt auf dem „Joe Rowan Memorial“-Konzert in Kirchheim, Thüringen. Zudem präsentiert sich Carstensen in den sozialen Netzwerken als „Supporter of the Nation“. Auch wenn er seit ein paar Jahren schon nicht mehr bei «Punkfront» aktiv ist, fand man die Nazi-Punkband im Line-Up von Hammerskin-Konzerten. Als «Punkfront» im März 2017 in Mailand (Italien) auftrat, hängte auf der Bühne großflächig ein Banner der «Crew38 Italia» mit der Aufschrift „In Hammer We Trust“.
Ein Ex-Hammerskin mit paramilitärischer Ausbildung
Marco Kai Hirschmann (*1975) stammt ursprünglich aus Franken, wo er Mitte der 1990er Jahre bereits als Neonazi aktiv war und wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde. Um 1997 zog er ins sächsische Vogtland, wo er den Hammerskin und V-Mann Steffen Kanzler kennenlernte und sich der «Hammerskin Nation» vorstellte. Aufgrund einer bevorstehenden Haftstrafe, die er im November 1998 anzutreten hatte, wurde er noch vor Haftbeginn zum Fullmember der «Hammerskins Sachsen» gepatcht. Nachdem er im Sommer 2000 entlassen wurde, verzog er nach Berlin, wo er sich den HSB anschloss.
In Berlin angekommen wurde er bereits am 1. Juni 2000 von Antifaschist*innen bei einer Hammerskin-Feier in Rüdersdorf bei Berlin festgestellt. Fotos vom Nachmitag zeigen Hirschmann, wie er gemeinsam mit Peter Brammann und dem Hammerskin Jürgen Mahn beim Aufbau hilft. Hirschmann, der im Gefängnis laut eigener Aussage viel Zeit im Fitnessbereich verbrachte, hatte sich die gekreuzten Hämmer großflächig auf die Brust tätowieren lassen. Im Januar 2007 wurde er von Peter Brammann gefragt, ob er für das Cover der Split-CD „Gift für die Ohren“ der Bands «D.S.T.» und «Burndown» posieren wolle. Hirschmann, dem dies offenbar schmeichelte, willigte ein und wurde von Brammann in dessen Maisonette-Wohnung in die Köpenicker Straße in Berlin-Mitte bestellt, die nur wenige hunderte Meter vom ehemals besetzten linken Hausprojekt „Köpi“ liegt. So landete Hirschmann unverpixelt und mit freiem Oberkörper auf dem CD-Cover, wobei das zu sehende „Crossed Hammers“-Tattoo auf der Brust als Bekenntnis der Bands zur «Hammerskin Nation» gewertet werden muss. Im Verlauf der Ermittlungen wegen dieser CD musste auch Hirschmann als Zeuge aussagen. Er belastete vor allem Peter Brammann, in dem er ihn als Sänger der Band benannte. Hirschmann waren diese Aussagen im Nachhinein unangenehm. Er log zudem, etwa als er aussagte, dass er 2002 aus der rechten Szene ausgestiegen sei. Im diesem Jahr hatten Ermittler*innen im Rahmen des Verfahrens gegen die «Hammerskins Sachsen» wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung seine Wohnung durchsucht und unter anderem eine Hakenkreuzfahne gefunden. 80% seiner dort gefundenen T-Shirts, so gaben die Ermittler*innen an, hätten Bezüge zu den Hammerskins. Noch 2005 hatte der angebliche Aussteiger Hirschmann an einem Konzert von «D.S.T.» teilgenommen und 2007 fungierte er als Fotomodel für die besagte Musik-Produktion.
Mit seinen Aussagen gegen Brammann dürfte es sich Hirschmann bei den Hammerskins verscherzt haben. Ein Rausschmiss aus der „Nation“ liegt nahe. Doch er zeigt bis heute in den sozialen Netzwerken ohne jede Scheu seine Hammerskin-Tätowierung auf der Brust. Er ist im Brazilian Jiu-Jitsu (BJJ) aktiv und trainierte um 2011 unter anderem im Berliner «Spitfire»-Gym. Heute ist er im CrossFit-Gym «Athletic Nation» in Berlin-Oberschöneweide anzutreffen und verdient sein Geld unter anderem im Sicherheitsgewerbe. Wohl lassen sich keine aktiven Verbindungen von Hirschmann in die Neonazi-Szene feststellen, doch er umgibt sich mit Personen, die sich durch das Tragen von Marken wie «Thor Steinar» der Rechten zugehörig zeigen. Bemerkenswert ist sein Faible für Waffen, aus dem er auf seinem Social Media-Profil keinen Hehl macht. Mal veröffentlicht er Bilder von sich auf dem Schießstand, mal präsentiert er sich mit Airsoft-Waffen im Rahmen eines „CQB“-Workshops, an dem er im August 2020 teilnahm. „CQB“ steht als Abkürzung für „Close Quarters Battle“ und schließt den bewaffneten und waffenlosen Kampf auf nahe und nächste Entfernung ein. Der Kurs fand auf dem Gelände des Paintball-Teams Fürstenwalde/LOS Woodlands e.V in Wilmersdorf am Scharmützelsee statt, südlich von Fürstenwalde in Brandenburg. Angeleitet wurde der Workshop von einer Gruppe, die sich nach dem Kampfsystem „PAKRA – Pankration Kravmaga – Military – Striking – BJJ“ benannt hat. Die Teilnehmenden trugen militärtaktische Kleidung, auf der unter anderem der Schriftzug „Sturmwölfe“ zu erkennen ist. „PAKRA“ ist laut eigener Darstellung ein eigens für Angehörige des Militärs geschaffenes Kampfsystem, das lehrt, wie man Gegner*innen möglichst effektiv kontrolliert. Schon im Juli 2020 nahm Hirschmann an einem anderen Workshop teil, dass die „PAKRA“ auf Facebook als „Behördentraining“ bezeichnet. Wieder wurden u.a. Nahkampftechniken gezeigt und der Umgang mit Waffen geschult, auch wenn es sich bei den verwendeten Gewehren vermutlich um Attrappen handelte.
All seine Aktivitäten dokumentiert Hirschmann fleißig. Auf seinem offen zugänglichen Social-Media Profil kommentieren seine Follower die unzähligen Sportevents, an denen er schon Teil nahm. Keinem seiner Follower dürfte Hirschmanns großflächige Tätowierung entgangen sein, die ihn als Mitglied einer Organisation „ausweist“, die sich selbst als die militante Elite der Neonaziszene versteht. Ein glaubhafter Szene-Aussteiger hätte sich die Tätowierung längst entfernen lassen. Für all die Kampfsport- und Airsoft-Gruppen, in denen er mitwirkt, scheint dies kein Problem zu sein.
Kultstatus: Das Chapter «Nordmark»
Der Bezeichnung „Nordmark“ orientiert sich an der Gebietsaufteilung während des Nationalsozialismus. Es gab eine SA-Gruppe mit dem Namen «Nordmark», ein NS-Arbeitslager «Nordmark» in Kiel und das Kampfblatt der Hitlerjugend zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg nannte sich «Nordmark-Jugend». Die «Gauliga Nordmark» war ein 1933 errichteter Fußballverband, welcher neben „Groß-Hamburg“ und Schleswig-Holstein auch die Region „Mecklenburg“ umfasste. Darauf bezogen sich auch die «Hammerskins Nordmark», die von 1995 bis Mitte der 2000er Jahre existierten. Laut eigenen Angaben gehörten ihnen um die 40 Personen an – ein außergewöhnlich großes Chapter, von dem jedoch nur wenige Mitglieder namentlich bekannt sind.
Das Netzwerk des Chapter «Nordmark» umfasste Neonazis und Kameradschaften aus Hamburg, Schleswig-Holstein, Bremen und Niedersachsen. Über die Mitglieder bestanden enge Verbindungen in die RechtsRock-Szene, zu Bands wie «Freikorps» und «Kraftschlag» aus Schleswig-Holstein und «Endstufe» aus Bremen. Man traf sich im «Club 88» in Neumünster und pflegte gute Beziehungen zu Neonazi-Kadern nach Hamburg, wie auch in die damals sehr aktive und militant auftretende Kameradschafts-Szene in Tostedt und dem nördlichen Niedersachsen.
Gemeinsam mit den Chaptern «Mecklenburg» und «Pommern» organisierte und besuchte das Chapter «Nordmark» Konzerte, u.a. in Klein Bünzow bei Anklam (Mecklenburg-Vorpommern). Für die Organisierung von Netzwerken innerhalb der Neonazi-Strukturen hatten die Bundeslandgrenzen nie eine Bedeutung.
Die Anfangszeit
Das Chapter «Nordmark» gründete sich zu einer Zeit, in der u.a. die Neonazi-Kader Thomas Wulff und Christian Worch bereits ein militantes Netzwerk aufgebaut hatten, welches sich über ganz Norddeutschland erstreckte. Ab 1994 versuchte man unter dem Label «Aktionsbüro Norddeutschland» gezielt Straßenschläger, rechte Skinheads und Hooligans politisch zu organisieren und Kräfte zu bündeln. Der Fokus lag auf gemeinsamen Aktionen als Bündnis in Abgrenzung zur Organisierung in Parteien oder Kameradschaften, die als feste Organisationen juristisch leichter angreifbar sind. In jenes Bündnis waren auch Mitglieder der «Hammerskins Nordmark» eingebunden.
Das Chapter «Nordmark» wurde 1995 gegründet und hatte sein Zentrum in Lüneburg in Niedersachsen. Von dort aus wurde es von Sven Grewe (*1969) angeführt. Grewe war bereits seit Mitte der 1980er Jahre als Nazi-Skinhead bekannt und gab Ende der 1980er das Fanzine «NS-Eisenschädel» heraus. Wie etliche andere Neonazis war auch er schon am 30. Mai 1992 in Brandenburg an der Havel anwesend, als dort u.a. «Radikahl», «Bomber», «Division S» und «No Remorse» auftraten und die britische Kult-Band «Skullhead» ihr Abschiedskonzert gab. Es war der Soundtrack zu den tödlichen „Baseballschlägerjahren“. Bis zu 1000 Neonazis heizten sich damals auf einer Freiluftbühne gegenseitig an, ungestört durch die anwesende Polizei. Hakenkreuz-Flaggen wurden geschwungen und von der Bühne hetzte etwa «Bomber» aus Sachsen mit der Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer Raus“. «No Remorse» spielte Songs wie „Nigger Hunt“ und animierte durchgängig zu „Sieg Heil“-Rufen und Hitlergrüßen, «Radikahl» gaben ihr „Hakenkreuz“-Lied zum „Besten“. Das Open-Air prägte sich ins Gedächtnis der Szene ein, war einer der Kristallisationspunkte der Nazi-Skinszene und trug zur Radikalisierung dieser bei.
Als Grewe Jahre später, im September 1998, an einem Aufmarsch in Rostock teilnahm, präsentierte er seine Tätowierung auf dem rasierten Schädel: den Schriftzug „Lüneburg Skinheads“, der die gekreuzten Hämmer umrahmt. Die «Crossed Hammers» trug er in Rostock auch als Anstecker an seiner Jacke zur Schau. Seine Ehepartnerin Cathleen Grewe war ebenfalls stark in die Neonaziszene eingebunden. Sie war teil der Organisation «Skingirl Freundeskreis Deutschland» und nahm schon damals an etlichen RechtsRock-Konzerten teil. Auch betreute sie inhaftierte Neonazis im Namen der 2011 verbotenen «Hilfsorganisation für Nationale Politische Gefangene und deren Angehörige» (HNG).
Zusammen mit seinem Brüdern Michael und Hans Grewe war Sven Grewe in der regionalen Neonaziszene tonangebend. Die Brüder galten als unzertrennlich. Bei einer Razzia im August 1997 wurde in Michael Grewes Wohnung in Eddelstorf bei Bad Bevensen eine funktionsfähige Maschinenpistole (Uzi) versteckt hinter der Tapete sowie zwei weitere Waffen und 1300 Schuss Munition gefunden. Im Oktober 1998 wurde Grewe in der Sache von dem Neonazi-Anwalt Hans Günter Eisenecker vor Gericht vertreten. Dieser konnte trotz Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, was eine Mindeststrafe von 1 Jahr Haft vorsieht, 13-Monate auf Bewährung erwirken. Der einzige Neonazi, der Grewe im Prozess durch seine Anwesenheit unterstütze, war der Hammerskin Stephan Schmidt. Eisenecker ist der Öffentlichkeit vor allem bekannt, da er wenige Monate danach für die untergetauchte NSU-Terroristin Beate Zschäpe als Rechtsanwalt tätig wurde.
Bis 1997 führten Michael und der dritte Bruder, Hans Grewe, das neonazistische Ladengeschäft «Buy or Die» in Hamburg-Lohbrügge, wo sich das Who-is-Who der Hamburger Neonaziszene traf. Im «Warhead», dem Fanzine der «Hammerskins Nordmark», das Sven Grewe herausgab, wurde die Bedeutung des Ladens zum Zeitpunkt der Schließung in Hamburg beschrieben:
„Am 30. Juni hat leider ‚Buy or Die‘ Shop geschlossen. Damit geht leider ein Laden, der wirklich nur für ‚uns‘ da war, verloren! Dieser Laden wurde mit sehr viel Einsatz und Mut eröffnet, um der Scene einen Shop zu geben, der von Skins für Skins ist. Der Laden war ein guter Treffpunkt, es mußte auch nicht immer etwas gekauft werden. Man konnte einfach bei einem guten Kaffee die neusten Informationen erfahren und nebenbei günstig einkaufen.“ (sic!)
Sven Grewe war mit Hammerskins in ganz Europa verbunden. So nahm er im Frühjahr 1999 an einem „European Officers Meeting“ (EOM) in Italien teil und verbrachte auch Silvester 2000/2001 mit seinen „Brüdern“ der «Italia Hammerskins» in Mailand. Michael Grewe ist bis heute den Hammerskins eng verbunden. Gemeinsam mit Sohn Ulf Grewe findet er sich regelmäßig bei den maßgeblich vom Chapter «Mecklenburg» organisierten Festen in Jamel und Grevesmühlen ein. 2014 nahm Michael Grewe an der Hochzeit des Hammerskins Alexander Mex in Jamel teil.
Neben Sven Grewe gehörte auch Sven Steinhagen (*1971) zur Hammerskin-Generation der 1990er Jahre, mit Zugehörigkeit zum Chapter «Nordmark». Er ist der Ex-Mann von Tanja Steinhagen-Wolff – heute Partnerin des Hammerskins Thorsten Wolff – und lebte lange Zeit mit ihr und dem gemeinsamen Kind in Mölln. Das Paar reiste Mitte der 1990er Jahre durch ganz Deutschland, um an Veranstaltungen teil zu nehmen. So besuchten sie im Februar 1995 eine Party mit etwa 120 Neonazis in der Gaststätte „Tiroler Höhe“ in Nürnberg, Bayern. Vor dem Lokal erschallten „Sieg Heil“-Rufe und Hitlergrüße wurden gezeigt, weshalb die Polizei das Treffen auflöste. Etwa die Hälfte der Anwesenden flüchtete durch die Hintertür. Uwe Mundlos, Ralf Wohlleben und weitere Neonazis aus Thüringen wurden an einer nahegelegenen Raststätte bei der Abreise kontrolliert.
