Aufbauend auf «Brüder schweigen – Das geheime Netzwerk der Hammerskins», sowie «Das geheime Netzwerk der Hammerskins – Chapter in Deutschland: Teil 1» wird im Folgenden auf weitere Chapter eingegangen.
Inhalt
• Zwischen RechtsRock und Kegelabend: das Chapter «Bremen»
• Die Grenzgänger – «Hammerskins Bayern»
• «Hammerskins Franken» – Die Konzertmacher
• Auf der Bühne: das Chapter «Rheinland»
Zwischen RechtsRock und Kegelabend: das Chapter «Bremen»
Die «Hammerskins Bremen» wurden 1993 gegründet. Das Chapter ist damit eines der ältesten Ableger der «Hammerskin Nation» (HSN) in Deutschland. Durch die dem Chapter angeschlossenen Bands und Labels lag seit Beginn eine der Hauptaktivitäten im RechtsRock. In den letzten Jahren hat sich das Chapter stark verkleinert, was insbesondere am Wechsel von ehemaligen Mitgliedern zum neu gegründeten Chapter «Westfalen» liegt. Aufbauhilfe wurde aber nicht nur in Nordrhein-Westfalen geleistet, auch in den Niederlanden kam es durch die Unterstützung der «Hammerskins Bremen» zu einem Wiederaufbau von Hammerskin-Strukturen.
Forever Skinheads
Gegründet wird das Chapter «Bremen» 1993 in einer Aufbruchphase der neonazistischen Skinheadszene in Deutschland. Mit der Herausbildung einer extrem rechten Jugendkultur entstanden vieler Orts Bands aus lokalen Neonazi-Skinheadcliquen. RechtsRock-Konzerte fanden jedes Wochenende in Grillhütten, Jugendclubs und Hallen im Bundesgebiet statt und Fanzines stellten ein beliebtes Kommunikations- und Propagandamittel der Szene dar. Im Zuge des nationalistischen Taumels nach der Wiedervereinigung wurden alleine von 1990 bis 1993 fast 60 Menschen durch Neonazis und RassistInnen getötet. Den Soundtrack zur rechten Gewalt liefern RechtsRock-Bands, die sich als Sprachrohr einer militanten Neonazi-Szene verstehen.
Die erste Generation der «Hammerskins Bremen» gruppierte sich in jener Zeit schwerpunktmäßig um die Band «Endstufe». Diese wurde 1981 von Jens Brandt, genannt „Brandy“, aus Bremen und drei weiteren rechten Musikern gegründet und ist eine der dienstältesten RechtsRock-Bands in Deutschland. Auch wenn die Band seit ihren frühen Tagen immer wieder betonte lediglich dem Skinhead-Kult zu frönen und keine politische Band zu sein, finden sich schon 1984 Lieder wie „Deutsche Rasse“. Ganz unpolitisch heißt es dort: „Doctor Martens, kurze Haare, das ist arisch keine Frage. Nieder mit dem Mischmasch-Blut, denn das tut dem Vaterland nicht gut. Haltet rein die Deutsche Rasse, denn wir sind die Arierklasse!“ (sic!)
Die meisten Lieder der Band kommen tatsächlich ohne explizit politische Botschaften aus und liefern bis heute die musikalische Untermalung für Suff und Party für eine rechts-offene bis neonazistische Skinhead-Szene. Seit Mitte/Ende der 1980er Jahre spielen «Endstufe» bundesweit auf neonazistischen Konzerten und ab Anfang der 1990er Jahre auch explizit auf Events der Hammerskins. Etwa auf der 2-Jahresfeier der «Hammerskins Berlin» am 30. September 1995 oder bei einem vom Chapter «Bremen» organisierten Konzert am 14. März 1997 im Raum Bremen. Hier teilte sich «Endstufe» die Bühne mit den deutschen Bands «Schlachtruf» und «Spreegeschwader» und die Leadsänger der „Kult-Bands“ «Brutal Attack» (England), «Bound for Glory» (USA) und «Fortress» (Australien) formierten sich zu einem Live-Projekt. Als «Endstufe» rund ein Jahr später am 23. Mai 1998 ein Konzert auf der Partymeile Mallorcas gab, reisten etliche deutsche und spanische Neonazis an. Um die 150 Teilnehmende sollen es laut eigenen Angaben gewesen sein. Die spanische Band «Torquemada 1488», deren Musiker zum Zeitpunkt dem Prospect-Chapter der «Hammerskins Espagna» angehörten, wirkten auf dem Konzert als Einheizer, während die «Hammerskins Berlin» den Sicherheitsdienst stellten. Organisiert wurde das Konzert maßgeblich vom Chapter «Bremen». Im selben Jahr am 5. September, waren «Endstufe» zu einem Konzert der «Hammerskins Berlin» nach Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) eingeladen worden. Bis zu 500 Neonazis verfolgten das Konzert, bei dem u.a. auch «Freikorps» und «Legion of Thor» auftraten. Überliefert ist auch, dass es während des Konzerts zu einer wüsten Schlägerei zwischen Hammerskins aus Norddeutschland und anderen Neonazis aus Brandenburg gekommen war, die sich im Dunstkreis der Hammerskins bewegten. Dabei wurde einem Brandenburger der Arm gebrochen.
In der zweiten Ausgabe des von Malte Redeker herausgegebenen Fanzines «Donnerschlag» berichtet Liz Tarrant – eine der Gründungsfiguren der HSN in den USA – 1997 über die Entstehung und Geschichte der Hammerskins. „Ich möchte auch erwähnen, das es viele Bands mit Hammerskin Mitgliedern gibt…“, erzählt sie und nennt neben Bands wie «Bully Boys» und «Bound for Glory» auch die deutschen Bands «Freikorps» und «Endstufe». Ob Jens Brandt selbst je ein Mitglied der HSN war, ist nicht bekannt. Jedoch war «Endstufe» fest in die Hammerskin-Strukturen eingebunden. Ausdruck dessen war auch ein gemeinsames Bandprojekt mit dem Namen «Grenadier», welches 1997 auf «Hanse-Records» eine CD mit dem Titel „Commando“ veröffentlichte. Dabei handelte es sich um ein Projekt von Scott McGuinness, Sänger der australischen Hammerskin-Band «Fortress», Ed Wolbank von «Bound for Glory» (USA), Jens Brandt sowie zwei weiteren damaligen Mitgliedern von «Endstufe». Als im Jahr 2020 eine dritte CD dieses Projekts auf Malte Redekers «Gjallarhorn Klangschmiede/Frontmusik» veröffentlicht wurde, wirkte Brandt erneut mit.
Bis Ende der 1990er Jahre bildet neben «Endstufe» das Label «Hanse-Records» einen weiteren wichtigen Bezugspunkt für die «Hammerskins Bremen». Der Vertrieb und das Label «Hanse-Records» wurde Mitte der 1990er Jahre gegründet und veröffentlichte dort neben «Endstufe» die Hammerskin-nahen Bands «Spreegeschwader», «Sturmtrupp» und «Legion of Thor». Das Label war ein Projekt von Jens Brandt zusammen mit Steffen Rolfs (*1964) aus Bremen und wurde bis in das Jahr 2000/2001 von den beiden geführt. Steffen Rolfs genannt „Rolfi“ zählt zu den Gründungsmitgliedern des Chapter «Bremen». Schon 1985 gehörte er der Bremer Ortsgruppe der 1995 verbotenen «Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei» (FAP) an. Zusammen mit Brandt gab er zeitweise das Neonazi-Fanzine «Der Skinhead» heraus. Damals wurde auch ein Bild von ihm für das Front-Cover der CD „Mit den Jungs auf Tour“ von «Endstufe» benutzt. Es zeigt Rolfs mit blutverschmiertem Gesicht und einem T-Shirt der «Endstufe Crew». Entstanden war das Bild im Rahmen eines von der Polizei aufgelösten «Endstufe»-Konzerts. Auch betrieb Steffen Rolfs eine Gaststätte in Bremen-Finndorf, die als Treffpunkt der Hammerskins galt.
Noch Ende der 1990er Jahre war er im Mailverteiler der europäischen Hammerskins Ansprechpartner für das Chapter «Bremen», wechselte jedoch um 2000 ins Chapter «Nordmark». Auf einem Chapter-Treffen der «Nordmark» im Januar 2001 wird sich über ihn beschwert. Er habe sich seit Oktober 2000 nicht mehr bei seinen „Brüdern“ gemeldet und hätte seinen Mitgliedsbeitrag letztmalig im Januar 2000 bezahlt. In der Konsequenz wird Rolfs aus der HSN geschmissen. Aus der extrem rechten Szene ist Rolfs jedoch nie ausgestiegen. Gemeinsam mit seiner Ehepartnerin Daniela Rolfs betrieb er in Bremen das „Southend Hostel“, in dem auch regelmäßig Neonazis unter kamen. Etwa Patrick Wieschke aus Thüringen, als er 2011 der NPD beim Wahlkampf in Bremen behilflich war. Steffen Rolfs fand um 2013 Anschluss in der Rockerszene, wurde Mitglied beim «Wild Vikings MC». Kurze Zeit später wechselte er den Club und wurde um 2015 Vollmitglied beim «Blazes MC». Dessen «Chapter Nordland» gehört er bis heute an, obwohl er seit Frühjahr 2019 in Portugal lebt. Dort betreibt er mit Daniela Rolfs in Pampilhal in der Region Sertã eine Zimmervermietung. Bis heute pflegt er über die sozialen Netzwerke Kontakt zu Jens Brandt von «Endstufe» und teilt neonazistische Inhalte. Etwa ein Musikvideo der schwedischen RechtsRock-Sängerin «Saga», in dem es um das „Aussterben der weißen Rasse“ geht. Rolfs Kommentar zum Video: „Wenn wir schon sterben, dann bitte aufrecht und im Kampf.“
Endlöser
Anfang der 2000er Jahre kam es zu Umbrüchen bei den «Hammerskins Bremen». Nachdem Rolfs das Chapter verließ und sich «Hanse Records» aufgelöst hatte, schien auch das Verhältnis von «Endstufe» zu den Hammerskins abzukühlen. Die Aktivitäten des Chapter «Bremen» wurden dann bis Mitte der 2000er insbesondere von der Band «Endlöser» und deren Sänger Andreas Lohei (*1973), genannt „Lolli“, geprägt. Lohei gründete die Band 1992, aber außer ein paar Demo-Aufnahmen passierte zunächst nicht viel. Erste Veröffentlichungen erfolgten ab 1995 nach einer Umbenennung in «Schlachtruf». Im Booklet der 1998 erschienenen CD „Über Nacht“ finden sich schon etliche Bezüge zur «Hammerskin Nation». Zu sehen sind Bilder von Bannern, Shirts und der Kluft der HSN. Mit Shirts der HSN präsentierte sich auch deren Bassist Matthias Kozma (*1978), genannt „Matze“. Er zählt zu den Gründungsmitgliedern der «Hammerskins Bremen». Mitte der 2000er Jahre verließ er die HSN und «Endlöser», schloss sich allerdings «Endstufe» an und spielte dort von 2002 bis 2017 den Bass. Dadurch bewegte er sich auch weiterhin im Dunstkreis der Hammerskins, die «Endstufe» schließlich bis heute bei den Hammerskins Kultstatus haben. Als «Endstufe» am Wochenende des 14. Juni 2014 im schottischen Bathgate auftraten, reisten auch Hammerskins aus Mecklenburg-Vorpommern und Berlin an und präsentierten sich dort in Shirts der HSN.