Als Sven Steinhagen im März 1995 zu einem Konzert nach Thüringen fuhr – die Polizei löste dieses Event ebenfalls auf – befand sich unter den 230 kontrollierten Gästen erneut Uwe Mundlos, als auch der NSU-Helfer Ralf Wohlleben. Ob man sich näher kannte oder nur die gleichen Partys besuchte, ist nicht bekannt. In jeden Fall zeugt die Anwesenheit der Steinhagens in Bayern und Thüringen für eine bundesweite Vernetzung. Die Steinhagens waren so bekannt, dass der sächsische Hammerskin-Chef und V-Mann Mirko Hesse in seinen Berichten über Neonazikonzerte im Jahr 1996 in Mecklenburg-Vorpommern die Anwesenheit der Steinhagens vermerkte. Den 1. Mai 1997 verbrachten Sven Steinhagen und Tanja Steinhagen-Wolff in Gewahrsam. Als die Polizei den zentralen NPD-Aufmarsch in Leipzig verbot, wich ein Teil der Neonazis nach Hannoversch Münden in Niedersachsen aus. Vor Ort versuchte die Polizei die „Rädelsführer“ in Gewahrsam zu nehmen, was auf massiven Widerstand der 250 Neonazis stieß. Bei dem Versuch der Gefangenenbefreiung wurde die Polizei attackiert und verletzt. Sven und Tanja Steinhagen wurden im Laufe der Geschehnisse im Stadtgebiet in Gewahrsam genommen. Sven Steinhagen eckte innerhalb der Szene offenbar aber auch immer wieder an. Im Januar 2001 wurde er auf einem Chapter-Treffen der «Hammerskins Nordmark» in den Prospect-Status zurückversetzt, d.h. degradiert. Drei Monate später flog er ganz aus der «Hammerskin Nation» (HSN). „Seine Auffassung für die Nation lag nicht mehr in unserem Sinne“, hieß es in einem internen Newsletter des Chapter «Nordmark».
Auf dem selben Chapter-Treffen im Januar 2001 wurde auch ein Beschluss gefasst, der den Hammerskin Steffen Rolfs (*1964) betraf: Rausschmiss aus der „Nation“, weil er sich nicht regelmäßig gemeldet und Mitgliedsbeiträge nicht gezahlt habe. Rolfs gehörte ursprünglich den 1993 gegründeten «Hammerskins Bremen» an, wechselte allerdings um 2000 ins Chapter «Nordmark». Er war mit seinem Label «Hanse Records» wichtiger Produzent von RechtsRock und dabei eng verbunden mit der Bremer Band «Endstufe».
Wie lange hingegen Stephan Schmidt (*1978), genannt „Schmidti“, dem Chapter «Nordmark» angehörte, ist nicht bekannt. Seine Aktivitäten in der HSN sind bis Frühjahr 2001 nachvollziehbar. Damals war er noch für das Verfassen der monatlichen Newsletter des Chapters zuständig. Er wohnt heute in Celle und tummelte sich seit Anfang der 1990er Jahre im Kreis von Neonazi-Schlägern und ist als Demo- und Konzertgänger bekannt. Mit seinen Kameraden aus dem Kreis der Partei «Nationalistische Front» (NF) zog er nahezu jedes Wochenende in Norddeutschland umher. Die Gruppe ist für eine Vielzahl von Angriffen verantwortlich und Teil eines rechten Schlägerkommandos, was sich unter anderem mit Funkgeräten ausgerüstet und mit militärischen Einsatztaktiken vertraut gemacht hatte, um politische Gegner anzugreifen.
Einige der Neonazis von damals sind heute Teil der Gruppierung «Skinheads Uelzen», wie auch Stephan Schmidt. Die Gruppe veranstaltet regelmäßig konspirative RechtsRock-Konzerte in Norddeutschland, meist im Raum Niedersachsen für einen ausgelesenen Kreis von Neonazis. Schmidt selbst richtete im Oktober 2013 ein als Geburtstagsfeier getarntes Konzert im niedersächsischen Wellendorf aus, bei dem die Bands «Abtrimo» und «Faustrecht» spielten. Im Juni 2014 reiste er mit Neonazis der «Skinheads Uelzen» nach Nienhagen im Harz zu einem RechtsRock-Konzert. An seiner Seite befanden sich Thorsten Luther aus Salzwedel und Jörg Koschnick aus Uelzen, Bruder von Marcel Koschnik – Sänger der Band «Abtrimo». Schmidt unterhält heute gute Kontakte zum «Hells Angels MC Altmark». Mit dem Präsidenten dieses Ablegers, Kay Schweigel aus Salzwedel, feierte er bereits 1998 zusammen auf einer Party der «Hammerskins Nordmark». Auch den „Seargent At Arms“ („Sicherheitsoffizier“) des «Hells Angels MC Altmark», Tino Worch, kennt Schmidt schön länger aus der militanten Neonaziszene, etwa als Mitglied der «Endstufe Crew» um die Bremer Band «Endstufe». Zur Eröffnungsfeier des «Hells Angels»-Ablegers („Charter“) «Altmark» in Salzwedel im November 2016 reiste Stephan Schmidt mit einem Mitglied des rechten Motorradclubs «Dirty Pack MC» an. Kontakte, die sich auszahlen, denn im Clubhaus des «Dirty Pack MC» in Celle konnten Schmidt und die «Skinheads Uelzen» im März 2019 ein Konzert mit «Brutal Attack» veranstalten.
Weltweite Bekanntheit dürften die deutschen Hammerskins in den Anfangsjahren durch Kai Rainer Stüwe (*1970) aus Bad Oldesloe erlangt haben. Er gehörte ebenfalls zur Gründergeneration des Chapters«Nordmark» und konnte durch sein Mitwirken in etlichen Musikprojekten schon Mitte der 1990er internationale Kontakte knüpfen. Sein Hauptprojekt war die 1990 gegründete Band «Freikorps». Mit ihr gab Stüwe Konzerte von Finnland über Ungarn bis in die USA. Weitere Projekte von ihm waren u.a. die Bands «Holsteiner Jungs», «Asgard», «Hooligan Beat» und «Oi Dramz».
«Freikorps» war in den 1990er Jahren die erste deutsche Neonazi-Band, die in den USA eine Tour, organisiert vom «Resistance Magazine», spielte. Bilder dieser Tournee zeigen nicht nur Kai Stüwe posierend mit Kriegswaffen, sondern auch seine deutschen Begleiter von «Excalibur Records» aus Bochum. Im Rahmen der Konzerte mit den Hammerskin-Bands «Bound for Glory» und «Nordic Thunder» in Dallas, St. Paul und Detroit, dürfte auch der Kontakt zur Band «Max Resist» um den damaligen Hammerskin Shawn Sugg aus Detroit entstanden sein. Auf deren 1997 veröffentlichten CD „Second Skin“ wirkte Stüwe schließlich als Gastsänger mit. In der Zeit kam es zum Bruch Stüwes mit den «Hammerskins Nordmark». Der sächsische Hammerskin Mirko Hesse erklärte dazu in einem Interview mit der «Hammerskin Press» im Jahr 1997: „Kai was kicked out from Hammers, because he told in some zines that he want to be hammer ‚Just for fun‘ or he only want to make music and so on.“ (Kai wurde bei den Hammerskins rausgeschmissen, weil er in einem Zine erzählt hat, dass er nur ‚aus Spaß‘ Hammerskin sei und er nur Musik machen will und so weiter. – Übers. d. Verf.)
Im Jahr 1999 löste Kai Stüwe «Freikorps» auf und zog sich aus der Szene zurück. Bis heute besitzt «Freikorps» einen Kult-Status in der rechten Szene. Noch im März 2021 wurde die CD „Abschied“ der Band neu aufgelegt und inoffiziell vertrieben. Im Booklet sind die gekreuzten Hämmer abgebildet. In dem Interview mit der «Hammerskin Press» von 1997 sagte Mirko Hesse bezogen auf «Freikorps» auch: „The only Hammer in the band is the Bass player ‚Klappmeier‘“. Damit meinte er Oliver Klapmeier (*1968), genannt „Klapi“, der aus Elmshorn bei Hamburg stammt und dem Chapter «Nordmark» bis mindestens 2001 angehörte. Schon Anfang der 1990er Jahre wurde gegen ihn ermittelt, da er als Teil eines deutschen Ablegers des «Ku Klux Klan» in Erscheinung getreten war. Diesen Ableger, der sich «The Flaming Sword» nannte, hatte u.a. Norman Zühlke initiiert, der sich später ebenfalls den Hammerskins in Berlin anschloss.
Neben «Freikorps» spielte Klapmeier auch bei den in der Szene beliebten Bands «Kraftschlag» und «Holsteiner Jungs» mit. Durch seine Aktivitäten in den Bands erlangte er schnell Ansehen in der Neonaziszene. So stand er beispielsweise im Juni 1999 auf der Gästeliste der Hochzeit von Thorsten und Nadine Heise. Als im März 2006 Heises Tochter Ida zur Welt kam, wurde Klapmeier von ihm durch eine private Nachricht in Kenntnis gesetzt. Bis mindestens 2017 war er Inhaber des rechten Online-Shops «Northstyle». Mit Sitz in Timmendorfer Strand bot Klapmeier Textildruck und Glasgravur an. Der Shop ist noch heute online, wohl aber nicht mehr aktiv. Wann genau er die Hammerskins verließ, ist wie bei vielen Mitgliedern seines Chapters unbekannt.
Die Geschichte von Jan Herold (*1974) aus dem Landkreis Lüneburg bei den «Hammerskins Nordmark» endete wenig rühmlich. Er betreute die E-Mail-Adresse des Chapters, flog jedoch im Februar 1999 aus der HSN. In einer internen Kommunikation hieß es dazu, er habe „Scheiße verzapft“ und „nur der Nation geschadet“. Auf einem „Deutschlandtreffen“ der Hammerskins im April 1999 wurde er gar zum Tagesordnungspunkt: „Warnung über die Machenschaften des Ex Nordmark Mitgliedes Jan!“. Was genau Herold sich zu Schulden kommen ließ, ist unbekannt. Einen Monat später starb er. Am 15. Mai 1999 feierte ein junger Mann seine bestandene Jagdprüfung in Wendisch Evern bei Lüneburg. Laut Presseberichten habe Jan Herold dem jungen Mann Angst eingeflößt, worauf dieser ihm mit einem Jagdgewehr in den Hals schoss. Im «Wehrt Euch!», dem Fanzine des Chapter «Berlin», schaltete seine Kameradschaft «Trupp 16» aus der Region Lüneburg/Uelzen eine Traueranzeige für das „ehemalige Hammerskinmitglied“ Herold.
Als Sven Grewe 1997 seine Hochzeit feierte, war Torsten Lau (*1966) einer der Gäste. Der in Hamburg geborene Neonazi verbrachte seine Jugend in Kellinghusen, im Süden Schleswig-Holsteins, und war 1998 Gast einer Hammerskin-Feier des Chapter «Nordmark» im Landkreis Lüneburg. Eine feste Mitgliedschaft in der HSN kann ihm allerdings nicht nachgewiesen werden. Allerdings war er maßgeblich an der Erstellung des Hammerskin-Fanzines «Warhead» beteiligt und schrieb dort zahlreiche Artikel. In der zweiten Ausgabe des «Warhead» heißt es zu Beginn: „Einen Mitstreiter habe ich auch gefunden: den dicken “ L “ aus „S“, hört zwar zu viel OI! Und verteidigt aussichtslos das überholte alte Vinyl aber er schreibt und schreibt und…“.
In der gleichen Ausgabe findet sich ein Artikel über das Leben in Kellinghusen, in dem es u.a. heißt: „Punker dulden wir hier nicht, die wurden schon im Keim erstickt. Sharps und anderes Gesindel hat sich in bad Bramstedt angesiedelt und hätte bei uns auch keine Überlebenschance.“ (sic!)
Lau ist bis heute Plattensammler und reger Konzertgänger. Durch seine Vorliebe für Ska, Punk, Rockabilly und Oi-Musik ist er seit vielen Jahren auch in der alternativen Subkultur Hamburgs anzutreffen und dürfte so manchen Linken und Konzertveranstalter*innen bekannt sein. Laus Verbindungen in die rechte Szene sind bekannt. Er ist etwa mit Jens Brandt, dem Sänger der Bremer Band «Endstufe», gut befreundet. Lau zählt zum engeren Fankreis der Band, die sich «Endstufe Crew» nennt. Als «Endstufe Crew Hamburg» findet man Lau seit vielen Jahren im internen Verteiler dieser Gruppe. Als im Juni 2014 die «Endstufe Crew» ein RechtsRock-Konzert der Gruppierung «Honour & Pride» in Nienhagen besuchte, war auch Lau dabei.
Party der «Hammerskins Nordmark»: vom Grillplatz in den «Club 88»
Im Juni 1998 organisierte Sven Grewe eine Party im niedersächsischen Scharnebeck im Landkreis Lüneburg, die als Hammerskin-Event galt. Bereits einen Tag zuvor kümmerten sich die Neonazis um den Aufbau auf einem öffentlichen Grillplatz. Neben Schlafzelten wurde ein Festzelt aufgebaut und eine Musikanlage, Bierbänke und Tische aufgestellt. Unübersehbar prangte die Fahne der «Hammerskins Nordmark», die ein Wikingerschiff und die gekreuzten Hämmer zeigt, an einem der Zelte. Die ersten helfenden Hände, die sich gegen 12 Uhr auf dem Platz einfanden, waren unter anderem der Hammerskin Sven Steinhagen und seine Frau Tanja Steinhagen aus Mölln sowie Anwärter der HSN aus Schweden. Rund 200 Neonazis reisten im Laufe des Tages zu der Party des Chapter «Nordmark» an, die allerdings frühzeitig von der Polizei aufgelöst wurde. Neben Hammerskins aus Sachsen, Berlin und den Niederlanden, waren zahlreiche bekannte Neonazis aus dem norddeutschen Raum vor Ort. Dazu zählte auch Christiane Dollscheid, ehemals Betreiberin des «Club 88» in Neumünster, Schleswig-Holstein.In dieser Immobilie fand sich später am Tag auch ein Teil der Hammerskins ein, nachdem die Polizei das Treffen in Scharnebeck untersagt hatte.
United – «Blood & Honour» & die Hammerskins
In Norddeutschland waren seit den frühen 1990er Jahren die Organisationen «Blood & Honour» (B&H) und Hammerskins eng verbunden. Gemeinsam mit dem gleichnamigen regionalen B&H-Ableger «Nordmark» organisierten die Hammerskins um Sven Grewe in den 1990er Jahren zahlreiche Konzerte. Ein Anführer von «Blood & Honour Nordmark» war Stefan Silar aus Tostedt, der 1992 den Kapitän Gustav Schneeclaus tot geprügelt hatte.
Neben den Konzerten schufen gemeinsam veranstaltete Fußballturniere Zusammenhalt zwischen den beiden Organisationen. Zu einem lud unter anderem Michael Grewe als Inhaber des Szeneladens «Buy or Die» nach Hamburg-Bergedorf ein. Über ein anderes berichtete Torsten Lau in der zweiten Ausgabe des Hammerskin-Fanzines «Warhead» unter der Überschrift „Erstes Fußballturnier der Boys von Celtic Tostedt 88“. Neonazis aus ganz Norddeutschland kamen damals im Sommer 1997 zusammen, Lau schrieb dazu: „Das Finale bestritten mal wieder ‚Club 88‘ gegen ‚Celtic Tostedt‘, wobei die Neumünsteraner die Oberhand behielten und den Cup mit nach Hause nahmen.“.
Wenige Jahre später, am 28. August 1999, veranstaltete «Blood & Honour Nordmark» gemeinsam mit den «Hammerskins Nordmark» eine Feier auf dem Gelände einer Kirchengemeinde in Norddeutschland. Untermalt worden sei das Ganze mit Liedern „aus der Kampfzeit der 20er“, hieß es in einem Bericht dazu. Eingeladen waren auch Neonazis aus Hessen, Niedersachsen und Bremen. Stefan Silar berichtete über das Treffen unter der Überschrift „United“ im Herbst 1999 im Neonaziheft «Hamburger Sturm» und schließt mit den Worten ab: „Schließlich kämpfen wir alle für ein Ziel“. Maßgeblich verantwortlich für den «Hamburger Sturm» war das damalige B&H-Mitglied Torben Klebe aus Hamburg. Am 2. November 2019 nahm er am „Hammerfest“ in Frankreich teil, wobei er bereits am Nachmittag u.a. mit Hammerskins des Chapter «Mecklenburg» gemeinsam einen Ausflug zur „Feste Kaiser Wilhelm II“ in Mutzig unternahm.
Die enge Bande zwischen den Hammerskins und den Führungspersonen des B&H-Netzwerks blieb auch nach dem Verbot von «Blood & Honour» in Deutschland im Jahr 2000 bestehen. So feierte im Juni 2006 Marco Schmidt aus Seevetal bei Hamburg seinen 30. Geburtstag, an dem sowohl Stefan Silar als auch Malte Redeker – heute Europa-Chef der Hammerskins – teilnahmen. Wenig später wurde Schmidt Moderator im Onlineforum „Thiazi“, das von 2007 bis 2012 mit etwa 20.000 Mitgliedern das bislang größte und bedeutendste Forum der deutschen Neonaziszene war. Im März 2017 besuchte Marco Schmidt mit Kameraden das Clubhaus der «Lorraine Hammerskins» im Nordosten Frankreichs. Ein „Marco Niedersachsen“ hatte schon 2001 dem Chapter «Nordmark» angehört. Sehr wahrscheinlich handelt es sich dabei um Marco Schmidt.
Zehn Tage nach dem bundesweiten Verbot von B&H am 23. September 2000 organisierten B&H und die «Hammerskins Nordmark» gemeinsam ein „Ian Stuart Memorial“-Konzert in Laave bei Lüneburg, bei dem die Bands «Max Resist» (USA), «Razors Edge» (UK) und «Proissenheads» aus Brandenburg spielen sollten. Bis zu 600 Neonazis lieferten sich eine Saalschlacht mit der Polizei, als diese versuchte das Konzert aufzulösen. Der Neonazi-Mob verschanzte sich im Saal und griff die eingesetzten Beamt*innen mit Tränengas, Rauchbomben, Flaschen und Gläsern an. Auch warfen die Neonazis eine Kommode aus dem 2. Stock auf die Polizei. Die Bilanz der Nacht waren 46 Verletzte auf Seiten der Polizei und eine legendäre Geschichte für die militante Neonaziszene.
Deutschlandtreffen in Boizenburg
Um 1999 hatten Michael Grewe und Thomas Wulff einen Gutshaus in Teldau im Amtsbezirk Boizenburg-Land in Mecklenburg-Vorpommern unweit der Landesgrenze zu Niedersachsen erworben. Ihr Plan war es, ein Schulungszentrum zu errichten, nachdem der bekannte Neonazitreffpunkt «Hetendorf 13», in der Lüneburger Heide 1998 im Rahmen von Organisationsverboten beschlagnahmt und geschlossen wurde.
Im April 1999 lud das Chapter «Nordmark» zu einem „Deutschlandtreffen“ der Hammerskins auf das Anwesen in Teldau ein. Heute werden diese „Deutschlandtreffen“ als „National Officers Meeting“ (NOM) bezeichnet. In der Einladung heißt es:
„Es sind alle Hammerskins+die Anwärter Eingeladen. Denkt an die Themen, welche Angesprochen werden sollen!!! Nach der Sitzung gibt es noch eine Party, wer also seine Frau oder seine Bekannten mitbringen will, kann er das gerne tun. Für das Essen&Trinken ist gesorgt!Gegen einen kleinen Unkoatenbeitrag. Treffpunkt:Boizenburg(Elbe).Nähe Lauenburg. Fahrt bitte zum Bahnhof Boizenburg und ruft die Mobil Nummer an, dann werdet Ihr abgeholt! Versucht so um 16-17Uhr dort zu sein!!! Falls Ihr früher dort seid,kein Problem. In der Hoffnung das viele von Euch kommen verbleiben mit H.F.F.H !!! Sven“. (sic!)
Im Nachgang berichtet der Chef der «Hammerskins Sachsen», Mirko Hesse, einem seiner „Brüder“ über die Umstände des Treffens.
„Die Nordmärker haben ein altes Jagdschloß gekauft und das bauen die aus“, schreibt Hesse und weiter: „Also der Bruder vom Grewe hat eine SA-Sammlung, da kann sich jedes Museum eine Scheibe abschneiden. Unglaublich, der hat vielleicht so an die 20 Uniformen und ca. 30 oder 40 Mützen, Sturmfahnen, Sturmgepäck, Bücher, Plakate, Dolche, Koppel, Oden usw. Eine wahre Augenweide . Ich war natürlich sehr angetan und habe dann für den Rest des Abends nur noch HK‘s und Uniformen gesehen ..sooooo schöööön.“ (sic!)
Kultstatus „Nordmark“
Heute ist kein aktives Chapter «Nordmark» in der HSN auszumachen. Die Struktur stellte Mitte der 2000er Jahre seine Aktivitäten ein und löste sich auf. Die Gründe für die Auflösung sind nicht bekannt. Doch beziehen sich Hammerskins anderer Chapter auch heute noch positiv auf die «Nordmark».
Als einzelne deutsche Chapter um 2013 fürchteten, als Organisation verboten zu werden, war das Chapter «Mecklenburg» das erste, das sich zum Schein auflöste. Um dennoch als Chapter ansprechbar zu bleiben, plante vor allem Steffen Borchert (*1978) das Chapter «Nordmark» neu zu gründen. Borchert ist seit der Jahrtausendwende Teil der HSN und durchlief bis 2001 seine Anwärterschaft im Chapter «Nordmark», wo er auch als Fullmember aufgenommen wurde. Später, nach dem Niedergang des Chapters, schloss er sich den «Hammerskins Mecklenburg» an. Dass er 2013 „die Nordmark“ neu beleben wollte und die Mitglieder des (schein-)aufgelösten Chapter «Mecklenburg» dorthin versuchte zu überführen – wie aus internen Kommunikationen ersichtlich wird – hat nicht nur mit seiner eigenen Vergangenheit zu tun. Mit der «Nordmark» konnte man schließlich – wie einst in der Aufteilung in Gaue unter Adolf Hitler – über Bundeslandgrenzen hinweg seine Mitglieder vereinen. Die «Nordmark» steht für all das, was den Hammerskins heute noch wichtig ist und worauf sich nostalgisch bezogen wird: Ein durchaus einflussreiches und angesehenes Chapter, das sehr gut vernetzt war, über weltweit bekannte RechtsRock-Bands verfügte und Konzerte wie auch Treffen organisiert hatte.
Die Wiedergründung des Chapters wurde nicht vollzogen. Mit der ausbleibenden Repression seitens der Behörden führte das Chapter «Mecklenburg» seine Aktivitäten wie gewohnt fort. Trotz dessen, dass es nur bei einem Versuch blieb, die «Nordmark» wieder zu beleben lassen sich seit 2013 Neuauflagen von T-Shirts und Pullover der «Hammerskins Nordmark» finden.
Hinter gutbürgerlicher Fassade:
Das Chapter «Württemberg» und das ehemalige Chapter «Baden»
Obgleich das Chapter «Württemberg» derzeit weniger als zehn Mitglieder haben dürfte, hat es in der neonazistischen Szene im Bundesland eine hohe Strahlkraft. Vor allem im Raum Stuttgart und der Schwäbischen Alb gibt es mehrere Musikbands und Cliquen, die eine starke Nähe zur HSN aufweisen. Ein weiterer Schwerpunkt der Hammerskin-Aktivitäten im Bundesland liegt im Raum Villingen-Schwenningen, wo die „Brüder“ in den vergangenen Jahren Zugriff auf Orte hatten, an den sie ihre Treffen ausrichten konnten.
Am Beispiel der Hammerskins in Baden-Württemberg lässt sich auch nachvollziehen, wie offensichtlich der Inlandsgeheimdienst die Öffentlichkeit zum Thema Hammerskins täuscht. So verbreitete das «Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg» (LfV) 2013 auf seiner Website die falsche Information, dass es im Bundesland keine Chapter gäbe. Doch bereits in den 1990er hatte ein Chapter in Baden-Württemberg bestanden, dass 1998 aufgelöst worden war. Ein neues Chapter «Württemberg» gründete sich 2011. Das Chapter «Baden» bestand von 2000 bis zirka 2015.
Im Mai 2013 veröffentlichte die Autonome Antifa Freiburg einen Recherche-Artikel, der tiefe Einblicke in die Strukturen gewährte und für große Unruhe in der Bruderschaft sorgte. In Folge dessen gaben drei Fullmember aus dem Bundesland ihre Patches ab.
Das „alte Chapter“
Schon ab 1990 traten im südlichen Baden-Württemberg, vor allem im Grenzgebiet zur Schweiz, Neonazis in Erscheinung, die sich an den Schweizer Hammerskins orientierten und gute Verbindungen zu diesen unterhielten. Im Jahr 1993 diente ein Postfach in Burladingen in der Schwäbischen Alb als Anschrift der „Hammerskins Deutschland“ und des Labels «German Hammerskin Records». Inhaber des Postfaches war Christoph Diebold aus Burladingen, dessen Name sich in einer Kartei findet, in der die 1992 verbotene Neonazipartei «Nationalistische Front» ihr Umfeld erfasst hatte. Auch lässt sich Diebold bis in die 2000er Jahre als Besteller neonazistischer Musik nachvollziehen, doch darüber hinaus gibt es keine Informationen über ihn und eine Gruppe um ihn herum. Vom Label «German Hammerskin Records» ist keine Veröffentlichung bekannt. Retrospektiv stellt sich die Frage, ob alles (vermeintliche) Wissen über das Label nicht auf einer Visitenkarte basiert, die Diebold um 1992 verteilt hatte und ob «German Hammerskin Records» nur eine Idee gewesen war, die nie umgesetzt wurde.
Schon im Jahr 1993 wechselte das Postfach der „Hammerskins Deutschland“ nach Schwetzingen bei Heidelberg. Dort wurde es von einem Aktivisten der kurzlebigen Neonazipartei «Aktionsfront Nationaler Kameraden» betreut. Um diesen war keine Hammerskin-Struktur erkennbar und 1994 lässt sich in einer Hammerskin-Zeitung der Hinweis finden, dass das Postfach in Schwetzingen veraltet sei. Doch es gab in Baden-Württemberg zweifelsohne organisierte Hammerskins. So berichtete das Antifaschistische Infoblatt 1998 über die Geschehnisse im Feldstetten in der Schwäbischen Alb, „[…]wo bis 1995 in einer Gaststätte beinahe wöchentlich Treffen von ‚Hammerskins‘ aus Deutschland, der Schweiz und dem österreichischen Vorarlberg stattfanden. Die TeilnehmerInnen verhielten sich auffallend diszipliniert und boten schließlich dem Pächter eine monatliche Zahlung von mehreren tausend Mark dafür, daß die Gaststätte ausschließlich ihnen vorbehalten bleibt. Erst nach einiger Zeit entschlossen sich die Behörden zum Eingreifen und erwirkten eine behördliche Schließung der Lokalität.“
Unstrittig ist auch, dass im Bundesland tatsächlich ein Chapter existierte. Im deutschen «Hammerskin Yearbook 1997» wird über eine Party „in the middle of a thick forest“ im Juli 1997 berichtet, die ein Chapter „Süd-Württemberg“ ausgerichtet habe und an der Hammerskins aus ganz Europa teilgenommen hätten. 1998 hieß es dann in einem internen Rundbrief der HSN, dass von der Bundesführung – die „Hammerskins Berlin“ – das „Chapter Württemberg“ aufgelöst worden sei. Grund für die Auflösung sei gewesen, dass die Personen den Pflichtveranstaltungen der HSN ferngeblieben waren. Bis 2011 sollte es kein Chapter «Württemberg» mehr geben. Die Hammerskins aus Baden-Württemberg kamen bis zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich bei den Chaptern «Westmark» und «Baden» unter.
Das Chapter «Baden»
Das Einzugsgebiet des Chapters «Baden» war vor allem der südliche Schwarzwald und der Bodenseeraum. 1999 hatten sich einige Interessenten bei der HSN vorgestellt und durften spätestens ab 2000 als Prospects auftreten. Im Mai 2001 fand dann, laut einem internen Rundbrief, die „erste offizielle HS-Party“ des Fullmember-Chapter «Baden» statt.
Über die «Hammerskins Baden» schrieb die Autonome Antifa Freiburg im Jahr 2013:
„Die Mitglieder des Chapter Baden befassen sich in erster Linie mit Naziskinhead-Subkultur, spielen in Nazibands und organisieren seit Jahren regelmäßig ‚Hammerskin‘-Konzerte. Das ‚Chapter Baden‘ richtet wie auch die anderen ‚Chapter‘ regelmäßig, zuletzt im August 2012, interne Treffen aus und war für die Organisation des ‚Hammerskin-Sommercamps‘ 2011 verantwortlich, das im Elsass stattfand.“
Drei Exponenten der Gründergeneration prägten das Chapter bis in die 2010er Jahre: Arnd Rademacher, Bastian Fiedler und Benjamin Fischer.
Arnd Rademacher (*1972) betrieb in den frühen 2000er Jahren in Waldshut-Tiengen an der Grenze zur Schweiz das Tattoostudio «Attack». Sein Studio war bereits im April 2002 Anlaufstelle für Hammerskins aus den USA, die mit ihren Bands «Extreme Hatred» und «Intimidation One» in Europa tourten. Einer der Gäste von Arnd Rademacher war Wade Michael Page, der mehr als zehn Jahre später, im August 2012, in Wisconsin (USA) sieben Menschen aus rassistischer Motivation ermordete. Im Jahr 2007 verlagerte Rademacher seine Aktivitäten in die Rhein-Neckar-Region und eröffnete in Frankenthal (bei Ludwigshafen) das Tattoostudio «Two Hands», das er bis heute betreibt. Dem Chapter «Baden» blieb er weiterhin verbunden, doch spätestens nach dessen Zerfall 2015 wechselte er ins Chapter «Westwall».
Bastian Fiedler (*1976), geborener Makowski, war in den 1990er Jahren als Neonazi weit über die badische Szene hinaus bekannt. Von Rickenbach aus, an der Grenze zur Schweiz gelegen, betrieb er den «HRS-Versand», der mehrfach in den Fokus von polizeilichen Ermittlungen geriet. Der Versand vertrieb hauptsächlich Fanzines – laut eigener Beschreibung „keinen Oi-Dreck“ – und hatte eine kleine Sparte mit Musik. Obwohl Makowski am südlichen Ende Deutschlands wohnte, nahm er ab Mitte der 1990er Jahre an Neonazitreffen im ganzen Land teil und baute weitreichende Kontakte auf. Zunächst war er in das Netzwerk von «Blood & Honour» eingebunden, mit dessen Auseinanderbrechen um das Jahr 2000 schloss er sich den Hammerskins an. Im Chapter «Baden» war er eine führende Person bis er 2013, nach zwölf Jahren Mitgliedschaft, in Folge des Outings der Autonomen Antifa Freiburg im „Good Standing“ austrat.