Bis 2001 traten «Schlachtruf» auf diversen Konzerten in Deutschland und der Schweiz auf. So unter anderem im Frühjahr 2001 auf einer vom Chapter «Bremen» um Lohei organisierten Party, zusammen u.a. mit der saarländischen Band «Jungsturm», deren Sänger Frank Molina y Mata wenig später Gründungsmitglied der «Hammerskins Westmark» wurde. Die Band «Schlachtruf» benannte sich um 2002 wieder in «Endlöser» um und entwickelte sich zu einem Aushängeschild der deutschen Hammerskins. Zur Besetzung von «Endlöser» zählte auch der Schlagzeuger und damaliges Fullmember des Chapter «Bremen», Sven Björn Danker (*1975). «Endlöser», die sich in ihrer Namensgebung und ihren Texten oftmals hart an der Grenze zur Legalität bewegten, machten auch auf ihrer ersten Veröffentlichung 2002 „Für Deutschland“ klar, dass sie sich als „Hammerskin-Band“ verstehen und verwendeten dementsprechend Symbole – so offen wie kaum eine andere deutsche Hammerskin-Band. Allen voran Andreas Lohei, der sich auf kaum einem Bild ohne die Symbole der „Crossed Hammers“ zur Schau stellte. Nachdem der damalige «Endlöser» Sänger Sascha Meis der Band Ende 2003 den Rücken kehrte, übernahm Lohei schließlich den Gesang und wurde mehr denn je ihr „Gesicht“.
Um die Band «Endlöser» bildete sich eine Fan-Gruppe, die unter dem Namen «Endlöser Crew» auftrat. Diese begleitete die Band zu den Konzerten und konnte zu jener Zeit als UnterstützerInnenstruktur der Hammerskins wahrgenommen werden. Nicht nur in Bremen, sondern auch in anderen Städten wie Berlin formierte sich die „Crew“. Als «Endlöser» im Februar 2003 bei einem von den «Italia Hammerskins» organisierten Konzert in Mailand auftraten, wurden sie von einer ca. sechsköpfigen Gruppe der «Endlöser Crew Bremen – Berlin» begleitet. Unter ihnen befand sich auch René Häberle, der über die «Endlöser Crew» Anschluss an die Hammerskins gefunden haben dürfte und seit Mitte der 2000er Jahre als Fullmember des Chapter «Berlin» auftritt. Neben der «Endlöser Crew» sind es bis Mitte der 2000er Jahre kleinere Cliquen in Bremen und Niedersachsen, die an das Chapter «Bremen» zu dieser Zeit angebunden sind. Um das Jahr 2006 zieht Lohei nach Köln und verlässt wenig später die HSN im „Good Standing“. 2007 geriet Lohei und Sven Danker in den Fokus der Behörden und es kam zu Hausdurchsuchungen. Grund war die 2006 veröffentlichte «Endlöser» CD „Wir geben Gas“, auf dessen Cover Verbrennungsöfen des KZs in Dachau abgebildet sind.
Auch mit seinen ehemaligen „Brüdern“ geriet er in den Folgejahren in Streit. Lohei hatte in mehreren Booklets von «Endlöser» mit seiner einstigen Zugehörigkeit zur Bruderschaft kokettiert und „unautorisiert“ Hammerskin-Insignien verwendet. Der Konflikte spitzte sich 2012 zu, als sich Lohei im Booklet einer «Endlöser» CD in HSN-Kluft abbilden ließ und dort zudem großflächig die „Crossed Hammers“ verwendet wurden. Die deutschen Hammerskins drohten ihm nun mit Gewalt, sein ehemaliges Chapter «Bremen» wollte ihn auf einer Party „besuchen“. Der neonazistischen (Musik-) Szene blieb Lohei auch nach seinem Ausstieg aus der HSN verbunden. Nachdem er 2010 zusammen mit dem «Weisse Wölfe» Sänger Stjepan Jus das Projekt «Andi & Schnack» ins Leben rief, versuchte er sich ab 2012 an einer Wiederbelebung von «Endlöser» als Solo-Projekt. Kurze Zeit später gründete er die Neonazi-Bruderschaft «Nordic 12» mit und tritt bis heute als Sänger der RechtsRock-Band «Randgruppe Deutsch» auf.
Der Konflikt mit der HSN scheint sich geklärt zu haben, denn mit «Randgruppe Deutsch» veröffentlichte er eine erste CD 2015 auf Redekers «Gjallarhorn Klangschmiede». Seine Ex-„Brüder“ scheinen sich zudem nicht daran zu stören, dass Lohei heute noch in den sozialen Netzwerken mit seinem „Crossed Hammers“-Tattoo am Unterarm posiert, das zudem die Losung der Hammerskins beinhaltet – HFFH.
Neuaufbau
Noch bevor Andreas Lohei die „Nation“ verließ, gründete sich in Bremen die Band «Hetzjagd», die fortan als eine „neue“ Haus- und Hofkapelle der «Hammerskins Bremen» galt. «Hetzjagd» tauchten erstmals 2004 auf dem Sampler „Status Quo Germania – Hammerskin Nation“ mit zwei Songs auf – u.a. neben «Endlöser», die sich gar mit fünf Liedern auf dem Sampler beteiligten, so dass die beiden Bremer Hammerskin-Bands die Hälfte des Repertoire der CD ausmachten. Auf dem ersten Album der Band «Kampf dem System» aus dem Jahr 2006, lässt «Hetzjagd» keinen Zweifel an ihrer Zugehörigkeit zur HSN. Gar einen eigenen Song widmen sie der Bruderschaft, in dem es heißt:
„Hammerskins, die Elite aus der Masse, Skinheads aus der Arbeiterklasse, den Hämmern immer treu verbunden, im Kampf um unsere weiße Rasse, wir sind Nationalisten aus der ganzen Welt, unsere Bruderschaft uns ewig zusammen hält, bis der letzte unserer Gegner für immer fällt. HffH – Hammerkins für immer HffH – für immer Hammerskins“.
In einem Interview eines rechten Fanzine aus dieser Zeit wird auf die Mitgliedschaft in der HSN eingegangen. „Soweit ich weiß, seit ihr HS. Kann man Hetzjagd als richtige HS-Band bezeichnen?“ (sic!) werden die Musiker gefragt. „Kurz gesagt: Ja, kann man“, lautet die Antwort. Sänger der Band ist zu diesem Zeitpunkt Marc Gaitzsch (*1974), während Sebastian Allwardt (*1982), genannt „Sebi“, die Gitarre spielt. Beide wohnen aktuell in Bremen, bildeten ab Mitte der 2000er den Kern der «Hammerskins Bremen» und prägen das Chapter bis heute maßgeblich. Gaitzsch – der „Marci“ und auch „Dr“ genannt wird – betreut bis heute die Mailadresse der «Hammerskins Bremen» und tauchte im Kontext der Bruderschaft erstmals durch seine Teilnahme an der Jahresfeier der «Hammerskins Berlin» im November 2004 auf. Ein Jahr später gehörte er einer Reisegruppe deutscher Neonazis an, die ein Konzert in Malgrat de Mar (Spanien) besuchten. Beruflich ist Gaitzsch seit rund zehn Jahren im Bereich Fitness-Coaching tätig und heute Personaltrainer. Gemeinsam mit André Friedrich betreibt er die Firma „Personal Training Gemeinsam Stark“ und nutzt dafür u.a. die Räumlichkeiten des «My Gym» in Osterholz-Scharmbeck. Sebastian Allwardt wiederum arbeitete zuletzt als Brauer bei „Beck‘s“.
Neben Gaitzsch, Allwardt und weiteren rund 20 deutschen Hammerskins ist auch der heute in Cuxhaven wohnhafte Dirk Kliewe-Kregelin (*1976), genannt „Piefke“, als Teilnehmer des Konzerts in Malgrat de Mar festgestellt worden. Kliewe-Kregelin kommt ursprünglich aus Uckermünde in Mecklenburg-Vorpommern und fand dort vermutlich über das Chapter «Pommern» Anschluss an die Hammerskins. 2013 zog er mit seiner Ehefrau Katrin Kregelin (*1982) nach Cuxhaven. Seit Mitte der 1990er Jahre besuchte er neonazistische Aufmärsche und war auch in der NPD aktiv. Am Leben der Bruderschaft nimmt er bis heute rege Teil. Auffällig ist dabei, dass er zu den Events seiner „Brüder“ anderer Chapter meist allein anreist. Vor allem im Rahmen der Sommerfeste des Chapter «Mecklenburg» in Jamel war er der einzige anwesende Hammerskin des Chapter «Bremen». Anders als bei der 20-Jahresfeier der «Hammerskins Pommern» in Salchow (Mecklenburg-Vorpommern), wo er u.a. mit Marc Gaitzsch zugegen war. Kliewe-Kregelin nahm noch am 23. November 2019 an einem NOM in Brandenburg teil.