Die Autonome Antifa Freiburg schrieb 2013: „Auffällig ist, dass Fiedler wie auch andere Mitglieder des ‚Chapter Baden‘ auf großem Fuße lebt“ und verweist auf seine Neubauvilla in Bräunlingen (bei Villingen-Schwenningen). Fiedler war von 2015 bis 2019 Geschäftsführer der in Nürnberg ansässigen Firma „Nivona GmbH“, die auf den Vertrieb von Kaffeeautomaten spezialisiert ist. Heute ist er Mitgesellschafter dieser Firma, die knapp 50 Millionen Euro Jahresumsatz erzielt.
Auch Benjamin Oliver Fischer (*1979), genannt „Benny“, stammt aus der Deutsch-Schweizer Grenzregion. Schon im Jahr 2000 nahm er an einem EOM in Spanien teil, 2007 tauchte er auf einem Foto deutscher Hammerskins auf, das auf dem „Hammerfest“ in Mailand (Italien) entstand. Noch im Jahr 2011 war „Benny“ eine der Kontaktpersonen für das „Summercamp“ der HSN im Elsass. Danach gibt es jedoch keine Informationen mehr über ihn. Er wurde in der internen Kommunikation der HSN nicht als eine der Personen genannt, die die Bruderschaft nach dem Outing der Autonomen Antifa Freiburg 2013 verließen. Demnach ist davon auszugehen, dass Fischer auch nach 2013 weiterhin als Hammerskin aktiv war. Dass er im Rahmen von Hammerskin-Treffen des letzten Jahrzehnts kaum in Erscheinung getreten ist, könnte auch mit seiner beruflichen Karriere zusammenhängen. Schließlich war er laut eigener Darstellung im Internet von 2007 bis August 2020 Teamleiter im IT-Support einer Firma in Neuhausen am Rheinfall (Schweiz), während er spätestens seit 2007 in Möhlin in der Schweiz lebte. 2020 wechselte er die Firma und arbeitet seit dem als Projekt-Ingenier bei der BERFA AG in Wichingen (Schweiz). Heute lebt er wieder in Deutschland – in Tengen in unmittelbarer Nähe zur Schweiz, westlich des Bodensees.
Für den 6. Oktober 2012 hatten die «Hammerskins Baden» zu einem Konzert mit den Bands «Blitzkrieg», «Vargr Y Veum» und «Slapguns» eingeladen. Sie schickten die Teilnehmenden zu einem Schleusungspunkt nach Frankreich und von dort aus zurück nach Deutschland, wo das Konzert in einem Steinbruch in Lütschenbach (bei Müllheim, südlich von Freiburg) stattfand. Überraschend war es, als 2013 Daniel Heintz (*1979), damals wohnhaft bei Müllheim, von der Autonomen Antifa Freiburg als einer der Organisatoren des Konzerts und als Vollmitglied der «Hammerskins Baden» enttarnt wurde. Dazu schrieb die Autonome Antifa Freiburg:
„Der Veranstaltungsort […] wurde nach Angaben der Badischen Zeitung von einem ‚polizeilich bisher unauffälligen Mann aus dem Raum Müllheim‘ angemietet. Dabei dürfte es sich um den ‚Hammerskin‘ Daniel Heintz handeln […]. Heintz hält als mehrfacher Vater eine bürgerliche Fassade aufrecht, fällt aber seit 2008 immer wieder als Nazi auf. Bisher war bekannt, dass Heintz an der Universität Freiburg Neuere und Neueste Geschichte, Politik und Volkskunde studiert hat, Nazibücher veröffentlicht, Autor der Nazizeitung ‚Junge Freiheit‘ ist, der NPD bei Wahlkämpfen geholfen hat und Kontakte zum Schweizer ‚Hammerskin‘ Adrian Segessenmann pflegt. Bisher nicht bekannt ist jedoch, dass Daniel Heintz Vollmitglied im ‚Chapter Baden‘ der ‚Hammerskins‘ ist.“
Zudem war Heintz ebenfalls Kontaktperson für das „Summercamp“ der HSN 2011, das schließlich vom Chapter «Baden» maßgeblich organisiert wurde.
Bemerkenswert ist ein Auftritt von Heintz als Referent zum Thema „Tier-und Umweltschutz ist Heimatschutz“ im Altenburger Land (Thüringen) am 6. Februar 2009, den das dort aktive «Freie Netz» (FN) organisiert hatte. Hinter dem FN standen vor allem Thomas Gerlach und Maik Scheffler vom Chapter «Sachsen». Seine Szene-„Reputation“ zum Thema Tierschutz erlangte Heintz durch das Buch „Tierschutz im Dritten Reich“, das er 2008 veröffentlicht hatte.
Nach vorliegenden Information blieb Heintz den Hammerskins nach dem Outing im Jahr 2013 als Mitglied erhalten. Er wohnt heute in Rhodt unter Rietburg in der pfälzischen Gemeinde Edenkoben. Dort ist er weiterhin als Historiker tätig. Im Amtsblatt der Gemeinde Edenkoben Nr. 7 im Jahr 2021 verkündet der Rhodter Ortsbürgermeister: „Liebe Rhodter Bürgerinnen und Rhodter Bürger, in der letzten Gemeinderatssitzung haben wir zwei Personen zu unseren Dorfhistorikern gewählt: Günter Baumann und Daniel Heintz.“
Hotspot Brigachtal
Seit Jahren treffen sich Hammerskins in Brigachtal, einer 5.000 Einwohner*innen zählenden Nachbargemeinde von Villingen-Schwenningen. Dort bestand die neonazistische «Kameradschaft Brigachtal», der in den frühen 2000er Jahren auch die (späteren) Hammerskins David Berger und Sebastian Bucher angehört haben sollen.
Sebastian Bucher (*1983), war der Sänger der Band «White Voice», die bis 2008 aktiv war. Im Booklet ihrer CD „Laut gedacht“ von 2008 findet sich ein Foto von ihm im Shirt „HSN Baden Prospect“. Er verließ die Hammerskins nach fünf Jahren Mitgliedschaft im Jahr 2013 in Folge des Outings durch die Autonome Antifa Freiburg.
David Berger (*1979), genannt „Hobbit“, zählte 2007 – wie auch Sebastian Bucher – zu einer Delegation der «Hammerskins Baden», die zu einem EOM mit anschließender Jahresfeier der «Hammerskins Westmark» nach Kirchheim an der Weinstraße (Pfalz) reiste. 2009 trat Berger bei den Kreistagswahlen für die Neonazipartei «Deutsche Liga für Volk und Heimat» in Villingen-Schwenningen und Furtwangen an. Die Autonome Antifa Freiburg benennt ihn in ihrer Veröffentlichung 2013 als eine Führungsperson des Chapter «Baden». Von Beruf ist David Berger Konstrukteur und wohnt in Villingen-Schwenningen. Zuletzt nahm er an einem NOM im Februar 2019 im bayrischen Lohr teil.
Auch war Brigachtal ein Schwerpunkt von Hammerskin-Konzerten. Die Badische Zeitung berichtet im Jahr 2009 in Berufung auf Informationen des Inlandsgeheimdienstes, dass das «Cafe 22» in Brigachtal-Klengen ein „beliebter Treffpunkt der rechtsextremistischen Skinheadszene im Raum Villingen-Schwenningen“ sei. In Brigachtal-Klengen lassen sich von 2001 bis 2008 jährlich ein bis drei Neonazikonzerte nachvollziehen, die zum Teil deutlich die Handschrift der Hammerskins tragen. Auch soll ein „Sommer-Zeltlager“ der «Hammerskins Baden» auf einem Gelände in der Gemeinde Brigachtal stattgefunden haben.
Bands der «Hammerskins Baden»
Die Band «White Voice» wurde im Jahr 2000 gegründet und stellte 2008 ihre Aktivitäten ein. Neben Sebastian Bucher spielte dort auch sein Bruder Stefan Bucher mit. «White Voice» veröffentlichte vier Tonträger, von denen erst die letzte CD „Laut gedacht“ von 2008 eine deutliche Nähe zu den Hammerskins aufwies. Sie wurde von «Gjallarhorn Klangschmiede», dem Label des Europa-Chefs der Hammerskins Malte Redeker, produziert. Im Booklet findet sich neben dem Bild von Sebastian Bucher in Prospect-Kleidung auch das Symbol der «Crew 38». Dass auch andere Bandmitglieder den Hammerskins als Mitglieder oder Prospects angehörten, lässt sich nicht feststellen. Als Nachfolgeprojekt von «White Voice» gilt die Band «The Slapguns», bei der sich Stefan und Sebastian Bucher mit Cowboyhüten im „Western Style“ präsentierten und ihre Musik als „German Psychobilly“ bezeichneten. Auf ihrer einzigen CD „Kulturschock!“, die 2012 bei «Gjallarhorn Klangschmiede» erschien, schrieben sie: „Wir spielen alternativen, politischen und kritischen Psychobilly. Unsere Musik ist Widerstand gegen das globale System der Geldwirtschaft, der sozialen Ungerechtigkeit und gegen die politischen Marionetten der BRD“. «The Slapguns» veröffentlichten 2010 einen Song auf dem Sampler „Support the Nation“ der «Hammerskins Franken» und spielten für den 2011 von «Gjallarhorn Klangschmiede» produzierten Sampler „In Anerkennung – Patriae Inserviendo Consumer“ zwei bisher unveröffentlichte Lieder ein. Im Jahr 2011 traten sie in Mailand auf dem „European Hammerfest“ auf. Jedoch war die Resonanz der Szene auf die Band nicht wie erhofft, was wohl vor allem daran lag, dass viele mit dem Psychobilly-Sound wenig anzufangen wussten. Seit 2013 ist die Band inaktiv. Stefan Bucher blieb der Psychobilly-Musik verbunden und spielt heute in der unpolitischen Band «The Bang Gang Boppers».
Das „neue“ Chapter «Württemberg»
Im Juli 2009 bildeten bereits um die sieben Neonazis ein Prospect-Chapter «Württemberg». Als vom 9. August bis 4. September 2011 im Elsass (Frankreich) das „Summercamp“ der HSN stattfand, wurden die meisten dieser Personen zu Fullmembern gepatcht und das bis heute aktive Chapter «Württemberg» entstand. Bei dreien von ihnen lässt sich eine Geschichte in der NPD-Jugendorganisation «Junge Nationaldemokraten» (JN), heute «Junge Nationalisten», nachvollziehen.
Michael Rettig (*1982), genannt „Rettsch“, war „Stützpunktleiter“ der JN in Stuttgart und hatte sich schon einige Jahre im Umfeld der Hammerskins bewegt, bevor er 2009 Prospect wurde. Im Juli 2011 wurde im internen Hammerskin-Forum mitgeteilt, dass Rettig seine PotN-Patches abgeben müsse, jedoch im „Good Standing“ ausscheide und auf Veranstaltungen der HSN als Gast weiterhin gern gesehen sei.
Tobias Vogel (*1983) aus Oberndorf am Neckar (Landkreis Rottweil) war nicht nur ein Aktivist der JN, sondern auch eine treibende Kraft der sogenannten „Autonomen Nationalisten“ in der Region südlich von Stuttgart. Im Juni 2013 wurde über den Newsletter der HSN mitgeteilt, dass Vogel seinen Fullmember-Patch aufgrund des Outings der Autonomen Antifa Freiburg im Mai 2013 abgegeben habe. Er wäre nur zwei Jahre „Patchholder“ gewesen, hieß es im Newsletter.
Als Führungsperson des Chapters trat von Anfang an der Industriekaufmann Frank Schönleber (*1983), genannt „Hamti“, heute wohnhaft in Lorch im Ostalbkreis, in Erscheinung. Er war zuvor „Stützpunktleiter“ der «Jungen Nationaldemokraten Rems-Murr / Ostalb». Schönleber war in seinen Anfangsjahren für die Erstellung des monatlichen Newsletter der «Hammerskins Württemberg» verantwortlich und war sowohl 2011 als auch 2014 Gastgeber des US-amerikanischen Hammerskins Peter Mitchell Gaughenbaugh, als dieser auf Europa-Reise war.
Zuletzt nahm Schönleber am „Hammerfest“ in Frankreich im November 2019 teil.
Im Juli 2009 wurde zudem Karl Tobias Kloker (*1985) aus dem Brigachtal zum Prospect. 2011 bekam er seinen Fullmember-Patch. Ob er am Anfang seiner Mitgliedschaft dem Chapter «Baden» oder dem Chapter «Württemberg» angehörte, ist unklar. Als er jedoch zum „Joe Rowan Memorial“-Konzert nach Kirchheim im Oktober 2019 anreiste, prangte das Patch der «Hammerskins Württemberg» auf der linken Ärmelseite seiner Kluft – als Ausdruck der Chapter-Zugehörigkeit -, und der Patch des Chapter «Baden» auf der rechten Ärmelseite – als Ausdruck seiner Verbundenheit. Karl Tobias Kloker weist Bezüge zur Firma „Erdbau Karl Kloker“ auf, die seinem Vater gehören dürfte und ein größeres Firmengelände in Brigachtal besitzt. Offensichtlich kann Karl Tobias Kloker auf die Infrastruktur der Firma zurückgreifen. Für seine Reise zum NOM im Februar 2019 ins bayrische Lohr nutzte er einen Geländewagen der Firma.
Von der Gründungs-Besetzung des Chapter «Württemberg» 2009 schieden 2011 neben Rettig noch zwei weitere Personen aus. Joshua Merz, genannt „Joshi“, aus Esslingen gab sein PotN-Patch ab, da er – laut Schönleber in einem Newsletter – an einer Krankheit leide und viel Zeit zur Genesung brauche. Auch Merz erhielt ein „Good Standing“.
Während Merz bis dato kaum im Fokus gestanden hatte, war dagegen Björn Andrejka (*1984) aus Schwäbisch Gmünd – einer der sieben Prospects von 2009 – eine bekannte Person in der Szene. Er hatte in den Bands «Act of Violence» (AoV) und «Race War» gespielt. AoV war eine der umtriebigsten Neonazibands Süddeutschlands und «Race War» eine der angesagtesten „Untergrundbands“ der Szene. Die erste CD von «Race War» aus dem Jahr 2001 enthielt ein Hakenkreuz auf dem Cover und Vernichtungsfantasien in den Texten. CDs der Band werden bis heute auf klandestinen Wegen vertrieben. Die Musiker gaben sich nicht zu erkennen und traten auf ihren Konzerten stets vermummt auf. 2003 gab es im Verlauf eines Ermittlungsverfahrens Razzien bei den Bandmitgliedern. Die Überraschung war groß, als zum Prozess gegen die Bandmitglieder im Jahr 2006 vor dem Stuttgarter Landgericht Björn Andrejka als Gitarrist bekannt wurde. Ein bieder wirkender Versicherungskaufmann ohne jeglichen Szene-Style, dessen Gesicht nur von wenigen Aufmärschen bekannt war. Er erhielt im Prozess gegen «Race War» eine Bewährungsstrafe. Andrejka wurde kein Vollmitglied der HSN. Im November 2011 gab er sein PotN-Patch ab und schied im „Good Standing“ aus. Schönleber schrieb, er sei trotz „kleinerer Fehler“ immer ein „guter Bruder“ gewesen.
Somit waren vom Chapter «Württemberg» im Jahr 2013 bereits vier Mitglieder und Prospects ausgeschieden, die sich ab 2009 in der Struktur organisiert hatten. Neben Schönleber und Kloker verblieb nur noch einer:
Denny Krämer (*1984), genannt „Zwerg“, wohnhaft in Möglingen bei Ludwigsburg. Er meidet in der Regel öffentliche Auftritte. Als er am RechtsRock-Konzert „Rock gegen Links“ im Oktober 2017 in Themar teilnahm und sich dort in der Gruppe um die «Westwall Hammerskins» einfand, war er darauf bedacht, nicht fotografiert zu werden. Als Beruf nennt Krämer auf seinem Xing-Profil: „Projektkoordinator Fahrzeugentwicklung, EDAG Engineering GmbH, Heimerdingen, Deutschland“.
Die Ludwigsburger Szene um Tilo Eckardt
Denny Krämer war nicht von Aufmärschen oder aus der NPD bekannt und wurde von Antifaschist*innen erstmals als Neonazi wahrgenommen, als er bereits Vollmitglied der HSN war. Die Frage, wie er Anschluss an die Hammerskins gefunden hatte, beantwortet sich möglicherweise dadurch, dass er bis Anfang 2021 im Ludwigsburger Stadtteil Poppenweiler wohnte, keine fünf Fußminuten von der Kneipe «Zur Krone» entfernt, ein um das Jahr 2010 bekannter Treffpunkt der Neonaziszene. Dort ging eine rechte Poppenweiler Jugendclique ein und aus und es trafen sich auch Mitglieder der rechten Rockergruppe «Streetfighters Süd». Und um die Ecke, gerade 50 Meter von der Kneipe entfernt, wohnt seit vielen Jahren ein Stammgast der Kneipe:
Der Hammerskin Tilo Eckardt (*1977). Er nahm schon im November 2004 an der Jahresfeier der «Hammerskins Berlin» teil und war zu dieser Zeit bei der Polizei als Anführer einer neonazistischen «Kameradschaft Stuttgart» erfasst. Seit mindestens 2007 ist Eckardt Fullmember, damals noch als Mitglied des Chapter «Westmark».
Aus der Szene der Gaststätte «Zur Krone» stieß in den 2000er Jahren Rainer Schulz zum Kreis der Hammerskins. Schulz kam aus den Reihen der «Streetfighters Süd», denen er heute noch angehört. Seine Verbundenheit mit der Gaststätte zeigte er 2010 im Namen „Division_KRONE“, den er sich im neonazistischen „Thiazi“-Forum gab. Schulz trat als «Crew 38 Ludwigsburg» auf. Die Autonome Antifa Freiburg outete ihn im Jahr 2010 und zitierte aus seiner Kommunikation mit einem anderen Neonazi, in der er schrieb:
„Auf Demos kann ich nicht gehen… ich arbeite beim Staat, die anderen gehen öfters.“ Die Autonome Antifa Freiburg ergänzte dazu: „Sein Wunsch nach Anonymität ist auch der Grund für seine Beschwerde auf thiazi.net, dass beim ‚Hammerfest‘ am 20.06.2009 im lothringischen Meurthe-et-Moselle fotografiert wurde, als er neben der Bühne stand.“
Schulz arbeitete zu dieser Zeit als technischer Angestellter beim Regierungspräsidium Stuttgart. Seit dem Outing von Rainer Schulz Anfang der 2010er Jahre ist die «Crew 38 Ludwigsburg» nicht mehr in Erscheinung getreten.
Nachdem sich 2013 das Chapter «Westmark» (schein)auflöste, wechselte Eckardt zum Chapter «Württemberg». Zuletzt nahm er an einem EOM im Mai 2019 in Mailand (Italien) teil, wo er u.a. mit Schönleber für ein Gruppenbild posierte. Eckardt betreibt das Unternehmen „Tilo Eckardt Holz-und Bautenschutz“ mit Sitz an seiner Wohnadresse in Ludwigsburg. Sein Firmenwagen trägt die Zahlenkombination „838“ (für „Hail Crossed Hammers“) im Kennzeichen, auf der Motorhaube befindet sich das Symbol der «Hammerskin Nation», das er in seinem Arbeitsalltag allerdings mit Stoff verdeckt. Das Auto stand auch im Juli 2017 im bayrischen Geiselhöring, als dort ein NOM ausgetragen wurde – das Symbol der „Nation“ auf der Motorhaube präsentierte er dort offen.
Neuzugänge und Aktivitäten ab 2011
Die Abgänge zwischen 2011 und 2013 wurden dadurch kompensiert, dass neben Eckardt noch mindestens zwei weitere Neuzugänge aus Baden-Württemberg hinzu kamen.
Mit Sebastian Schober (*1991) aus Hochdorf bei Esslingen schloss sich 2012 ein trotz seines jungen Alters schon überregional bekannter Neonazi den Hammerskins an. Schober war zu dieser Zeit regional und überregional auf vielen Aufmärschen anwesend, in der Regel im Stil der „Autonomen Nationalisten“ gekleidet und mit einem Fotoapparat ausgestattet, mit dem er protestierende Antifaschist*innen ablichtete. In der Nacht vom 9. auf den 10. April 2011 war Schober an dem rassistischen Angriff in Winterbach im Rems-Murr-Kreis beteiligt. (siehe Kapitel „Terror & Gewalt“) Die Angriffe hatten damit begonnen, dass Neonazis versuchten, Personen einer Gruppe mit dem Auto zu überfahren. In diesem Auto saß auch Schober, der den Fahrer zu der Tat ermutigte und später andere Neonazis angerufen hatte, damit sie hinzu kämen und „den Kanacken aufs Maul geben“.
2012 war Schober Hangaround bei den «Hammerskins Württemberg», im Januar 2013 Prospect und im Mai 2014 findet sich in der Kommunikation der Hammerskins die Nachricht, dass er zum Fullmember gepatcht wurde. Obwohl er sich voll und ganz seiner Bruderschaft widmete, war er weiterhin auf Aufmärschen präsent, doch es lässt sich keine Gruppe feststellen, mit der er dort unterwegs war. Am 12. Oktober 2013 führten die „Autonomen Nationalisten“ einen Aufmarsch in Göppingen durch. Schober hielt eine Rede, in der er die Anwesenden aufforderte, in die Vereine zu gehen, diese zu unterwandern, um in die Gesellschaft zu wirken. Dies tut Schober seit Jahren selbst. Er ist ein Sportfanatiker und gehört unter anderem der Triathlon-Mannschaft „Nonplusultra Esslingen“ an, mit der er an Wettkämpfen teilnimmt. Seine Profile in den sozialen Netzwerken sind ganz auf seine Sportaktivitäten ausgerichtet, eine Interaktion mit seinen „Brüdern“ findet dort so gut wie nicht statt. Seit 2015 arbeitet Sebastian Schober als Gesundheits- und Krankenpfleger im Klinikum Ludwigsburg.
Kai Benjamin Larsen (*1987), genannt „Benny“, aus Alfdorf (bei Schwäbisch Gmünd), war in den 2000er Jahren Mitglied der JN in Stuttgart unter ihrem damaligen Stützpunktleiter Michael Rettig und trat schon 2009 als «Crew 38» auf. Auf mehreren Aufmärschen zwischen 2007 und 2010 wurde er als Fotograf der „Anti-Antifa“ festgestellt. Im Jahr 2012 war er Prospect und im Juni 2013 wurde er Fullmember bei den «Hammerskins Württemberg». Er nahm in den vergangen Jahren an etlichen Treffen und Events der Bruderschaft teil. Etwa am „Wintercamp“ der «Hammerskins Bayern» im März 2017 und im Oktober 2019 am „Joe Rowan Memorial“-Konzert in Kirchheim in Thüringen. Auf einem Mobilisierungs-Aufkleber für den von der Partei «Die Rechte» durchgeführten „Tag der deutschen Zukunft“ am 1. Juni 2016 in Wolfsburg ist Larsen als V.i.S.d.P. benannt. Larsen ist beruflich offenbar im IT-Bereich tätig. Im Internet finden sich Einträge, die auf ihn als zertifizierten Marketingassistent in dieser Branche hinweisen.
Kevin Schäfer (*1989) aus Altenriet bei Reutlingen wurde im Januar 2013 der HSN als neuer Hangaround des Chapter «Württemberg» vorgestellt. Im Februar 2013 reiste er zur Geburtstagsfeier eines Hammerskins nach Bochum, in dessen Rahmen etliche Fotos entstanden. Eines zeigt die Prospects der Chapter «Westmark» und «Württemberg» in Pose, wie auch Schäfer, der jedoch selbst (noch) kein PotN-Patch trägt. Schäfer war zudem Mitglied der RechtsRock-Band «Barbarossa» und spielte mit dieser mehrfach auf Konzerten der HSN. Das letzte bekannte Konzert der Band fand im November 2017 in Welver bei Hamm statt. Anfang 2013 gründete Schäfer seine eigene Firma „KS Fenster und Türentechnik“ in Aichtal, unweit von Altenriet. „Neuer Spiegel fürs Gym!“ betitelt Schäfer ein Bild auf dem Instagram-Profil seiner Firma im Februar 2021. Es zeigt einen riesigen Spiegel, auf dem das Logo seiner Firma zu sehen ist. Angebracht ist er im Kampfsport-Gym des „Team Röhl“ in Nürtingen. Offenbar ist Schäfer mit „KS Fenster und Türentechnik“ Sponsor des Gyms.
Das Chapter «Württemberg» tritt als solches heute nicht öffentlich in Erscheinung. Doch wenn man sich im internen und geschützten Rahmen glaubt, wird sich in Bomberjacken mit den Patches präsentiert, wie zum Beispiel beim „Joe Rowan Memorial“-Konzert am 19. Oktober 2019, zu dem Kloker, Schober und Larsen anreisten.
Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang der Auftritt einer Gruppe von sechs Hammerskins, darunter Larsen, Schönleber und Mitglieder des Chapter «Westmark», zum Prozessauftakt des zweiten Winterbach-Prozesses am 29. August 2012. In dem Prozess um die rassistische Hetzjagd im Jahr 2011, standen auch Personen vor Gericht, die den Hammerskins bzw. der «Crew 38» angehörten: Patrick Mörsdorf aus dem Saarland und Christian Haas aus Marbach am Neckar bei Ludwigsburg. Letzterer ist unter dem Spitznamen „Haufen“ bekannt und gehörte zum Zeitpunkt des Prozesses schon länger der «Crew 38» an. „Nachdem er sich ein paar Fehler geleistet hatte, hat er erkannt, dass er unsere Erwartungen an einen zukünftigen Bruder nicht erfüllen kann“, teilte Frank Schönleber der HSN in einem internen Rundbrief im September 2012 mit. Haas war kurze Zeit vorher zum Hangaround befördert worden, sollte den Sprung zum Prospect jedoch nicht schaffen. Die Teilnahme der Hammerskins am ersten Prozesstag in Stuttgart wurde nicht nur als Akt der Unterstützung für die Angeklagten verstanden, sondern diente offensichtlich der Einschüchterung der Betroffenen sowie aussagewilligen Neonazis, die im Verlauf der Prozesses ihre Aussagen prompt abschwächten.
In den letzten Jahren ist zu erkennen, dass sich (wieder) zunehmend rechte Gruppen den Hammerskins annähern. So zum Beispiel eine neonazistische Skinheadclique im Raum Rottenburg und Zollernalbkreis um den Neonazi Tobias Hess, der als Supporter der Hammerskins auftritt oder Personen der Neonaziszene im Raum Sinsheim und dem Odenwald um die Band «Germanium».
Musikbands und andere Projekte im Umfeld der «Hammerskins Württemberg»
Weitreichende Einflüsse der Hammerskins sind vor allem im RechtsRock-Geschehen wahrzunehmen. Einerseits scheint in den vergangenen Jahren die Anzahl der Konzerte in Baden-Württemberg gesunken, die eindeutig den Hammerskins zugeordnet werden können, was auch mit der Krise des Chapter «Baden» zu tun haben dürfte. Andererseits finden nach wie vor kleine Konzerte statt, über die in der Szene kaum berichtet wird, wo man anhand der Örtlichkeit und der angekündigten Band allenfalls vermuten kann, dass dort Hammerskins die Hände im Spiel haben.
In den vergangenen Jahren kamen zu Liederabenden der «Freien Nationalisten Kraichgau» kaum mehr als 50 Personen, als etwa die Liedermacher Mirko Fritze aka «Barny» und Steven Arndt aka «Hermunduren» aus Thüringen auftraten. So weite Wege für vergleichsweise kleine Events erklären sich dadurch, dass die beiden Liedermacher Supporter der Hammerskins sind und der Anführer der «Freien Nationalisten Kraichgau» – Johannes Bachmann – sich als Mitglied der «Crew 38» profiliert. Es liegt auf der Hand, dass hier ein Unterstützer der Hammerskins den Musikern aus „seinem“ Netzwerk die Bühne bereitet, was den Liederabend jedoch nicht zur „Hammerskin-Veranstaltung“ macht. Ebenso muss davon ausgegangen werden, dass bei Auftritten von «Flak» und «Flatlander» im Rahmen von Veranstaltungen der Partei «Die Rechte» in den Jahren 2018 und 2019 im Raum Karlsruhe, Personen aus dem Netzwerk der Hammerskins bei der Bandauswahl mitbestimmten. Denn Philipp Neumann als «Flak» und Harm-Jan Smit als «Flatlander» gehören der HSN an, d.h. den Chaptern «Rheinland» und den «Hammerskins Nederland».
Die Bands aus Baden-Württemberg, die in den 2010er Jahren als Hammerskin-Bands zu benennen sind, waren «The Slapguns» und «Barbarossa». Letztere war von 2015 bis 2017 aktiv und spielte zu dieser Zeit nur wenige Konzerte. Die allerdings können nahezu alle den Hammerskins zugeordnet werden: das „White X-Mas“-Konzert am 12. Dezember 2015 in Kirchheim in Thüringen, das „Joe Rowan Memorial“-Konzert am 8. Oktober 2016 ebenfalls in Kirchheim oder das „Verteidige Europa“-Konzert am 18. November 2017 in Welver bei Hamm (Nordrhein-Westfalen). Auch ihre Beteiligung am Sampler „Hessen Skins“, der 2017 von Daniel Orlewicz von den «Hammerskins Franken» produziert wurde, spricht eine eindeutige Sprache. Die einzige Veröffentlichung von «Barbarossa», die CD „F.D.G.K.“ („Für Deutschland, Gegen Kanaken“) von 2016, erschien indes auf «OPOS Records» aus Brandenburg, das kein Hammerskin-Label ist.