Mitte der 2000er stieß zudem Hendrik Stiewe (*1981) zum Chapter «Bremen». Der damals in Bielefeld wohnhafte Stiewe bot mit «Wewelsburg Records» nicht nur seinen Bremer „Brüdern“ von «Hetzjagd» eine Plattform zur Veröffentlichung ihrer CDs, sondern brachte sich zu jener Zeit bereits ins internationale Musikgeschehen ein. Das Label zählt heute zu den wichtigsten Musiklabels der «Hammerskin Nation». 2014 verließ Stiewe die «Hammerskins Bremen» und wechselte ins frisch gegründete Chapter «Westfalen».
Nur wenig später als Stiewe stieß Andre Drescher (*1977) zum Chapter «Bremen». Im Mai 2007 nahm er bereits an der Jahresfeier der «Hammerskins Westmark» in Kirchheim an der Weinstraße teil, in dessen Rahmen auch ein EOM abgehalten wurde. Drescher, der den Spitznamen „Maler“ trägt, betreute schon um 2013 die Position des „Schatzmeisters“ des Chapter «Bremen», d.h. er verwaltete die Einnahmen und Ausgaben der «Hammerskins Bremen». Auch seine Frau Bianka Müller wusste, wo sich die Kasse befand und wurde von Dreschers „Brüdern“ angesprochen, Gelder zu entnehmen, wenn ihr Ehepartner auf Montage war. Andre Drescher wurde zuletzt im Februar 2019 als Teilnehmer eines NOM im bayrischen Lohr erkannt. Im Berufsleben ist er Mitinhaber der Firma „andali – Maler, Fliesen & Innenausbau“ in Lilienthal.
Die «Hammerskins Bremen» galten in den 2000er Jahren als eines der führenden Chapter in Deutschland und waren im Kosmos der HSN omnipräsent. Insbesondere durch die Auftritte von «Hetzjagd» und das Wirken von Stiewe mit «Wewelsburg Records» konnte sich das Chapter überdurchschnittlich stark repräsentieren.
Jenseits der HSN waren die Mitglieder des Chapters viele Jahre fester und integraler Bestandteil der neonazistischen Szene in und um Bremen. Sebastian Allwardt etwa wohnte um 2007 mit dem Bremer Neonazi-Kader Hendrik Ostendorf zusammen. Im selben Jahr nahm Allwardt am „Fest der Völker“ in Jena (Thüringen) teil, das nicht nur maßgeblich von den «Hammerskins Sachsen» organisiert wurde, sondern auch von den NSU-Unterstützern Ralf Wohlleben und André Kapke. Neben Allwardt war auch Hendrik Stiewe in Jena zugegen und wirkte als Übersetzer einer Rede eines Vertreters der griechischen Neonazi-Partei «Golden Dawn».
Auch wenn sie sich nicht als Hammerskins zu erkennen gaben, war das Chapter «Bremen» zudem regelmäßig als Gruppe bei Aufmärschen vertreten, etwa am 25. März 2006 in Stade. In der Gruppe um Gaitzsch, Allwardt und Kliewe-Kregelin bewegte sich dort auch der damals in Schwanewede (Landkreis Osterholz) wohnhafte Nils Budig (*1980). Zirka sieben Jahre später schließt sich Budig der «Crew 38» um die «Hammerskins Bremen» an.
Die Mitglieder des Chapter «Bremen» wurden Mitte/Ende der 2000er Jahre nicht nur als Teilnehmer von Aufmärschen wahrgenommen, sondern wirkten auch in den Strukturen der Anti-Antifa mit. Sowohl Gaitzsch als auch Allwardt waren Teil der lokalen Struktur um den Bremer Neonazi Andreas Hackmann. Neben dem Fotografieren von Personen im Rahmen antifaschistischer Demonstrationen sammelte man auch Informationen über Linke und Antifaschist*innen, die für Anschläge und Übergriffe genutzt wurden.
Nachwuchs
Um das Jahr 2010 bildeten sich außerhalb von Bremen verschiedene Gruppen, deren Anhänger als Supporter des Chapter «Bremen» wirkten, bzw. sich als Prospects aufstellten. In Bochum (Nordrhein-Westfalen) firmierten Stefan Held (*1984), Keith Klene (*1987), geborener Hufski, und Mario Garcia Barrenada (*1988) als „Ruhrpott Prospects“. Daneben bildeten Dennis Kiebitz (*1981) und Mario Blütchen (*1986) ein Prospect-Gespann im Raum Braunschweig in Niedersachsen. Blütchen ist seit Mitte der 2000er Jahre als Teilnehmer von Aufmärschen bekannt und war Teil der extrem rechten Fanszene von Eintracht Braunschweig. Während seiner Zeit als Prospect war er u.a. gemeinsam mit Kiebitz an der Organisation eines NOM in Werlaburgdorf im Mai 2011 beteiligt. Über ein NOM im Dorfgemeinschaftshaus in Werlaburgdorf im Jahr 2013, das von Kiebitz und dem Chapter «Bremen» organisiert wurde, berichteten Antifaschist*innen damals recht detailliert. Seine Unterstützung sicherte Blütchen seinen „Brüdern“ auch im Vorfeld des Großkonzerts „Bonded by Blood“ zu, dass im Juli 2011 von deutschen und französischen Hammerskins in Frankreich ausgetragen wurde und am Ende bis zu 2500 Neonazis anzog. In der Zeit waren Kiebitz und Blütchen unzertrennlich.
Eine lang geplante Reise mit den Hammerskins um Stiewe zum US-amerikanischen „Hammerfest“ im Oktober 2012 in Boise (Idaho), sagte Blütchen jedoch einige Monate vorher ab. Seitdem trat er nicht mehr im Kontext der Hammerskins in Erscheinung und hatte es offensichtlich nicht über den Prospect-Status hinaus geschafft. Doch den Kontakt zu Dennis Kiebitz brach er in den folgenden Jahren nicht ab. Beide trainierten gemeinsam um 2013 im Gym «Luta Livre Braunschweig» und nahmen für das Team an Kampfsport-Turnieren teil. Bis 2016 war Blütchen mit Kiebitz unterwegs, der zu dem Zeitpunkt Mitglied der HSN war und daraus auch keinen Hehl macht. Ein 2016 veröffentlichtes Foto von einem Turnier zeigt Blütchen mit Kiebitz, der ein Basecap mit dem Kürzel „HFFH“ trägt. Bis 2019 war Blütchen als aktiver Kampfsportler feststellbar. Er wohnt mittlerweile in Braunschweig, während Kiebitz sich unweit in Schladen (Landkreis Wolfenbüttel) niedergelassen hat.
In der Region Cuxhaven wiederum existierte um das Jahr 2011 eine «Crew 38 Cuxhaven». Angehörige dieser Unterstützer-Gruppe durften an ausgewählten Veranstaltungen der Hammerskins teilnehmen, wie etwa an der 5-Jahresfeier des ungarischen Chapters im Mai 2011 in Sopron. Im selben Jahr im Juni reisten Mitglieder der «Crew 38 Cuxhaven» zusammen mit Sebastian Allwardt, Marc Gaitzsch und Andre Drescher zu einem Fußballturnier der «Hammerskins Berlin» nach Zühlsdorf bei Oranienburg.
Die «Crew 38»-Mitglieder Marc Andre Beckmann (*1985), Ron Felber (*1989) und Nils Johanns (*1988) aus Cuxhaven schafften es allerdings in den folgenden Jahren nicht als Fullmember ins Chapter «Bremen». Dabei war Marc Gaitzsch noch im Jahr 2011 voller Zuversicht und berichtete seinem Saarländer „Bruder“ Robert Kiefer im internen Hammerskin-Forum auf die Nachfrage, wie es um die „Nord Crew 38“ stehen würde: „Die Crew läuft und es finden sich immer mehr Interessenten.“ Nebenbei wies er noch darauf hin, dass Kiefer ihm kein Geld als Spende im Zuge einer Verurteilung überweisen sollte: „Bitte nichts überweisen, wenn dann aufn nächsten Treffen. Dieser Judenstaat muss nicht alles Wissen“.(sic!)
Anfang der 2010er Jahre zählte außerdem Benjamin Punthöler (*1988), heute wohnhaft im niedersächsischen Flöthe, zur «Crew 38» des Chapter «Bremen». Punthöler war der neonazistischen Gruppierung «Honour & Pride Niedersachsen» angeschlossen – aus der auch Dennis Kiebitz stammt – und von 2011 bis 2014 Betreiber des Labels und Versandes «Old Honour New Hatred Records». Im Zuge seiner Tätigkeiten im RechtsRock-Business verkaufte er auf Konzerten der Hammerskins auch Artikel von Hendrik Stiewes «Wewelsburg Records». Seine einzige Veröffentlichung auf «Old Honour New Hatred Records» war die CD „Norsemen“ der US-amerikanischen Band «Hammerhead». Sänger der Band war Jason Reeves, der heute den «Confederate Hammerskins» angehört.
Verwirrung gab es 2015 als Punthöler zu einem „Zeitzeugenvortrag“ im Raum Wernigerode (Sachsen-Anhalt) einlud. Auf einem Flyer befand sich schließlich eine Mailadresse, die mit dem Namen „GedenkenHSN“ bei einem Provider angelegt wurde. Antifaschist*innen vermuteten damals zu Recht – aufgrund Punthölers Nähe zu den Hammerskins – dass mit „HSN“ auf die «Hammerskin Nation» angespielt wurde. Tatsächlich war Punthöler aber nie Fullmember der „Nation“ und verwies damit vielmehr auf den Namen der Veranstaltungsreihe „Helden Sterben Nie“, unter dem auch dieser „Zeitzeugenvortrag“ im Oktober 2015 stattfinden sollte. Zuletzt versuchte sich Punthöler im Kampfsport-Geschehen, als er im April 2018 die Marke «Blutzoll» beim Deutschen Patent-und Markenamt eintragen ließ.
20-Jahresfeier der Bremer im Ruhrpott
Im Januar 2013 wurden die Prospects Stefan Held, Keith Klene, Mario Garcia Barrenada und Dennis Kiebitz auf einem EOM in Fürth-Erlenbach zu Vollmitgliedern des Chapter «Bremen» gepatcht. Kurze Zeit später wechselt zudem der Dortmunder Dennis Roskos (*1980) – der ebenfalls bei dem selben EOM zum Fullmember wurde – vom (schein)aufgelösten Chapter «Westmark» zu «Bremen». Fast schon wie ein formloser Verwaltungsakt erscheint die Anfrage von Roskos an die «Hammerskins Bremen» im März 2013: „hier meine offizielle anfrage,ob ich zu euch nach bremen wechseln kann. bitte frag doch mal die anderen member des gbremen-chapters, ob da was gegen spricht, oder ob ich bei euch willkommen bin. ich bin nämlich seit samstag chapterlos, da die westmark sich aufgelöst.hat.“ (sic!)
Partys und Konzerte organisierten die «Hammerskins Bremen» schon länger im Kernland ihrer Prospects – dem Ruhrpott. Schon ein Sommerfest am Wochenende des 14. Juli 2012, bei dem auch die NS-Hardcore-Band «Strongside» spielen sollte, fand dort statt, hunderte Kilometer von Bremen entfernt. Die Hammerskins aus Bremen um Gaitzsch waren dennoch vollständig vor Ort und halfen bei der Umsetzung. Auch die 20-Jahresfeier der «Hammerskins Bremen» fand am 15. Februar 2014 nicht im Raum Bremen, sondern in Essen-Steele statt. Geplant war diese bereits im eigentlichen „Jubiläumsjahr“ 2013, musste aber verschoben werden. Maßgeblich organisiert wurde die Feier von den Bochumer Hammerskins. Neben ihren deutschen „Brüdern“ reisten auch Hammerskin-Delegationen aus Frankreich, der Schweiz, Ungarn und Schweden an. Im Vorfeld erkundigte sich ein schwedischer Hammerskin, wie viele Member das Chapter «Bremen» umfasse: „we have ten patched Members, five old and five new“ weiß Marc Gaitzsch zu berichten.
Sechs von den Fullmembern – Stiewe, Held, Klene, Garcia Barrenada, Roskos und Kiebitz – wechselten 2014 in das neu gegründete Chapter «Westfalen». Auch wenn die Verbundenheit zum alten Chapter bei einigen bestehen blieb und zum Teil bis heute beide Chapter-Patches auf der Jacke getragen werden, wurde das Chapter «Westfalen» das neue Hauptbetätigungsfeld der Gruppe aus dem Ruhrpott. Das Chapter «Bremen» wiederum verlor ab Mitte der 2010er Jahre zunehmend an Bedeutung. Auch die Band «Hetzjagd» stellte um das Jahr 2013 ihre Aktivitäten ein. Noch im Herbst 2012 wurde Hendrik Stiewe angeklagt, weil sich auf dem 2008 von ihm veröffentlichten Album „Revolution“ von «Hetzjagd» ein Song befindet, der zu Hass und Gewalt aufstachelt. Im Lied „Abnormal“ singt Gaitzsch schließlich u.a.: „Es ist krank wenn sich Männer Kleidchen kaufen um damit öffentlich rumzulaufen, sie sollen doch alle an Aids verrecken, bevor sie weiter unsere Städte verdrecken.“
Aktuell scheint Gaitzsch wieder neue Songs produzieren zu wollen und schreibt dafür fleißig Texte. Ein Song trägt den Titel „Wo sind sie?“, in dem es heißt:
„Es wird Zeit das wir endlich etwas schaffen, das wir Nägel mit köpfen machen, Fegen wir die Scheiße endlich aus dem Land, stellen die Verantwortlichen an die Wand, sie sind nur Abschaum, Menschlicher Dreck, es gibt nur ein Mittel sie müssen weg.“ (sic!)
Stets bemüht
Seit vielen Jahren ist Nils Budig eine umtriebige Figur in der norddeutschen Neonazi-Szene. Der ursprünglich aus Schwanewede bei Bremen stammende Budig war bereits ab 2000 in der lokalen Kameradschaftsszene aktiv. Es folgten Aktivitäten bei den «Junge Nationaldemokraten» (heute «Junge Nationalisten», JN), NPD, „Autonome Nationalisten“ und Anti-Antifa – Budig war überall anzutreffen. Bis heute ist er bundesweit bei Aufmärschen zu finden und übernimmt dabei regelmäßig Tätigkeiten im OrdnerInnen-Dienst. Im Rahmen seiner Betätigungen entwickelte er zudem enge Kontakte in die Dortmunder Neonazi-Strukturen, über die er auch Anschluss in den Organisations-Kreis des neonazistischen Kampfsport-Formats «Kampf der Nibelungen» (KdN) fand.
Um 2012 biederte er sich zudem den Hammerskins an und trat bald als Angehöriger der «Crew 38» auf. 2013 übernahm Budig offiziell die Geschäfte von Stiewes «Wewelsburg Records». Dafür rief Budig die «Küsten Textil UG» ins Leben. Seit 2020 ist die Firma auch für die Hammerskin-Labels bzw. Vertriebe «Gjallarhorn Klangschmiede/Frontmusik» und «Front Records» verantwortlich, sowie seit 2021 für das «Rock Hate» Magazin. Hintergrund dürfte sein, dass die führenden deutschen Hammerskins Hendrik Stiewe und Malte Redeker sukzessive ihre Geldströme verschleiern wollten und dafür Strohmänner einsetzten. Durch die Anmeldung eines Reisegewerbes ist Budig, der seit 2020 in Reinsdorf bei Artern im Norden Thüringens lebt, auf zahlreichen Events der Neonazi-Szene mit Verkaufsständen anzutreffen – sowohl für «Wewelsburg Records», als auch für den «Kampf der Nibelungen».
Innerhalb der hierarchischen Struktur der «Hammerskin Nation» ging es für Budig hingegen auf und ab. Am 2. Oktober 2015 reisten Hammerskins aus ganz Europa zu der Beerdigung ihres „Bruders“ und wenig später enttarnten V-Manns Roland Sokol nach Karlsruhe. Unter ihnen auch eine Delegation des Chapter «Bremen» um Marc Gaitzsch, Sebastian Allwardt, Dirk Kliewe-Kregelin und Nils Budig. Letzterer präsentierte an diesem Tag seinen Prospect-Patch auf der Bomberjacke. Ein paar Jahre später schaffte es Budig sogar zum Fullmember, doch aufgrund eines Fehlverhaltens – er soll eine Liebschaft mit der Partnerin eines „Bruders“ angefangen haben – verlor er seinen Patch wieder, wurde degradiert und darf heute „nur noch“ als Angehöriger der «Crew 38» auftreten.
Aufbauhilfe Niederlande
Nachdem sich Mitte der 2000er Jahre die «Hammerskins Nederland» aufgelöst hatten, waren über viele Jahre keine Aktivitäten der HSN in den Niederlanden zu verzeichnen. Unter maßgeblicher Unterstützung des Chapter «Bremen» wurden jedoch ab ca. 2013 neue Strukturen aufgebaut. Als Bindeglied nahm dabei Nils Budig eine wichtige Rolle ein, da er zu dieser Zeit in der ostfriesischen Gemeinde Jemgum (Landkreis Leer) im Grenzgebiet zu den Niederlanden wohnte. Eine der ersten Aktivitäten der «Crew 38 Nederland» war ein Balladenabend im Raum Winschoten (Niederlande) am 19. Januar 2013. Gaitzsch, Kiebitz, Drescher und Kliewe-Kregelin hatten ihr Kommen zugesagt. Aufgrund der räumlichen Nähe könne man bei Budig übernachten, hieß es außerdem in einer internen Kommunikation dazu.
Wichtige Impulse zur Wiederbelebung der niederländischen Hammerskins gingen vor allem von der «Kammeraadschap Noord Nederland» (KNN) aus. Als die KNN am 23. Mai 2015 ein Konzert mit den beiden deutschen Liedermachern «Oiram» und «Fylgien» organisierte, hing sogar das Banner der «Hammerskins Bremen» auf der Bühne. Auch bei weiteren aus dem Kreise der «Crew 38/KNN» durchgeführten Liederabende war das Chapter «Bremen» regelmäßig zu Gast. Neben der KNN galt insbesondere die NS-Hardcore-Band «Blindfolded» als Aushängeschild der «Crew 38» in den Niederlanden, bzw. deren Bandmitglieder Marcel Flink, Peter Adriaan van der Wal und Harm-Jan Smit, die den Neuaufbau der niederländischen Hammerskin-Strukturen maßgeblich vorantrieben. Harm-Jan Smit, der in Bunde nur knapp 14 Kilometer entfernt von Budig lebte, reiste noch im März 2017 gemeinsam mit Gaitzsch und Kliewe-Kregelin zur 20-Jahresfeier der «Hammerskins Pommern» nach Salchow. 2020 wurde Smit – der auch als Liedermacher «Flatlander» bekannt ist – sowie eine Handvoll weiterer Niederländer, zum Fullmember der HSN. Auch wenn das Chapter «Bremen» lange Zeit die Hand über die niederländischen Anwärter gehalten hat, ist davon auszugehen, dass die heutigen Fullmember um Smit ein eigenständiges Chapter eröffnet haben.
Zwischen Kegelabend und Razzia
Während das Chapter «Bremen» bis ca. 2015 im internationalen Kontext der HSN sehr präsent war und etwa regelmäßig NOMs ausrichtete, ist in den letzten Jahren wenig an Aktivität zu vernehmen. Beim NOM im Januar 2019 war Andre Drescher bezeichnenderweise der einzige Vertreter der «Hammerskins Bremen», wohingegen das Chapter «Westfalen» überrepräsentiert war. Beim „Hammerfest“ im November 2019 in Frankreich konnte gar niemand ausgemacht werden und auch die Flagge des Chapter «Bremen» suchte man bei dieser zentralen Veranstaltung der Bruderschaft vergebens.