Musiker bei «Barbarossa» waren neben Kevin Schäfer vom Chapter «Württemberg» auch Sebastian Kreuzberger aus Leonberg, dessen Hauptband «Devils Project» aus dem Raum Stuttgart ist sowie Martina Trick aus Rosenfeld bei Balingen (75 Kilometer südwestlich von Stuttgart). Trick erreichte in den 2000er Jahren als Gitarristin der Band «Propaganda» hohe Bekanntheit in der Szene. «Propaganda» wurde 1997 gegründet und zählte in den 2000er Jahren zu den angesagtesten Bands in der deutschen Neonaziszene. Aus dem Kreis der Band und der Szene in Balingen stammt auch das Video-Format „Weisse Nation“, in dem vor allem Bands aus den Hammerskin-Strukturen interviewt werden. Die «Propaganda»-Bandmitglieder Timo Koch und Sascha Wachsmann wurden noch Anfang der 2010er Jahre als Teilnehmer verschiedener Hammerskin-Treffen festgestellt. Wachsmann soll laut einer Aussage eines V-Manns an einem NOM im Mai 2011 in Werlaburgdorf teilgenommen haben. Koch reiste wiederum im Januar 2013 zur 10-Jahresfeier des Chapter «Westmark» nach Fürth-Erlenbach. Diese Teilnahmen sind jedoch kein Beleg für eine Mitgliedschaft in der HSN, denn auch Personen aus dem engsten Umfeld können bei den Treffen etwa in die Logistik eingebunden werden. Aktuell tritt Martina Trick unter dem Namen „Martina Trick(VfVe)“ auf Facebook auf. „VfVe“ spielt auf die «Propaganda»-Veröffentlichung „Viel Feind Viel Ehr“ aus dem Jahr 2008 an. Zwischen offen rechten Kommentaren und Werbung für die CD „F.D.G.K.“ von «Barbarossa» findet sich auf ihrer Facebook-Seite die Einladung für einen „Schnupperkurs für Familien“ der Kampfsportschule „Triple-F Gym“ in Geislingen bei Balingen, wo Trick seit vielen Jahren Kampfsport betreibt.
«Kommando 192» aus dem Raum Stuttgart/Pforzheim ist seit 2013 eine der aktivsten neonazistischen Livebands im Bundesland. Seit 2014 zählten sie zum Line-up mehrerer Konzerte, die von den «Hammerskins Franken» in Kirchheim (Thüringen) veranstaltet werden: Am 4. Oktober 2014 auf dem Konzert „Ein Sturm zieht auf“, am 9. Mai 2015 auf dem Konzert „Support the Nation“ / „Skinheads are back in Town“, am 12. Dezember 2015 und 17. Dezember 2016 auf den „White X-Mas“-Konzerten. Und sie spielten am 29. August 2015 in Roden-Ansbach (Spessart) vor 70 Gästen auf einer als privat deklarierten Feier eines Mitglieds der HSN sowie am 9. Juli 2016 auf dem „Summer Bash“ der «Westwall Hammerskins». Auch zum Hammerskin-Sampler „Hessen Skins“ von 2017 trug «Kommando 192» zwei Lieder bei. Der Sänger, Marc Vollmer aus Birkenfeld bei Pforzheim, veröffentlichte auf seinem Facebook-Profil auch ein Bild, das ihn in einem Shirt mit der Aufschrift „Support The Nation – 38“ zeigt.
Am Beispiel der Band «Kommando 192» lässt sich ein – sicher nicht untypisches – Netzwerk von Bands, Unternehmen und Gruppen zeichnen, in dem die Hammerskins ihre Rolle spielen. Vollmer ist ein Aktivist der Neonazigruppe «Heidnischer Sturm Pforzheim». Gitarrist der Band ist Thorsten Glass aus Stuttgart, der eine führende Person der Gruppe «Stallhaus Germania» (SG) war. Die im Jahr 2000 gegründete SG wurde überregional bekannt, weil sie im Raum Mühlacker über ein Clubhaus und andere Räume verfügte, die jahrelang für Partys und Konzerte genutzt wurden. Vor einigen Jahren gründete Glass das Unternehmen «RACoon Records». Dazu zählt ein Tonstudio, in dem «Kommando 192» im Jahr 2015 ihre bisher einzige CD einspielte. In der Hauptsache jedoch vermietet die Firma professionelles Konzert-Equipment, das – so beschreibt es das Antifaschistische Infoblatt im Jahr 2017 – „Teil der Infrastruktur expliziter ,Hammerskin‘-Veranstaltungen“ ist.
Zwischenzeitlich aufgelöst, heute wieder rege aktiv: Die «Hammerskins Brandenburg»
Über die Entstehungsgeschichte der Hammerskins in Brandenburg in den 1990er Jahren ist nur wenig bekannt. Den Anfang machte eine Neonazigruppe aus Brandenburg an der Havel, die ein Chapter bildete und für ihr gewalttätiges Auftreten bekannt waren. Im Jahr 1995 brachten ihre Protagonisten in Jüterborg einen Menschen um. Nach internen Streitigkeiten wurde das Chapter Ende der 1990er Jahre aufgelöst.
Erst ab 2012 fanden sich im westlichen Brandenburg erneut Neonazis zusammen, mit dem Ziel ein eigenständiges Chapter aufzubauen. 2017 erlangte dieses den Fullmember-Status, die «Hammerskins Brandenburg» entstanden neu. Das Chapter hat heute lediglich eine Handvoll Mitglieder, die rege am bundesweiten und internationalen Geschehen der Bruderschaft teilnehmen. Im Bundesland sind nur wenige Aktivitäten der Gruppe wahrzunehmen.
Doch das Netzwerk und der Einflussbereich der Hammerskins in Brandenburg ist weitaus größer als es die geringe Zahl von Mitgliedern vermuten lässt. So weisen die «Märkischen Skinheads 88», die als Veranstalter von Konzerten in Erscheinung treten, direkte Nähe zu den Hammerskins auf. Von großer Bedeutung ist zudem ein RechtsRock-Netzwerk im Süden Brandenburgs um die Bands «Frontalkraft», «Confident of Victory» und das eng mit den Hammerskins verbundene Cottbuser Label «Rebel Records».
Hammerskins in Brandenburg in den 1990er Jahren
Die Geschichte der Hammerskins in Brandenburg in den 1990er Jahren lässt sich heute nur mühsam und bruchstückhaft rekonstruieren. Neben dem Wissen aus der antifaschistischen Recherche geben Fanzines aus dieser Zeit Auskunft sowie Gerichtsprozesse oder die NSU-Untersuchungsausschüsse, in denen auch das Geschehen in der militanten Neonaziszene in Brandenburg in den 1990er Jahren Thema war.
Eine Erzählung lautet so: 1992, im selben Jahr als in Berlin das deutsche „Motherchapter“ der Hammerskins entstand, beschloss eine Gruppe von einem Dutzend Naziskins, allesamt Schläger der Hooliganszene des Fußballclub Stahl Brandenburg, von nun an Hammerskins zu sein. Ihr Anführer war Patrick Cuhrts (*1974) aus Brandenburg an der Havel, der schon der 1992 verbotenen neonazistischen Organisation «Nationalistische Front» angehört hatte und in seiner Heimatstadt als Neonazi-Kader galt. Schon in der Anfangszeit seines Chapters fielen er und weitere Neonazis durch ihre Gewalttaten auf. Etwa am 20. November 1992, als es auf das von Cuhrts Clique genutzte Jugendzentrum «Am Wiesenberg» zu einem Angriff seitens Antifaschist*innen kam und Cuhrts‘ Gruppe im Anschluss durch die Stadt zog, auf der Suche nach alternativen, linken Jugendlichen. Gemeinsam mit Alexander M. und Michael B. fand er ein Opfer, dem Cuhrts im Laufe einer Schlägerei ein Messer in den Rücken rammte. Er wurde darauf hin in U-Haft gesteckt, wo er sich nach nur wenigen Tagen den Strafverfolgungsbehörden anbiederte. Das Antifaschistische Infoblatt schrieb dazu in ihrer 59. Ausgabe:
„Nachdem Curths (Ketzin) gerade einmal vier Tage mit dem Vorwurf des ‚versuchten Totschlags‘ in Untersuchungshaft in der JVA Luckau eingesessen hatte, wandte er sich am 24. Dezember 1992 mit einem Brief an die Strafverfolgungsbehörden, in dem er anbot, ihnen Informationen über Wehrsportgruppen (WSG) im Umland von Brandenburg zu geben. Auch könne er ‚inoffziell Treffs und nächtliche Randale rechtzeitig der Polizei melden‘ Im postscriptum schreibt Curths: ‚Angebot an Polizei und Verfassungsschutz bitte vertraulich behandeln‘. Am 16. Februar 1993 traf er sich dann mit einem Staatsanwalt sowie Beamten des Potsdamer Staatsschutzes und des BKA, um die Namen jener ‚Kameraden‘ zu nennen, die zur Bildung von Wehrsportgruppen an ihn herangetreten waren – darunter seinen Mittäter Alexander M.. Von großem Interesse waren auch Curths Angaben zur ‚Kameradschaft Kremmen‘ und ‚Kamerad‘ Jens Og, gegen den wegen ‚Bildung einer kriminellen Vereinigung‘ ermittelt wurde.“ (Anm. d. Verf.: in früheren antifaschistischen Publikationen wird Cuhrts fälschlicherweise Curths geschrieben)
In Haft bekam Patrick Cuhrts vor allem Unterstützung durch seine ebenfalls extrem rechten Eltern.. Vater Fritz Cuhrts kandierte im Dezember 1993 für die neonazistische Partei «Deutsche Liga» für die Kommunalwahlen und saß von 1993 bis 1996 im Vorstand der «Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene» (HNG), mit der er seinen Sohn kräftig unterstützte. In der JVA Luckau war Cuhrts von zahlreichen Neonazis umgeben. Um die 30 „Skinheads“ sollen es laut eigenen Angaben gewesen sein, mit denen er im März 1993 einen Gefängnisaufstand initiierte, um zu zeigen, dass sie „das kämpfen nicht verlernt haben“, wie es in einem Bericht dazu hieß. Im Prozess im September 1993 wegen des Messerangriffs kam Cuhrts mit einer Bewährungsstrafe davon. Erneut, denn er erhielt bereits im April 1991 wegen eines Angriffs auf einen vietnamesischen Vertragsarbeiter Bewährung. Nach seiner Haft fiel er und seine Clique erneut durch Gewalttaten auf, etwa durch einen Überfall auf Besucher*innen eines Hardcore-Konzertes in Ketzin im Mai 1994. Im Dezember 1994 war Cuhrts Organisator eines RechtsRock-Konzertes in einem Jugendclub in Nauen, bei dem u.a. «Thorshammer» spielte, aus der sich 1997 die Hammerskin-nahe Berliner Band «Legion of Thor» formierte.
Die Hammerskin-Gruppe um Cuhrts war in dieser Zeit reisefreudig und besuchte auch außerhalb Deutschlands Feiern der Bruderschaft. So wird in einem Fanzine deren Teilnahme an einem Sommerfest der «Schweizer Hammerskins» im Juli 1994 in der Nähe von Luzern beschrieben. Die Einladungen für derartige Feste wurden damals über Postfachadressen versendet. Das Postfach der Brandenburger lief über die Neonazipartei «Die Nationalen e.V.». Über dieses lud das Chapter «Brandenburg» um 1994 zu einem „1. Deutschen Hammer-Skin Treffen“. Auch ihre Zeitschrift «Hammerskin» konnte über diesen Kontakt geordert werden.
Ohne dieses Fanzine hätten die «Hammerskins Berlin» vermutlich nicht so zügig von dem Hammerskin-Ableger in ihrer unmittelbaren Nähe erfahren. In ihrem eigenen Heft «Wehrt Euch!» echauffierten diese sich 1994 darüber, dass über das Heft «Hammerskin» Shirts mit den Insignien der Bruderschaft erworben werden konnten, deren Nutzung eigentlich nur Fullmembern gestattet ist. Die Berliner waren offenkundig überrascht, dass es Personen in Brandenburg gab, die sich „Hammerskins Deutschland“ nannten. In ihren Augen war es ein grober Verstoß gegen die Regel. Das deutsche „Motherchapter“ müsste der Gründung eines Chapters zustimmen. Um den Konflikt zu klären reisten die Berliner extra auf Konzerte unter anderem nach Tschechien, weil sie dort Cuhrts und seine „Brüder“ vermuteten. Aus Konzertberichten dieser Zeit lässt sich herauslesen, dass die Berliner zunächst vergeblich den direkten Kontakt suchten. Die Hammerskins aus der Hauptstadt mutmaßten, dass die Brandenburger bestimmte Konzerte meiden würden, weil sie die mögliche gewaltsame Auseinandersetzung scheuten. Zu einem handfesten Aufeinandertreffen scheint es am Ende nicht gekommen zu sein, vermutlich auch, weil den Berlinern bewusst war, dass sie am Ende vielleicht den Kürzeren gezogen hätten. Es scheint so, als ob die Berliner die Brandenburger Hammerskins sehr bald zähneknirschend akzeptierten und sogar in den Dialog gingen. Darauf deutet auch der Umgangston im Fanzine «Wehrt Euch!». Wurde in der vierten Ausgabe noch über die Brandenburger hergezogen und sich über sie lustig gemacht, schrieb man in der folgenden Nummer wenige Zeit später auf einmal von den „Kameraden aus Brandenburg“ und gab diesen sogar freundliche Ratschläge wie sie ihr Heft «Hammerskin» ansprechender gestalten könnten.
„Baseballschlägerjahre“
Antifaschistische Portale wie Inforiot, Beratungsstellen und unabhängige Archive lieferten punktuell tiefe Einblicke in die Szene. Auch das Antifaschistische Infoblatt beschrieb eindrücklich, was sich in der Neonaziszene der 1990er in Brandenburg abgespielt hatte. Die Hammerskins als Organisationsstruktur spielte dabei jedoch vordergründig keine Rolle. Vielmehr wurden Akteure wie Patrick Cuhrts anhand ihrer sichtbaren politischen Aktivitäten bemessen und analysiert. Zur Struktur der Hammerskins gab es schlichtweg wenig Informationen.
Dem Buchprojekt „Rechtsrock – Aufstieg und Wandel neonazistischer Jugendkultur am Beispiel Brandenburgs“ von 2019 ist es zu verdanken, dass einige Wissenslücken auch zur Geschichte der Brandenburger Hammerskins geschlossen werden konnten. Dabei wird auch auf schwere Gewalttaten verwiesen, die im gesamtgesellschaftlichen Diskurs bisher kaum eine würdige Betrachtung fanden oder überhaupt als rechts-motivierte Taten anerkannt wurden – darunter auch ein Mord. So wird in dem Buch die Geschichte von Mike Danowski (*1972), später Mike Selle, erzählt, der am 23. Oktober 1992 in Frankfurt (Oder) einen aus Nigeria stammenden Mann aus rassistischer Motivation heraus lebensgefährlich verletzte. Der Mann wurde beim Einsteigen in einen Linienbus von rechten Jugendlichen rassistisch beleidigt und angerempelt. Danowski eilte hinzu und stach ihn nieder. Zum Prozess 1993 erschien er in einer Uniform der Waffen-SS. Danowski wurde wegen versuchten Mordes zu 7 Jahren Haft verurteilt. Vom Betroffenen ist nur der Nachname Angiamaowei bekannt. Selbst im Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) gegen Mike Danowski ist er nur als „der Nigerianer Angiamaowei“ beschrieben. Das Gericht hielt es nicht einmal für nötig, seinen vollständigen Namen zu nennen.
In Haft wurde Danowski von den Hammerskins unterstützt. In der dritten Ausgabe des «Hammerskin» von 1994 wird er als „Hammerskin Prisoner Of War“ bezeichnet. LeserInnen werden aufgefordert ihm zu schreiben. Im Jahr 1996 warfen die Hammerskins Danowski vor, unbefugt Shirts mit Insignien der Hammerskins an Mitgefangene verkauft zu haben und schlossen ihn aus der Bruderschaft aus.