Das Chapter, welches heute auf die vier verbliebenen Kernmitglieder Gaitzsch, Allwardt, Drescher und Kliewe-Kregelin geschrumpft ist, ist seit langem auch innerhalb der Neonazi-Szene in Bremen weitestgehend isoliert – sie gelten szeneintern als arrogant. Schon 2012 konnte wahrgenommen werden, wie die «Hammerskins Bremen» andere Kameraden einzuordnen wissen. Damals tauschten sich die „Brüder“ intern darüber aus, wie es um die Anreise deutscher Neonazis zum Hammerfest 2012 nach Toul (Frankreich) steht. Man habe gehört, dass aus dem Spektrum der Band «Endlöser» ein Reisebus angemietet worden sei. Dazu äußerte sich auch Sebastian Allwardt in einer Kommunikation mit einem seiner „Brüder“: „(…) so glaubwürdig Lolli ist, kann man damit jawohl eh nicht rechnen… Ausserdem hat man ja bei der Spackenveranstaltung (Endlöser/StrafmaSS Fete) gesehen, was da dann wohl für Mongos mitfahren würden…“ (sic!).
Bei der „Spackenveranstaltung“ handelte es sich um ein Konzert am 19. Juni 2012 in Schwanewede (Landkreis Osterholz), dass unter dem Motto „5 Jahre Strafmaß und 18 Jahre Endlöser“ ausgetragen wurde. Im Vorfeld dieses Konzerts gab es bereits einen größeren Konflikt zwischen Andreas Lohei und seinen ehemaligen „Brüdern“, weil dieser weiterhin unautorisiert Symbole der HSN verwendete. Ursprünglich hatte das Chapter «Bremen» geplant, geschlossen zu dem Konzert anzureisen und Lohei dort vor allen Anwesenden eine Ansage zu machen.
2004 beschrieb Malte Redeker einem User im «HatecoreTK»-Forum einige der Grundprinzipien der HSN. Dabei ging er auch auf die unterschiedlichen Ausrichtungen der Chapter ein: „es gibt chapter, welche politisch sehr aktiv sind (westsachsen, pommern, westmark, etc) und andere, welche die bruderschaft in den vordergrund stellen und sich weniger politisch einbringen. trotzdem eint uns alle die idee des ns.“ (sic!)
Überträgt man diese Aussage auf das Wirken der «Hammerskins Bremen» der letzten zehn Jahre und wirft einen Blick auf das Innenleben des Chapters, scheint dort die „Bruderschaft in den Vordergrund“ gerückt zu sein. Auf den ersten Blick wirkt der Zusammenhang wie ein bürgerlich-spießiger Verein: Weihnachtfeiern, ein traditioneller Kegelabend jährlich im Dezember und der regelmäßige Besuch des Bremer Volksfestes „Freimarkt“ gehören zum Repertoire. Auch die Feier anlässlich des 40. Geburtstag von Marc Gaitzsch am Wochenende des 21. Dezember 2014 fand unter konspirativen Umständen im Kreis der „Brüder“ statt. Bis zu 50 Hammerskins unterschiedlicher deutscher Chapter, samt engen Umfeld waren damals erschienen. Angemietet hatte Gaitzsch das Ferienhaus bei Schwanewede unter dem Vorwand, eine harmlose Geburtstagsfeier ausrichten zu wollen, zu der außerdem „Verwandtschaft von weiter her“ kommen würde.
Die Partys und Anlässe, die sich meist um den eigenen Kosmos drehen und „keine Außenwirkung entfalten“ – wie der Geheimdienst in seinen Einschätzungen zur HSN zu berichten weiß – sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die «Hammerskins Bremen» international bestens vernetzte und hoch-ideologisierte Neonazis sind. So ist es eben auch kein Widerspruch, dass sich in der internen Kommunikation nicht nur Diskussionen zu Belanglosigkeiten wie Geburtstagsgeschenken und anstehenden Partys finden lassen, sondern auch ein Hinweis auf das „USA-Ding“. Über dieses soll man nur „unter vier oder mehr Augen“ sprechen und auf keinen Fall über Mail oder am Telefon. Gemeint war das Attentat des Hammerskins Wade Michael Page in den USA im Sommer 2012, bei dem zahlreiche Menschen starben.
Die «Hammerskins Bremen» bestehen seit fast 30 Jahren und haben über eine lange Zeit maßgeblich die Ausrichtung der HSN in Deutschland geprägt. Zudem führten sie in den letzten Jahren neue Mitglieder aus den Niederlanden an die Struktur der Bruderschaft heran. Trotz, dass sie heute in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar sind, gerieten die „Brüder“ im Oktober 2020 doch in die Medien. Aufgrund von Ermittlungen gegen vier Männer in der Stadt bzw. im Landkreis Cuxhaven, war es zu Hausdurchsuchungen gekommen. Vorgeworfen wird ihnen in der Öffentlichkeit verfassungswidrige Kennzeichen genutzt, sowie strafrechtlich relevante Musik und Bekleidung verbreitet zu haben. In einer Pressemitteilung ließ die Polizei weiterhin verkünden, dass die Verdächtigen zwischen Mitte 20 und Mitte 40 Jahre alt seien. Ihnen werden zum Teil bundesweite und internationale Kontakte zur extrem rechten Musik-Szene nachgesagt. Auch in die „Hammerskin-Szene“ und zu „Onepercenter-Motorradclubs“ gäbe es Verbindungen, so die Polizei. Als bei einer Pressekonferenz das beschlagnahmte Material präsentiert wurde, war dort nicht nur eine Reihe von legalen und illegalen RechtsRock-CD’s zu finden, sondern auch Merchandise-Artikel der Hammerskins sowie eine Bomberjacke mit dem Abzeichen des Chapter «Bremen». Diese gehört zu Dirk Kliewe-Kregelin. Die anderen drei Personen, gegen die ermittelt wird sind laut Polizei Mitglieder eines Motorradclubs in Schiffdorf. Tatsächlich ist Marc Andre Beckmann seit 2019 Vollmitglied des «Freeway Rider‘s MC Wesermünde», die ein Clubhaus in Schifferdorf unterhalten. Der ehemals zur «Crew 38 Cuxhaven» gehörende Beckmann fiel schon um 2007 wegen der Verbreitung und Vervielfachung strafbarer RechtsRock-Produktionen in den Fokus der Ermittler*innen.
Die Grenzgänger – «Hammerskins Bayern»
Die 1998 gegründeten «Hammerskins Bayern» (HSB) sind im bundesweiten Vergleich keine besonders auffällige Gruppe. Bei Aufmrschen, auf denen sich Hammerskins in Blöcken formieren – wie auf den „Rudolf-Hess-Märschen“ der letzten Jahre in Berlin oder beim „Tag der Ehre“ in Budapest – sind seit Jahren höchstens einzelne Mitglieder der HSB sichtbar.
Auch haben die «Hammerskins Bayern» keine Treffpunkte mit bundesweiter Strahlkraft und sie verfügen über keine bedeutenden Bands und Labels. Trotz dessen stellen sie eine Struktur, die fest in der bayerischen Neonaziszene etabliert ist. Konzerte, die die HSB organisieren, finden selten unter dem Label der Hammerskins statt und wurden in der Vergangenheit mitunter fälschlich dem «Blood & Honour»-Netzwerk zugeschrieben. Verbindungen zur NPD und zur Fußballszene waren bereits in der Vergangenheit bemerkbar. Zu dem Chapter «Bayern» zählen auch einzelne Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und in Österreich.
Die Anfänge der Hammerskins in Bayern
Die Geschichte der Hammerskins in Bayern begann Mitte der 1990er Jahre. Der Neonazi Thomas Pavenzinger (*1977), genannt „Unze“, aus Unterdietfurt im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn wollte unbedingt ein Hammerskin werden und ein Chapter «Bayern» gründen. Die «Hammerskins Berlin», die damals die Bundesführung inne hatten, verweigerten ihm jedoch die Erlaubnis zur Chapter-Gründung. Wohl auch aus dem Grund, weil Pavenzinger zu diesem Zeitpunkt erst 18 Jahre alt war.
So fand Pavenzinger zunächst beim nächstgelegenen deutschen Chapter Anschluss, dass mehrere Autostunden in Sachsen entfernt lag. Um 1997 gehörte er dem Chapter «Sachsen» als Fullmember an. Der Neonazi aus Niederbayern war überaus aktiv, unter anderem gab er von 1997 bis 1999 das Hammerskin-Magazin «Victory or Valhalla» heraus und betreute auf Neonazi-Konzerten den Verkaufsstand von «Hate Records» – das Label des damaligen Chefs der «Hammerskins Sachsen», Mirko Hesse. Innerhalb seines Wohnumfeldes war Pavenzinger der «Kameradschaft Rottal-Inn» angebunden. Als er schließlich 1998 doch die Erlaubnis zur Gründung eines eigenen Ablegers erhielt, wurden aus elf Personen eben jener Kameradschaft die «Hammerskins Bayern». Die Gründungsmitglieder des Chapters waren Thomas E. aus Burghausen, Jan E. aus Malching, Carsten Ginzel aus Mamming, Michael Günssel aus Burghausen, Peter Hannawald aus Falkenberg, Erich Kaiser aus Tann, Helmut Lübtow aus Dingolfing, Ludwig N. aus Arnstorf, Manuel R. aus Trostberg, Tobias Z. aus Egglham-Amsham und eben Thomas Pavenzinger (Wohnorte zum Zeitpunkt der Chapter-Gründung). Thomas E., Jan E., Ludwig N., Manuel R. und Tobias Z. können seit vielen Jahren nicht mehr als Neonazis ausgemacht werden.