Eine weitere Gewalttat der Brandenburger Hammerskins, bei der offensichtlich eine Person ums Leben kam, wurde erst durch das Buch „Rechtsrock – Aufstieg und Wandel neonazistischer Jugendkultur am Beispiel Brandenburgs“ öffentlich bekannt. So findet sich in der Polizeiakte zu Patrick Cuhrts ein Eintrag, wonach dieser am 30. Juni 1995 in Jüterbog, einer Kleinstadt 50 Kilometer südlich von Potsdam, zusammen mit André Below (*1975), Marco Ziehe (*1975) und Marcel Steinmetz (*1972) eine „gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge“ begangen hatte. Alle genannten Personen zählten zum Kern der Gruppe um Cuhrts und wurden von der Polizei als Mitglieder der «Hammerskins Brandenburg» benannt. In den Statistiken der Opfer rechter Gewalt sowie in antifaschistischen Archiven findet sich nichts zu der Tat in Jüterbog.
Aufschluss gibt ein Artikel in der Märkischen Allgemeinen Zeitung vom 3. Juli 1995. Unter der Überschrift „Kette der tödlichen Arbeitsunfälle reißt nicht ab“ fasst der Artikel Meldungen aus Polizeiberichten zusammen. Darin geht um tödliche Arbeits- und Badeunfälle, um „sechs Polen“, die aus einem Gefangenentransport geflohen waren, und schließlich um eine „Schlägerei im Jugendclub“. Dazu heißt es:
„Bei einer Schlägerei in einem Jugendclub in Jüterbog (Teltow-Fläming) sind am Freitagabend [den 30. Juni 1995, d.Verf.] drei Personen verletzt worden. Acht mutmaßliche Täter sind nach einer Fahndung von der Polizei gestellt worden. Sie waren vor dem Eintreffen der Beamten mit einem Wagen geflüchtet. Eine Gruppe von etwa zehn bis zwölf Jugendlichen im Alter zwischen 17 und 23 Jahren – darunter zwei Mädchen – geriet bei einer Tanzveranstaltung gegen 21.40 Uhr in Streit mit anderen Gästen. Bei einer anschließenden Schlägerei waren der Leiter des Jugendclubs und zwei Gäste mit Faustschlägen und Fußtritten verletzt worden.“
Der MAZ-Artikel vom 3. Juli 1995 ist ein erschütterndes Dokument aus einer Zeit, die mit dem Begriff „Baseballschlägerjahre“ treffend beschrieben ist. Ständig griffen Neonazigruppen auf Veranstaltungen, auf der Straße oder am Badesee Menschen an und schlugen sie zusammen.
Die Zwischenüberschrift „Schlägerei im Jugendclub“ gibt dem etwas Triviales, beinahe Normales. Jugendliche streiten eben, geben sich mal was auf die Mütze und dabei gibt es halt auch Verletzte. Aber die Polizei hat ja ein paar Schläger erwischt. So bleibt von einer Tat, bei der Neonazis einen Menschen so zusammen geprügelt hatten, dass er starb, bis heute nicht mehr als ein Kurztext von 621 Zeichen zwischen Badeunfällen und „geflohenen Polen“.
Die Geschichte von Jüterbog im Juni 1995 ist bis heute nicht aufgearbeitet. Was damals genau geschah, welche Strafen die Täter erhielten, wer überhaupt das Opfer war und was dessen Angehörige zu sagen haben, all das ist nicht bekannt.
«Rollkommando Terrormachine»
Im März 1997 feierte Patrick Cuhrts in Königs Wusterhausen bei Berlin seine „Abschiedsparty“ vor seinem Haftantritt in der JVA Spremberg. Ob diese Strafe wegen der Tat in Jüterbog 1995 verhängt wurde, ist nicht bekannt. Laut eines Akteneintrags war er bereits im September 1997 wieder auf freiem Fuß.
Um das Jahr 1999 fanden im Bundesland Brandenburg mehrere Treffen einer Gruppe statt, die sich «Rollkommando Terrormachine» nannte. Als „Terrormachine“ galt zu dieser Zeit das Netzwerk von «Combat 18», zu dessen Brandenburger Vertreter sich die Gruppe «United Skins» im Raum Königs Wusterhauen zählte. Auf einem Treffen von «Rollkommando Terrormachine» sollen Angriffe auf Linke besprochen worden sein. Ein Beispiel, dass dies auch umgesetzt wurde, ist das Geschehen beim Fußballspiel des Brandenburger Sportclub Süd 05 gegen den FC Stahl Brandenburg am 1. Mai 1999, bei dem eine links angefeindete Fangruppe des BSC Süd 05 überfallen wurde. Auch bei einem Treffen der NPD im Juli 1999 im Spreewald soll ein Dutzend Personen des «Rollkommandos Terrormachine» anwesend gewesen sein. Retrospektiv wirkt es, als sei damals ein harter Kern von AktivistenInnen der Brandenburger Hammerskins, der Gruppe «United Skins» und einer «Blood & Honour»-Gruppe um die Potsdamer Musikband «Proissenheads» zusammengetrommelt worden, um gemeinsame Aktionen durchzuführen. Die Konflikte zwischen «Blood & Honour» (B&H) und Hammerskins, die in Berlin in den 1990er Jahren teilweise in Schlägereien mündeten, gab es im Bundesland Brandenburg zu dieser Zeit offenbar nicht.
Es war Patrick Cuhrts, der auf Treffen des «Rollkommando Terrormachine» das Wort geschwungen haben soll, zudem wird Thorsten Proksch (*1969) als Teilnehmer der Treffen dieser Gruppe benannt. Auch Proksch aus Brandenburg an der Havel war zu dieser Zeit als Mitglied der «Hammerskins Brandenburg» aktenkundig.
Im Jahr 1999 endet die Geschichte des ersten Ablegers der «Hammerskin Nation» (HSN) in Brandenburg. Es heißt, es sei von den «Hammerskins Berlin» aufgelöst worden, obwohl eventuell gar nicht mehr viel vorhanden gewesen war, was auflöst werden konnte. Nach sieben Jahren Mitgliedschaft bei den Hammerskins stellte Patrick Cuhrts nun einen Aufnahmeantrag bei «Blood & Honour». Der Ausgang ist nicht bekannt, zumal diese Organisation 2000 in Deutschland verboten wurde. Intern hieß nur, das eine Aufnahme von Cuhrts bei B&H durchaus schwierig sei, aufgrund seiner Personalie bei den Hammerskins. Im Jahr 2003 trat Cuhrts dann als stellvertretender Vorsitzender der Brandenburger NPD auf.
Neuformierung
Um das Jahr 2010 näherten sich Neonazis aus Brandenburg erneut den Hammerskins an und es bildete sich schrittweise ein neues Chapter heraus. Zunächst stellte sich 2012 im Bundesland die «Crew 38» auf. Ein Initiator war der Potsdamer Daniel Hintze (*1984), der seit den 2000er Jahren das Schlagzeug in den RechtsRock-Bands «Aryan Brotherhood» und «Preussenstolz» spielte. Auch nahm Hintze 2010 am Gründungstreffen der Potsdamer NPD teil. Zur «Crew 38» gesellten sich Neonazis aus dem Raum Rathenow und aus der Prignitz. Martin Erdmann (*1985), genannt „Erpel“, aus Walsleben bei Neuruppin war zuvor als eifriger Aufmarschteilnehmer im Kreis der «Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland» aufgefallen.
Martin Krone (*1981) war ein führender Kopf der Gruppe «Sturm 27», die das Brandenburger Innenministerium im Jahr 2005 verboten hatte. Und Stephan Haidt (*1982) aus Premnitz kam aus dem Kreis der «Nationalen Sozialisten Premnitz». Er zählt außerdem zur rechten Fanszene des Berliner Fußballclub Dynamo (BFC Dynamo), der auch zahlreiche Mitglieder der «Hammerskins Berlin» angehören.
Eine erste gemeinsame, wahrnehmbare Aktivität als «Crew 38 Brandenburg» war die Teilnahme an einem „European Officers Meeting“ (EOM) im Januar 2013 in Fürth-Erlenbach in Hessen. Im Nachgang sollte zudem das 10-Jährige Bestehen des Chapter «Westmark» gefeiert werden, die Polizei löste das Event jedoch frühzeitig auf. Die «Crew 38 Brandenburg» wurde alsbald zum Prospect-Chapter. Bilder eines EOM im Januar 2017 im Raum Altenburg (Thüringen) zeigen Erdmann noch mit Prospect-Patch.
Einen Monat später wurden die Brandenburger zu Fullmembern der HSN. Ihr Clubhaus richteten sie auf einem Gartengelände an der Bundesstraße 102 nördlich von Rathenow ein. Das Gelände diente schon in den 2000er Jahren dem «Sturm 27» als Treffpunkt. In deutscher und türkischer Schrift wird auf einem Schild am Eingangstor vor dem Betreten gewarnt, es bestünde „Lebensgefahr“. Verstecken müssen sich die Hammerskins dort nicht, sie kokettieren mit ihrem gewalttätigen Ruf ihrer Gruppe und ihres Treffpunkts. So ließ sich Martin Krone einen Autoaufkleber anfertigen, auf dem ein Baseballschläger und ein Schlagring zu sehen ist, dazu der Schriftzug „Garten of Hate“.
Um 2017 zog Daniel Hintze von Potsdam ins ostfriesische Emden Er blieb Mitglied des Brandenburger Chapters und reiste im Oktober 2018 gemeinsam mit Erdmann und Krone zum „Hammerfest“ nach Kalifornien.
Spätestens 2017 kam Markus Petzhold (*1995) aus Rathenow zur Gruppe dazu. Er nahm im Juli 2017 an einem NOM in Geiselhöring in Bayern teil. Petzhold organisierte sich 2015 im Kontext des Zuzugs von Geflüchteten im rassistischen «Bürgerbündnis Havelland» und war auf einem ihrer Aufmärsche im November 2015 als Ordner tätig. Petzhold war noch 2019 Prospect der «Hammerskins Brandenburg», wie man anhand seines Patches auf seiner Bomberjacke beim „Hammerfest“ am 2. November in Frankreich feststellen kann. Zu einem anderen NOM im Februar 2019 im bayrischen Lohr am Main reiste Carlo Rensch (*1987) aus Neuruppin mit dem Brandenburger Chapter an. Rensch war ebenfalls bei den «Freien Kräfte Neuruppin / Osthavelland» aktiv und gehörte bereits der 2006 verbotenen Gruppe «Schutzbund Deutschland» an. Ein Status als Prospect oder Fullmember kann bei ihm nicht festgestellt werden. Er gehört vermutlich der unterstützenden Struktur der «Crew 38» an.
Das Leben der Mitglieder des Brandenburger Chapters scheint vollends auf das Hammerskin-Dasein ausgerichtet zu sein. Ein Blick auf deren Aktivitäten innerhalb von vier Wochen mag das verdeutlichen: Ende Januar 2019 nahmen Petzhold, Erdmann, Krone und Haidt an einem EOM in Lissabon (Portugal) teil. Das zweite Februarwochenende verbrachten Krone und Haidt in Budapest, wo ein Aufmarsch zum „Tag der Ehre“ stattfand. Am 23. Februar reisten Rensch, Haidt, Petzhold und Erdmann zu dem NOM nach Lohr am Main. Das Leben als Hammerskins und der Ehrgeiz, sich in der Bruderschaft zu zeigen und zu etablieren, ist für die Brandenburger ein zeit- und kostenintensives Programm. Dazu gehören auch Aktivitäten wie das Ausrichten von Hammerskin-Treffen und das (Mit-)Organisieren von Konzerten. Am 23. November 2019 richtete das Chapter ein NOM in Brandenburg aus. Die Hammerskins, die aus ganz Deutschland anreisten, feierten an dem Wochenende auch in Berlin, u.a. im Szenetreff «Sturgis» im Stadtteil Lichtenberg. In ihrem „Garten of Hate“ in Rathenow finden zudem kleinere Veranstaltungen statt, etwa Liederabende wie der am 26. August 2017, als Philipp Neumann als Liedermacher «Flak» – Angehöriger des Chapter «Rheinland» auftrat.
Wie so viele Hammerskins sind auch die Brandenburger seit ihrem Eintritt in die Bruderschaft weitaus seltener auf öffentlichen Aufmärschen anzutreffen. Stephan Haidt und Martin Krone nahmen noch 2015 an Aufmärschen des regionalen PEGIDA-Ablegers BraMM («Brandenburger für Meinungsfreiheit und Mitbestimmung») in Brandenburg an der Havel teil. Ansonsten lockte nur der „Rudolf-Hess-Marsch“ in Berlin 2017 und 2018 die Brandenburger „Brüder“ in die Öffentlichkeit – natürlich ohne die Symbole der HSN zu zeigen.
Vernetzt mit den Hammerskins: NPD und «Märkische Skinheads 88»
Ein von Martin Erdmann veröffentlichtes Foto in den sozialen Netzwerken im Januar 2019 zeigt ihn zusammen mit Robert Wegner, der bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2019 für die NPD in Velten (Landkreis Oberhavel) antrat. Der Kommentar zum Bild lautet „Sicherheit“, worauf Erdmann auf seinen Job als Security für Wegner anspielt. Dieser trägt auf dem Bild einen Anzug und Krawatte, vermutlich war er mit Erdmann für einen Wahlkampfauftritt unterwegs.
Die Nähe der NPD zu den Hammerskins in der Region Oberhavel zeigt sich im Besonderen bei Robert Wolinski, dem Vertreter der NPD im Veltener Stadtparlament. Schon im Juni 2009 nahm Wolinski in Berlin zur Unterstützung der Angeklagten am Prozess gegen die Berliner Band «D.S.T.» teil. Der Prozess richtete sich gegen einen Kreis Hammerskins, die die Produktion und den Vertrieb strafrechtlich relevanter CDs der Band organisiert hatten. «D.S.T.» ist eine der bekanntesten Bands des Hammerskin-Netzwerks in Deutschland.
Im Jahre 2011 wurde im Rahmen weiterer Ermittlungen gegen «D.S.T.» auch die Garage von Robert Wolinski durchsucht, wo man versandfertige CDs von der Band fand. Einige Monate zuvor, am 30. Juli 2011, war Wolinski zusammen mit Peter Brammann, dem Sänger von «D.S.T.» zu einem Solidaritäts-Konzert für den Hammerskin Sven Krüger nach Jamel (Mecklenburg-Vorpommern) gereist. Auch Robert Wegner nahm an diesem Konzert teil. Im Sommer 2014 zählte Wolinski zu den Gästen der Hochzeitsfeier des Hammerskins Alexander Mex, die ebenfalls in Jamel stattfand.
Um Wolinski besteht die Kameradschaft «Märkische Skinheads 88» (MS88), die seit Jahren als Veranstalter neonazistischer Konzerte auftritt, bei denen oft ein Bezug zu den Hammerskins zu erkennen ist. So hatten Wolinski und Wegner für den 18. Juni 2016 ein Festival bei Stralsund geplant, auf dem u.a. die Hammerskin-Bands «Blindfolded» aus den Niederlanden und «H8Machine» aus den USA auftreten sollten. Das Festival wurde verboten. Am 25. März 2017 veranstalteten MS88 ein Konzert mit «D.S.T.» in Torgau-Staupitz. Ein Jahr später, im Februar 2018, spielte «D.S.T.», gemeinsam mit «Uwocaust», «Brainwash» und der US-amerikanischen Band «Blue Eyed Devils» an selber Stelle – wieder unter Mitorganisation der MS 88. „Nette Leute inkl. super funktionierenden Saalschutz, also bis zum nächsten Holocaust 2018!“, berichtete ein Teilnehmer über das Konzert in einem Online-Forum.