Pavenzinger war von 1998 bis 1999 beim «Patria Versand» mit Sitz in Landshut angestellt. Der Versand bestand bis ins Jahr 2012 und war in den 1990er Jahren einer der ersten professionell betriebenen, wenn auch nicht populären Neonaziversände. Der Inhaber des Versandes, Franz Glasauer, ehemaliges Mitglied der Partei «Die Republikaner«, wechselte zur «Deutschen Liga für Volk und Heimat» und von dort aus zur NPD. Von seinem Arbeitsplatz beim «Patria Versand» aus erledigte Pavenzinger die Kommunikation und seine Geschäfte für bzw. mit den Hammerskins.
Aus der Zeit bei den «Hammerskins Sachsen» hatte Pavenzinger ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung am Laufen, was ihm bis 2002 mehrere Hausdurchsuchungen einbrachte. Mit dieser Situation zeigte er sich offenkundig überfordert. So plapperte er bei einer Hausdurchsuchung in seiner Wohnung munter drauflos, bis ein Polizist ihm den Rat gab, seine Aussagen doch mit einem Anwalt abzusprechen. Bei einer Durchsuchung im Jahr 2002 fand die Polizei auf seinem Computer Material, das sexualisierte Gewalt an Kindern zeigte.
Laut einer Aussage des ostsächsischen Hammerskins Mirko Hesse schied Pavenzinger schon im November 1999 aus der Bruderschaft aus. Mitte der 2000er Jahre betrieb er für einige Zeit eine Kneipe namens «BurnOut» in Eggenfelden und gab sich weiterhin als rechts zu erkennen. Dass er Mitte der 2010er Jahre eine Thailänderin heiratete und mit ihr ein gemeinsames Kind bekam steht dazu nicht im Widerspruch. Bis heute sind Fotos auf seiner Facebook-Seite zu sehen, die mit schwarz-weiß-roten Reichsfarben illustriert sind oder ihn in Klamotten von «Thor Steinar» zeigen. Mit Erich Kaiser und dem Hammerskin Franz Majer ist er derzeit über einen Kreis von Fans des Fußballvereins TSV 1860 München freundschaftlich verbunden. Pavenzinger und seine Partnerin betreiben heute auf YouTube eine Kochshow.
Der Kreis der «Hammerskins Bayern» war in ihren frühen Jahren nicht auf die Gruppe in Niederbayern beschränkt. Schon 1999 waren drei Neonazis aus Mittelfranken – Ingo Leidenberger, Stefan S. und Detlef Hartlehnert – Prospects bei den HSB, gründeten jedoch im Jahr 2000 ihr eigenes Chapter «Franken» und schieden somit bei den HSB aus. Im Jahr 2000 zog der US-amerikanische Staatsbürger Craig Carlson (*1974) von Sachsen-Anhalt nach Vaterstetten bei München. Er war in Sachsen-Anhalt polizeilich als Mitglied der Hammerskins erfasst, gut vernetzt und offenbar ein Freund des Berliner Neonazis Alexander Bahls. Nach vorliegenden Informationen traf er sich 2005 auf Vermittlung von Bahls in Berlin zu Gesprächen mit den «Vandalen» und ihrem Anführer Michael Regener („Lunikoff“). Was dabei besprochen wurde ist nicht bekannt.
2001 wurde Robert Proksch (*1973), genannt „Porky“, als Prospect bei den «Hammerskins Bayern» aufgenommen. Er wohnte zu dieser Zeit bei Augsburg und zog einige Jahre später nach München. Heute lebt er in Grafing bei München. Seit 2001 nahm Proksch an etlichen Treffen und Reisen der Hammerskins teil. Seine letzte bekannte Aktivität im Zusammenhang mit der Bruderschaft ist die Teilnahme am „Wintercamp“ der HSB im März 2017.
Zum Kreis der Hammerskins zählt auch Diana Proksch (*1980). Sie ist in den späten 1990er Jahren (damals unter ihrem vorehelichen Namen Diana Rahlf) im niedersächsischen Tostedt als Neonazistin bekannt gewesen. 2005 wohnte sie in München, bereiste Hammerskin-Konzerte und heiratete Robert Proksch. 2007 trafen sich im unterfränkischen Spessart Mitglieder und Prospects der Chapter «Franken», «Bayern» und «Sachsen» mit Angehörigen von «Blood & Honour»-Nachfolgeorganisationen. Was auf diesem Treffen verhandelt bzw. besprochen wurde ist nicht bekannt, Diana Proksch wurde jedoch als Teilnehmerin benannt. Diana und Robert Proksch halten sich heute in sozialen Netzwerken mit neonazistischen Verlautbarungen zurück, aus gutem Grund: Robert Proksch ist Inhaber der „Fahrschule Schwarz“ in München.
Die «Hammerskins Bayern» in den 2000er Jahren
Den Führungskreis der HSB um das Jahr 2003 bildeten Michael Günssel, Helmut Lübtow, Erich Kaiser und Christian Holl. Peter Hannawald, der nach dem Ausscheiden von Pavenzinger von der Polizei als „informeller Führer“ der HSB angesehen wurde, hatte im Jahr 2002 seinen Patch abgegeben. Christian Holl (*1972), genannt „Gigi“, aus Kastl (Landkreis Altötting) wurde in den 1990er Jahren auf neonazistischen Konzerten festgestellt, unter anderem 1998 auf einer Hammerskin-Party im 750 km entfernten Lüneburg. Als in den Folgejahren auch Günssel ausschied, bestand die Führung der «Hammerskins Bayern» nunmehr aus Holl, Kaiser und Lübtow.
In der öffentlichen Wahrnehmung tauchte das Chapter «Bayern» praktisch niemals auf. Doch es war und ist durchaus aktiv. Immer wieder trafen sich die Hammerskins zu NOMs und EOMs in Bayern. Zudem wurden etliche Neonazi-Konzerte, die in den vergangenen Jahren in Bayern stattfanden, von Hammerskins organisiert – meist ohne die Nennung ihrer Struktur oder die Verwendung des Logos. Vor allem Kaiser und Lübtow veranstalteten ab 2003 Konzerte in einem ehemaligen Gasthaus in Mitterskirchen (Landkreis Rottal-Inn), die entweder als NPD-Veranstaltungen angemeldet und gelabelt waren oder als einfaches „Konzert“ stattfanden. Die Auswahl der Bands wies jedoch deutlich darauf hin, wer das Konzert organisierte. So reiste am 10. Mai 2003 die Hammerskin-Band «Endlöser» aus Bremen und die dem Netzwerk eng verbundene Band «Legion of Thor» aus Berlin quer durch die Republik, um zehn Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt vor 200 Personen aufzutreten.
Am 23. Juli 2005 organisierten die Hammerskins in Mitterskirchen ein als NPD-Wahlkampfveranstaltung angemeldetes Konzert mit über 300 BesucherInnen. Ein weiteres Konzert am selben Ort fand am 22. Oktober 2005 mit knapp 500 BesucherInnen statt und wurde zu einem medialen Aufreger. Antifaschist*innen und ein Fernsehbericht machten nach dem Konzert öffentlich, dass dort strafrechtlich relevante Lieder dargeboten und Symbole des in Deutschland verbotenen Netzwerks «Blood & Honour» gezeigt worden waren. Die Polizei war mit einem großen Aufgebot vor Ort, schritt jedoch nicht ein. In einem Konzert-Bericht aus der Szene hieß es:
„zwischenzeitlich kam es leider wieder zu einem kleinen Aufruhr wo ein Vertreter von B&H-Vorarlberg sich das Mikro schnappte und wohl mit aller Macht versuchte die Veranstaltung vorzeitig aufzulösen, denn mit Sprüchen bzw. Gröhleinlagen wie „Eine U-Bahn bauen wir……….“ werden nicht nur die Bereitstehenden Polizeibeamten drausen sondern auch die anwesenden Staatsschützer aufmerksam… Fragt sich nur ob es eine gezielte Provokation oder einfach nur Dummheit war. Lassen wir es dahingestellt. Jedenfalls wurde dieser Herr dann nach draussen gebracht wo es dann wohl auch noch zu einer Handgreiflichkeit mit genannter/n Person/en kam. Hab ich leider nicht genau mitbekommen, aber es standen wieder die Jungs mit den Lederwesten und B&H-Vorarlberg-Aufnähern im Mittelpunkt des Geschehens.“ (sic!)
Aufgrund der Geschehnisse ging dieses Konzert fälschlicherweise als ein «Blood & Honour»-Konzert in die Annalen ein, dabei wurde die Veranstaltung von Hammerskins organisiert. Erich Kaiser meldete die Veranstaltung als eine der «NPD Eggenfelden» an – diese hatte nicht einmal dafür geworben. Der eigentliche Organisator des Konzerts, Norman Bordin (*1976), gründete 2001 in München die neonazistische «Kameradschaft Süd», deren Leitung er 2002 an Martin Wiese abgab – da er selbst für seine Beteiligung an einem rassistischen Übergriff zu einer 15-monatigen Haftstrafe verurteilt war. Auch Bordin stand den Hammerskins sehr nahe: Schon 2002 hielt er Briefkontakt zu dem inhaftierten sächsischen Hammerskin-Chef Mirko Hesse. Um 2005 führte er die Münchner Gruppe «Straight Hate« an, die sich explizit als eine Supportgruppe der «Hammerskins Bayern» verstand. Zugleich war er zweiter Vorsitzender des NPD-Kreisverbands Oberbayern.
Eine weitere Gruppe, die zwar kein erklärter Supporter der Hammerskins, mit diesen aber verbandelt war, bildete sich Mitte der 2000er Jahre im Raum Augsburg. Um den Tätowierer Benjamin Blümel (*1982) bestand ein harter Kern von ca. zehn Neonazis, die sich «Hatecrew Schwaben» nannten. Die Gruppe war überaus militant und kriminell. Bilder aus dieser Zeit zeigen Blümel mit anderen deutschen Neonazis auf Reisen in verschiedenen Ländern, unter anderem auf Hammerskin-Veranstaltungen in den USA und in Italien. Auf Fotos, die während dieser Reisen aufgenommen wurden, ist Blümel bei Schießtrainings mit Gewehren zu sehen. Die Polizei ermittelte gegen die «Hatecrew Schwaben», da diese im großen Stil mit illegalen Tonträgern handelte. Nach einer Razzia im Jahr 2009 und der Anklage gegen zwei Mitglieder löste sich die Gruppe auf.