Der «Hammerskin Nation» angebunden – «Frontalkraft» und «Confident of Victory»
Im Jahr 2002 veröffentlichte der Brandenburger Inlandsgeheimdienst («Landesamt für Verfassungsschutz») seinen «Verfassungsschutzbericht Brandenburg» für das Jahr. Darin schrieb er: „Die wenigen Hammerskins in Brandenburg haben im Südosten des Landes inzwischen ein eigenes ‚Chapter‘ gebildet.“ Doch es gibt keine zweite Quelle, die diese Information stützt. Nirgendwo tauchte zu dieser Zeit ein Banner oder ein Patch Brandenburger Hammerskins auf, in keinem der vielen Szene-Magazine (die Anfang der 2000er Jahre in der Regel sehr mitteilungsbedürftig waren) finden sich Hinweise auf ein solches Chapter. Selbst in der internen Diskussion der Hammerskins bleibt es unerwähnt. Tatsächlich ist jedoch die RechtsRock-Szene im Südosten Brandenburgs seit Anfang der 2000er von zwei Bands dominiert, die den Hammerskins sehr nahe stehen: «Frontalkraft» und «Confident of Victory». «Frontalkraft», deren Bandmitglieder aus dem Raum Cottbus kommen, ist die wohl „dienstälteste“ Neonaziband in Deutschland und zugleich eine der beliebtesten. Die Band besteht durchgängig seit 1992 und wurde nicht – wie so viele „Kultbands“ der Szene – zwischenzeitlich aufgelöst und aus kommerziellem Interesse von „alten“ Bandmitgliedern mit neuen Musikern neu erfunden.
Die Band spielt sich seit den 1990er Jahren durch die Landschaft kleinerer und größerer Hammerskin-Konzerte: 1998 vor 500 Neonazis bei Weissenfels (Sachsen-Anhalt) beim „Ian Stuart Donaldson Memorial“-Konzert der «Hammerskins Sachsen», 2003 in Thüngersheim bei Würzburg bei einem Konzert unter dem Motto „Support the Nation“ der «Hammerskins Franken», 2007 in Kirchheim an der Weinstraße bei einem Konzert der «Hammerskins Westmark». 2010 betrat die Band in Mailand die Bühne, anlässlich des 20-Jährigen Bestehens der «Hammerskin Nation» in Europa und am 29. November 2015 trat sie erneut in Mailand auf, als die «Italia Hammerskins» auf dem „European Hammerfest“ ihr 25-jähriges Bestehen feierten. Als am 20. Juli 2019 für den Liedermacher «Flak» – Philipp Neumann von Chapter «Rheinland» ein „Geburtstagskonzert“ in Eisenach stattfand, reiste «Frontalkraft»-Sänger Sten Söhndel an, um dort Balladen zu spielen. Auch auffallend: Als im März 2012 der Thüringer Hammerskin-Supporter Steffen Richter ein Solidaritätskonzert für den wegen der NSU-Verbrechen inhaftierten Ralf Wohlleben organisieren wollte, fragte er den deutschen Hammerskin-Chef Malte Redeker aus Rheinland-Pfalz nach Bands, die dort spielen könnten. Redeker bot ihm an, sich um die Liedermacher «Barny» (Mirko Fritze, ehemals Szydlowski) und Sten Söhndel von «Frontalkraft» zu bemühen. Fritze spielte zeitweise bei «Frontalkraft» und tritt seit vielen Jahren als Angehöriger der «Crew 38 Sachsen» in Erscheinung.
«Frontalkraft» hat einen eingeschworenen und reisefreudigen Fankreis. Zum „Hammerfest“ im November 2015 flogen zwei Dutzend Fans mit den Bandmitgliedern und knapp 10 deutschen Hammerskins in einer Reisegruppe vom Flughafen Berlin-Schönefeld nach Italien. Bei einem von Hammerskins (mit-)organisierten Konzert am 28. Oktober 2017 in Themar in Thüringen kamen Band und Fans mit einem vollbesetzten Reisebus aus der Lausitz angereist. Textliche Bezüge zu den Hammerskins finden sich bei «Frontalkraft» hingegen nicht und auch ihre CDs wurden bislang über ihr Hauslabel «Rebel Records» veröffentlicht, statt über deutsche Hammerskin-Unternehmen wie «Gjallarhorn Klangschmiede» oder «Wewelsburg Records».
Eine weitere Band aus dem engeren Kreis der Hammerskins ist «Confident of Victory> um ihren Frontmann Rico Hafemann aus dem Raum Senftenberg im Süden Brandenburgs. Anfang der 2000er fand die Band – mutmaßlich über die Cottbuser Szene – Anschluss an die HSN, die ihnen schon 2005 einen Auftritt auf dem „Hammerfest“ in den USA verschafften. Ein Jahr später produzierte Malte Redekers «Gjallarhorn Klangschmiede» ihr zweites Album, das sich in der Szene sehr gut verkaufte. Zu einem Konzert von «Confident of Victory» am 10. November 2018 in Kirchheim (Thüringen) schrieb der Inlandsgeheimdienst, dass Anmelder und Ordner „Hammerskins aus Brandenburg“ gewesen seien.
Der Stil der Band ist eine spezielle Mischung aus klassischem RechtsRock, Metal und Hardcore. Die Band um Hafemann erreicht ihre Fans durch musikalisches Können, melodiösen, klaren Gesang und durchweg politische Inhalte. Durch regelmäßige Auftritte bei den «Hammerskins Franken» in Kirchheim (Thüringen), Groß-Events wie den „White X-Mas“-Konzerten der HSN in Frankreich sowie durch Teilnahme an Veranstaltungen von Robert Wolinski und Martin Seidel, dem Betreiber des Labels «Rebel Records», schuf sich die Band in den vergangenen 20 Jahren eine treue AnhängerInnenschaft und zählt heute zu den Top-Bands der Szene.
Am Beispiel von «Confident of Victory» und einer CD-Produktion aus dem Jahr 2011 lässt sich veranschaulichen, wie ein Wechselverhältnis zwischen einer Musikband und den Hammerskins funktioniert. Malte Redeker brachte damals über sein Label «Gjallarhorn Klangschmiede» einen Solidaritäts-Sampler auf den Markt, dessen Einnahmen unter anderem «Confident of Victory» zu Gute kommen sollten, gegen die zu diesem Zeitpunkt Ermittlungen liefen. Der Sampler trägt den schwülstigen Titel „In Anerkennung – Patriae Inserviendo Consumer“, übersetzt: Durch den Dienst am Vaterland verzehre ich mich. «Confident of Victory» wiederum revanchierte sich bei Redeker dadurch, dass sie zum Sampler ein Lied mit dem Titel „He is a Hammerskin“ beisteuerten. Der Text ist die Lobpreisung des Hammerskins, der stets „loyal zur Sache“ stehen würde und der „Letzte seiner Art“ sei.
Die Cottbuser Szene
Greifbar wird die gewachsene Verbindung von «Frontalkraft» zu den Hammerskins auch anhand der persönlichen Kontakte von Sten Söhndel. Er gehörte schon Anfang der 1990er Jahre der organisierten neonazistischen Szene an und legte stets Wert darauf mit «Frontalkraft» als politische Band wahrgenommen zu werden. Als Teil der Kameradschaft «Sturm Cottbus» nahm er Anfang der 2000er Jahre an Aufmärschen teil, so am „Rudolf-Hess-Marsch“ im August 2004 in Wunsiedel. Dort fanden sich um Söhndel auch Martin Seidel und Jörg Wollermann aus Cottbus ein. Auch sie gehörten dem «Sturm Cottbus» an. 2002 wurde gegen die Drei wegen einer Körperverletzung ermittelt, die im Zug von Rathenow nach Cottbus begangen worden war.
Der «Sturm Cottbus» war bis zirka 2006 aktiv. Die Fahne der Cottbuser zierte die Bühne eines Großkonzerts von «Blood & Honour» 2003 in England, wurde aber in den Folgejahren vermehrt auf Konzerten der HSN festgestellt. Etwa auf einem Konzert der «Hammerskins Franken» im September 2005 in Dettelbach bei Würzburg – dass intern als deutsches „Hammerfest“ wahrgenommen wurde – und nur wenige Wochen später auf dem „Hammerfest“ in Atlanta in den USA, wo «Confident of Victory» spielte. Dorthin war unter anderem Wollermann gereist und hatte die Fahne des «Sturm Cottbus» gehisst.
Wollermann unternahm in den darauf folgenden Jahren weitere Reisen zu Hammerskin-Konzerten in die USA. So besuchte er im März 2008 das jährlich stattfindende „St. Patricks Day“-Konzert der «Confederate Hammerskins» in Florida. Dabei wurde er unter anderem von Martin Seidel und Norman Baar aus dem Erzgebirge, einem späteren Prospect der «Hammerskins Sachsen», begleitet. Die deutsche Reisegruppe ließ sich vom US-amerikanischen Hammerskin Forrest Fogarty, dem Sänger der Band «Attack» beherbergen und unternahm mit ihm einen Ausflug zu einem Schießstand. In einem Reisebericht in Norman Baars Fanzine «Für immer und ewig» steht, dass es für die „schießwütigen Cottbusser“ bereits das zweite Mal gewesen sein, dass sie mit Fogarty schießen waren. Für das „Hammerfest“ 2009 in Florida kündigte Wollermann ebenfalls sein Kommen an.
Zu diesem Zeitpunkt gehörte seinem Freundeskreis auch der Hammerskin Christian Kunja an, der ebenso aus der Neonaziszene im Raum Cottbus stammt. Anfang der 2000er Jahre war Kunja nach Hamburg gezogen, wohnt allerdings seit 2008 wieder in Lübben im Spreewald. 2004 lief Kunja im Block der Südbrandenburger Szene auf dem „Rudolf-Hess-Marsch“ in Wunsiedel, in dem sich auch Seidel, Wollermann und Söhndel befanden. Im Jahr 2015 wurden Kunja und Wollermann von der Polizei im Zuge der NSU-Ermittlungen vernommen. Die Ermittler*innen gingen möglichen Kontakten des NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben zu Christian Kunja nach. Dabei ging es um eine E-Mail-Adresse, die unter dem Namen „derrosarotepanther“ bei einem Provider angelegt worden und in Kunjas Kontakten unter dem Namen „Wolle“ abgespeichert war. Doch es stellte sich heraus, dass diese E-Mail-Adresse nicht Ralf Wohlleben, der „Wolle“ genannt wird, gehörte sondern Jörg Wollermann. Bemerkenswert sind die Vernehmungen von Kunja und Wollermann dennoch. Wollermann log ganz offensichtlich und erzählte, dass er zu Hammerskins „zumindest wissentlich keine Berührungspunkte“ habe. Auch sei ihm niemand bewusst „der da Mitglied ist“. Auf die Frage, wie er sich selbst politisch verortet antwortete er unverfroren: „Normal (…) eher konservativ“. Bilder eines B&H-Konzertes in England im September 2007 zeigen den „konservativen“ Wollermann Arm in Arm mit Christian Kunja, der einen Pullover der Hammerskins trägt. Im Hintergrund hängen Flaggen mit Hakenkreuzen und SS-Runen.
Durch die Reisen, wie auch durch die Einbindung im RechtsRock-Bereich, entwickelte der Cottbuser Freundeskreis teils enge Kontakte in die USA. Herausragend ist dabei die Verbindung zur texanischen Band «White Wash>, deren Sänger nur unter dem Pseudonym „Reno“ bekannt ist. 2005 spielte die Band auf dem erwähnten Hammerskin-Konzert in Dettelbach, gemeinsam mit Söhndels «Frontalkraft». Beide Bands brachten dann 2008 auf dem Label «Rebel Records» eine Split-CD heraus. Im Herbst 2011 war „Reno“ für eine Woche im Spreewald bei Kunja zu Gast und verbrachte seine Zeit auch mit dem hier mehrfach genannten Cottbuser Klüngel. Bilder zeigen u.a. „Reno“, Kunja, Wollermann, Martin Seidel und Sten Söhndel in vertrauter Runde beim Grillen mit anschließender Karaoke-Party. Über «Rebel Records» wurde noch 2020 eine limitierte Vinyl-EP von «White Wash» herausgebracht. „Reno“ war zudem Bandleader des Untergrund-Musikprojekts «Grinded Nig», deren Alben rassistische Titel wie „Freezer Full Of Nigger Heads“ tragen.
Das Label «Rebel Records» und die Band «Hausmannskost»
Der Betreiber des Labels «Rebel Records», Martin Seidel, ist eine weitere Schlüsselfigur der Cottbuser Szene. Aufgrund seiner engen Verbindungen zur Band «Frontalkraft» wurde er schon 2003 von der Polizei als Mitglied der Band angesehen. Um 2004 gründete Seidel «Rebel Records», auf dem «Frontalkraft» ihre CDs bis heute veröffentlicht. Mit über 150 Produktionen in den vergangenen 15 Jahren zählt «Rebel Records» zu den aktivsten neonazistischen Musiklabels in Deutschland.
Die Kontakte der Cottbuser Szene in die USA nutzte Seidel früh, um sein Label zu profilieren. Schon kurz nach Gründung von «Rebel Records» befanden sich einige der „Exportschlager“ der US-Szene in seinem Programm, unter anderem die Hammerskin-Bands «Bully Boys» und «Attack». Später kamen etliche Alben von „Kultbands“ der HSN dazu, wie «Max Resist» und «Blue Eyed Devils».
Der Band «Bound for Glory», deren Gitarrist Ed Wolbank Mitbegründer der Hammerskins in den USA war, widmete Seidel vor wenigen Jahren sogar eine eigene Tribut-Band: «Befehl des Gewissens». Auch sein seit 2010 bestehendes eigenes musikalisches Projekt «Hausmannskost» mischt seit Jahren bei Konzerten der HSN mit. Etwa beim „Joe Rowan-Memorial“-Konzert im Oktober 2015 in Kirchheim oder zuletzt beim „Rock gegen Links“-Festival im Oktober 2017 in Themar, bei dem auch «Rebel Records» als Unterstützer aufgeführt ist. Seidels Verbundenheit mit den Hammerskins ließ sich in der Vergangenheit mehrfach erkennen. So war er Gast der Hochzeitsfeier des Hammerskins Alexander Mex im Sommer 2014 in Jamel in Mecklenburg-Vorpommern. Jüngst verbreitete Seidel über soziale Netzwerke ein kurzes Video, in dem er eine neue CD-Produktion ankündigte. Die Präsentation fand offenbar in seiner Küche statt, wo erst auf dem zweiten Blick eine Tasse ins Auge fiel. Bedruckt war sie mit dem Schriftzug „Support the Nation“. Martin Seidel ist ein „Bewegungsmensch“, der sich ganz „der Sache“ verschrieben hat. Vor allem im Raum Cottbus avancierte er zum Multiplikator. Sein Geschäftsfeld erweiterte er stetig, ist heute auch offiziell für die rechte Kampfsport-Marke «Black Legion» verantwortlich und vermarktet darüber hinaus mit «Sub:version Production» den rechten Rapper «Bloody 32». Auch auf die Konzertlandschaft im Osten Deutschlands nimmt Seidel mittlerweile großen Einfluss. Unter dem Motto „Kraft durch Musik“ organisiert er spätestens seit 2011 regelmäßig RechtsRock-Events und zählt heute zu den HauptnutzerInnen der Szene-Immobilie «Alter Gasthof» im nordsächsischen Torgau-Staupitz.
Wie bei den Musikern von «Frontalkraft» und «Confident of Victory» ist auch bei Seidel nicht anzunehmen, dass er ein Mitglied der Hammerskins ist. Doch ist ihr Cottbuser Kreis ein integraler und bedeutender Akteur im internationalen RechtsRock-Netzwerk der «Hammerskin Nation».
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