Am 26. Mai 2007 reisten zu einem EOM mit anschließendem Konzert vier Vertreter der HSB nach Kirchheim an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz): Holl, Kaiser, Thomas Irion sowie Franz Majer (*1974) aus Reisbach in Niederbayern. Majer ist seit Anfang der 2000er Jahre als Neonazi bekannt. 2015 zeigte er sich auf der Beerdigung von Roland Sokol mit Fullmember-Patch. Wahrscheinlich wurde er viel früher, möglicherweise bereits in den 2000er Jahren, als Vollmitglied aufgenommen. Majer und Erich Kaiser gehören demselben Fankreis des Fußballclubs TSV 1860 München an. Majer bemühte sich in den vergangenen Jahren, innerhalb sozialer Netzwerke als „ganz normaler Fußballfan“ und Familienvater in Erscheinung zu treten.
Auch sein „Bruder“ Thomas Irion (*1978) nahm an dieser Beerdigung in voller Montur teil. 2005 zog er aus Nagold im Schwarzwald nach Neufahrn (bei München) und von dort aus weiter nach München. Er bereist seit Jahren Hammerskin-Treffen in ganz Deutschland, Italien und in den USA. Er besucht zudem Hardcore-Konzerte in „unpolitischen“ Läden und ist in die Tattoo-Szene integriert. Irion nimmt an Tattoo-Conventions teil und wird vom etablierten Münchner Tattoo-Studio „Corpsepainter“ als Model geführt. Mit seiner Tätowierung eines gekrönten Totenkopfes die seinen Oberkörper überspannt, ist er im „Tätowierer Jahrbuch 2017-2018“ abgebildet. Thomas Irion ist Diplom-Ingenieur und bei der Münchner Firma „csi entwicklungstechnik GmbH“ als Projektleiter angestellt.
Die «Hammerskins Bayern» in den 2010er Jahren
Seit mindestens 2011 veranstaltet das Chapter «Bayern» ein alljährliches „Wintercamp“. Ab spätestens 2017 findet es stets im März in der Selbstversorgerhütte «Heinzergut» in Mühlbach am Hochkönig in Österreich, 30 Kilometer südlich von Berchtesgaden, statt. An dem „Wintercamp“ nahmen bisher nicht nur Mitglieder der HSB, sondern auch Hammerskins aus anderen deutschen Chaptern, darunter «Pommern», «Franken» und «Württemberg» teil.
Das Camp fiel 2021 wegen des in Österreich geltenden Corona bedingten Beherbergungsverbots aus. In den vergangenen Jahren mietete Erich Kaiser die Hütte an, aktuell übernimmt der Österreicher Alexander Werni diese Aufgabe. Alexander Werni (*1983) war 2010 Prospect und wurde 2012 schließlich Fullmember bei den «Hammerskins Bayern». Er wohnt in Gundertshausen bei Braunau am Inn und macht in sozialen Netzwerken keinen Hehl aus seiner Zugehörigkeit zur Bruderschaft und seiner neonazistischen Gesinnung – was an seinen präsentierten Tätowierungen ersichtlich wird. Dennoch ist er seit Jahren als Fußball-Jugendtrainer beim Sportverein Mining/Mühlheim in Oberösterreich aktiv. Werni arbeitet seit vielen Jahren in der Firma „Galvanotechnik Lenhard“ in Weng in Österreich.
Im Jahr 2011 kamen zwei weitere Prospects zu den HSB: Maximilian Reichel (*1981) und Stefan Birnböck (*1977), genannt „Stöpsel“, kamen aus einer Kameradschaftsstruktur in Unterschleißheim und Eching nördlich von München. Teil dieser Gruppe war auch Karl-Heinz Statzberger, der neben Martin Wiese Hauptangeklagter im Prozess gegen die «Kameradschaft Süd» wegen des geplanten Sprengstoffanschlags auf die Veranstaltung zur Grundsteinlegung des Jüdischen Kulturzentrums in München 2003 war. Auf dem Bauch Stefan Birnböcks prangt in großen Lettern die Tätowierung „Jew Slaughter“ („Judenschlächter“). Birnböck arbeitete in der Vergangenheit unter anderem als Tätowierer in Zwiesel (Bayerischer Wald).
2010 und 2011 schieden wiederum Raimund Lindner aus Helpfau-Uttendorf (Oberösterreich) und Helmut Lübtow im „Good Standing“ aus. Maximilian Reichel starb 2013 an den Folgen eines Motorradunfalls. Zu seiner Beerdigung am 23. Juli 2013 schreibt das antifaschistische Archiv A.I.D.A:
„Zu Trauerfeier und Beerdigung auf dem Echinger Südfriedhof erscheinen mehrere Dutzend neonazistische Skinheads in z. T. martialischer Aufmachung, fast alle sind stark tätowiert. Die ‚Hammerskins‘ und Sympathisant_innen sind aus der Schweiz, aus Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen, Brandenburg, Thüringen und Bayern (u. a. aus Berchtesgaden, Pfaffenhofen, Fürstenfeldbruck, Augsburg und dem Raum Main-Spessart) angereist. Ihre Autokennzeichen bestehen z. T. aus einschlägigen Neonazi-Zahlencodes, ein Kleinbus aus Eisenach ist mit einem riesigen Reichsadler beklebt. Einige von ihnen sind auf dem Weg zu einem europaweiten ‚Hammerskin‘-Konzert, das am Abend im Elsass stattfinden soll. Von Seiten der Polizei ist niemand in Eching vor Ort.„
Auch der Münchner Neonazi Martin Wiese folgte dem Sarg auf Reichels Beerdigung. Vor ihm lief der hessische Hammerskin Daniel Orlewicz, hinter ihm der „European Secretary“ der Hammerskins, Malte Redeker. Wiese war als Haupttäter des bereits erwähnten geplanten Bombenanschlags 2003 in München zu sieben Jahren Haft verurteilt und 2010 aus dem Gefängnis entlassen worden. Im September 2013 wurde er vom Landgericht Würzburg zu einer erneuten Haftstrafe verurteilt, unter anderem weil er Journalist*innen mit einem „Todesurteil“ durch den „Volksgerichtshof“ gedroht hatte.
Nach seinem Tod wird Maximilian Reichel vielfach auf Shirts, Patches und CDs gedacht. 2015 wurde „In Gedenken an Hammer Max“ eine Benefit-CD produziert, auf der bekannte Bands aus der ganzen Welt vertreten sind, die dem Netzwerk der Hammerskins angehören. Die Einnahmen dienen vermutlich zur Unterstützung seiner ehemaligen Ehefrau Sandra Reichel, geborene Stimpfl, die nach wie vor den Hammerskins eng verbunden ist. Ein Gedenkshirt für Maximilian Reichel trug auch Karl-Heinz Statzberger, als dieser am 3. September 2013 Teilnehmende einer antirassistischen Demonstration in München provozierte.
Seit spätestens 2013 ist Manuel Winkler (*1981) aus dem oberbayerischen Ampfing im engeren Kreis der Hammerskins zu finden. Bereits 2013 nahm er an einem NOM in Niedersachsen teil, trug jedoch noch 2019 das Prospect-Patch. Mittlerweile dürfte er Vollmitglied sein. Auch Winkler bewegt sich auf „unpolitischen“ Hardcore-Konzerten. Auf dem Konzert der Band «Hatebreed» im Münchner Kulturzentrum «Backstage» am 29. Juli 2019 traf er sich unter anderem mit Thomas Irion und Gaël Renevey, einem Hammerskin aus der Schweiz. Ein Foto aus dem Jahr 2015 zeigt ihn zudem als Security-Mitarbeiter im «Baby Lounge Club» in Eggenfelden. Neben ihm als Security steht Dawid Machaczek, ein Aktivist der im Januar 2020 vom Bundesinnenministerium verbotenen Gruppe «Combat 18 Deutschland».
Im Jahr 2014 gab Christian Holl im „Good Standing“ sein Mitgliedspatch ab. Dem Karlsruher Hammerskin Roland Sokol hatte er 2013 in einer internen Kommunikation mitgeteilt:
„Hab jetzt ein neues und für mich sehr geiles Hobby, es geht Sportschiessen. Hab auch schon die Waffen Sachkundeprüfung bestanden. Das macht mir riesen Spaß und wollte das schon immer. Ist nur schwer als HS das zu machen. Wegen Bewaffnung der Szene usw usf. Verstehst Du das? Schieße da ja alle Arten von Waffen und Kaliber.“ (sic!)
Neben Werni und Irion war Erich Kaiser (*1970) in den vergangenen Jahren die zentrale Figur der HSB. Der Chemiefacharbeiter wohnt in Simbach, dem Nachbarort von Braunau auf der deutschen Seite der Donau. Er betreute die „Deutschlandkasse“ der bundesweiten Hammerskin-Struktur. Die Liste seiner Teilnahmen an Events der Bruderschaft ist lang und führt unter anderem nach Italien und in die USA. Kaiser ist langjähriger Aktivist der NPD und eine führende Person des Fanclubs «Grenzstadt Löwen» des TSV 1860 München. 2018 trat Kaiser für die Szene überraschend im „Good Standing“ aus der «Hammerskin Nation» (HSN) aus. Schon wenige Monate später ließ er sich seine tätowierten Hammerskin-Symbole, mindestens vier an der Zahl, überstechen. Doch der rechten Szene gehört er heute noch an.
Bis heute Mitglied im Chapter «Bayern» ist seit mehreren Jahren zudem Hans-Jörg Felber, genannt „Hase“. Er wohnt in Weinfelden im schweizerischen Kanton Thurgau und leitet im nahen Märstetten ein Unternehmen für Gartenunterhalt und Holzskulpturen. Felber ist seit Ende der 1990er Jahre Mitglied der HSN und war bis zu seinem Wechsel zum Chapter «Bayern» an das der Schweizer angebunden. Wann und warum er zu den «Hammerskins Bayern» wechselte ist nicht klar. Felber ist das einzige derzeit bekannter HSB-Mitglieder, welches in den vergangenen Jahren auf den Neonaziaufmärschen zum „Tag der Ehre“ in Ungarn festgestellt werden konnte.
Er ist Musiker in der Hammerskin-Band «Vargr I Veum» und in der sich unpolitisch gebenden Rockband «Rabbit and the Rebels», die im Wesentlichen populäre Rocksongs covert. «Rabbit and the Rebels» scheinen so etwas wie die „Hausband“ des «Redneck Club 66» in Herisau bei St. Gallen zu sein. Der Club wirbt mit der Südstaaten-Fahne und bietet seinen Gästen „Oldies – Rock’n’Roll – Country – Elvis“. Bei einem Auftritt einer von Felbers Coverbands anlässlich der Feier zum 50. Geburtstag des Clubbetreibers waren weitere Neonazis im Publikum – darunter Timm Ludwig vom norddeutschen Chapter «Pommern», gekleidet in einer Jacke mit der Aufschrift „Hammerskins“ und den „Crossed Hammers“.
Auf dem NOM in Lohr im Spessart, Februar 2019, war Alexander Werni offensichtlich der einzige Delegierte, den das Chapter «Bayern» entsandte. Er reiste alleine an. Auf dem am 19. Oktober 2019 stattfindenden „Joe Rowan Memorial“-Konzert in Kirchheim (Thüringen) erschienen Werni, Felber, Birnböck und Irion, allesamt in Fullmember-Kluft. An einem NOM in Brandenburg am 23. November 2019 nahmen Werni, Winkler und Felber teil. Und im Januar 2020 besuchten Winkler, Werni und Irion ihren „Bruder“ Felber in der Schweiz. Fotos des Ausflugs legen nahe, dass die Hammerskins in dem Rahmen auch einen Schießstand besuchten.
Enge Anbindung
Wie bei anderen Chaptern auch erschließt sich bei der Betrachtung der «Hammerskins Bayern» nicht immer, wer dem Chapter fest zugehört(e) oder doch nur eine Weile als Supporter, Hangaround oder «Crew 38»-Mitglied den Hammerskins verbunden war. So waren es in den vergangenen Jahren einzelne Neonazis aus der Münchner und Passauer Szene, die über Kommentare und Symbole in den sozialen Netzwerken ihre Nähe zur Bruderschaft zeigten und in einzelnen Fällen offensichtlich auch am „Wintercamp“ der HSB teilnahmen – wie beispielsweise 2014 ein Passauer Kampfsportler, der auf Facebook nur unter dem Namen „Rene Ecker“ auftritt. Dies sind keine klaren Hinweise auf eine Vollmitgliedschaft, zumal die betreffenden Personen weder auf NOMs festgestellt werden konnten, noch anderweitig im Kontext der Bruderschaft auftraten.
Eine äußerst aktive Neonazistin im Kreis der Hammerskins ist heute Beatrix Kertèsz aus Ingolstadt. Die gebürtige Ungarin, die von Brandenburg nach Bayern zog, ist seit Jahren auf Neonazitreffen in ganz Europa – organisiert von «Blood & Honour», Hammerskins und anderen VeranstalterInnen – feststellbar. In den vergangenen Jahren fiel ihre zunehmende Nähe zu den Hammerskins auf, beispielsweise bei Konzerten der Bruderschaft in Thüringen 2018 und 2019 oder im Block deutscher Hammerskins auf dem „Tag der Ehre“-Aufmarsch in Budapest im Februar 2019. Auch sie gehört einem rechten Fankreis des TSV 1860 München an.
«Hammerskins Franken» – Die Konzertmacher
Die «Hammerskins Franken» (HSF) sind ein personell großes und recht aktives Chapter. Sie erwecken den Eindruck einer gewachsenen und eingespielten Struktur. Die HSF profilierten sich in der Vergangenheit innerhalb der HSN darüber, in den Jahren 2003, 2004 und 2005 im Raum Würzburg Konzerte unter dem Motto „Support the Nation“ veranstaltet zu haben, die in der Szene als das deutsche „Hammerfest“ wahrgenommen wurden. Angehörige der HSF organisieren auch heute an führender Stelle Konzerte, die für die deutschen Hammerskins große Bedeutung haben, wie beispielsweise das alljährliche „Joe Rowan Memorial“-Konzert in Thüringen. Für interne Zusammenkünfte wie das NOM und EOM stehen vor allem in der Region Main-Spessart private Grundstücke und seit 2017 sogar die Gaststätte einer Sympathisantin zur Verfügung.
Eine Besonderheit der HSF besteht darin, dass sie ihre Mitglieder aus einem geographisch großen Gebiet sammeln. So zählen neben dem gesamten fränkischen Raum auch Teile der Oberpfalz, Hessens und Thüringens sowie die baden-württembergische Region um Wertheim (nahe Würzburg) zum „Territorium“ des Chapters. Die «Hammerskins Franken» können für ihre Veranstaltungen auf eine ganze Reihe von Bands zurückgreifen, wobei «Aryan Rebels» aus Oberfranken sowie «Killuminati» und «Hermunduren» aus Thüringen dem inneren Kreis der HSF zuzuordnen sind.
Die Anfänge
Die Geschichte der «Hammerskins Franken» beginnt 1999. Auf einem NOM im Juli 1999 sollen die drei fränkischen Prospects der «Hammerskins Bayern» – Ingo Leidenberger, Detlef Hartlehnert und Stefan S. – den Wunsch geäußert haben, ein eigenes Chapter zu gründen. Daraufhin entstand ein Prospect-Chapter der «Hammerskins Franken», das im Herbst 2000 nach einer einjährigen Probezeit zum Fullmember-Chapter befördert wurde. Teile der deutschen Hammerskins nahmen das neue Chapter anfangs nicht unbedingt mit Wohlwollen auf. Den «Hammerskins Sachsen» beispielsweise galten die Franken als „Separatisten“.
Der ersten Generation der HSF gehörten sechs Personen an. Eine war Ingo Leidenberger (*1972) aus der Ansbacher Neonazi-Szene. Er war von Mitte der 1990er Jahre bis 2016 Bassist der Band «Sturmtrupp», die bundesweit bekannt war, jedoch nicht als Hammerskin-Band in Erscheinung trat. Um 2002 entbrannte ein Streit um Ingo Leidenberger, in dessen Folge er die Hammerskins verließ. Er leitete in Fürth das neonazistische Ladengeschäft «Utgart», im Zuge dessen wurden ihm zu starke kommerzielle Interessen vorgeworfen. Ob dies einer der Streitpunkte war, die zu seinem Ausscheiden aus den HSF führten, ist nicht bekannt. Noch etliche Jahre später gab es innerhalb der HSN intern Einwände gegen den Vorschlag, «Sturmtrupp» für ein Konzert zu engagieren. Leidenberger – so schrieb ein Mitglied der HSF im Jahr 2013 – sei „nich so ganz im guten raus.“ (sic!)
Neben Leidenberger stand im Jahr 2000 vor allem Stefan S. (*1971) aus dem Raum Nürnberg für die HSF. S. hatte bereits 1992 das Fanzine «Skinhead-Zeitung» herausgegeben, das einen „Erlebnisbericht“ über das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen 1992 enthielt. S. verließ die Hammerskins offensichtlich noch in den frühen 2000er Jahren und ist seit vielen Jahren nicht mehr als Neonazi feststellbar. Als „Aussteiger“ hat sich Stefan S. nie zu erkennen gegeben. Er leitet heute einen Supermarkt, präsentiert sich als erfolgreicher Unternehmer und ist Herausgeber eines Lebens- und Karriere-Ratgebers.
Aus der Würzburger Szene stieß Robert Mohr (*1979) zu den Hammerskins. Er wurde eine treibende Kraft der HSF und organisierte vor allem im unterfränkischen Raum etliche Konzerte. Auf einem Grundstück, das sich in seinem Besitz befindet, fanden diverse Hammerskin-Treffen statt. 2012 lebte er kurzzeitig in der Schweiz und arbeitete in einem Unternehmen, in das ihn ein Schweizer Hammerskin gebracht hatte. In einem Gespräch am 31. Januar 2014 teilte er der Polizei mit, dass er bei den Hammerskins ausgestiegen sei. Als Grund nannte er fehlende Motivation und seine bevorstehende Hochzeit, auch seien ihm Personen aus der Szene „Mitteldeutschlands“ zu gewalttätig. Schon eine Woche später, am 8. Februar 2014, führte Mohr ein Gespräch mit dem bayerischen Geheimdienst «Landesamt für Verfassungsschutz». Dieser stellte danach fest: „Seine nationale, rassistische und antisemitische Einstellung wird Mohr wohl beibehalten“. Sein „Crossed-Hammer“-Tattoo auf der Wade hatte er zu diesem Zeitpunkt schon mit dem Austrittsjahr versehen.
Uwe Schellhorn (*1977) aus Kleinlangheim bei Würzburg hat die Hammerskins Anfang der 2010er Jahre im „Good Standing“ verlassen. Auch wurden er und seine Partnerin Simone Schellhorn letztmals auf einem Aufmarsch 2010 festgestellt. Sie gab sich in den vergangenen Jahren über soziale Netzwerke als Neonazistin zu erkennen. Uwe Schellhorn ist zurückhaltender, kommentiert und „liked“ jedoch bis heute auf Facebook immer wieder Fotos ehemaliger „Brüder“. Er ist Geschäftsführer der „Röttinger Metallgiesserei“ in Röttingen bei Würzburg.
Aus Bad Windheim in Mittelfranken stammt Detlef Hartlehnert (*1963), genannt „Teddy“. Er war in den 1990er und 2000er Jahren ein stadtbekannter Neonazi, der – so erzählt man sich im Ort – auf jeder Kirmes jemanden zusammen schlug. Es hieß: Dann kommt die Polizei und wartet ab bis Hartlehnert mit der Person fertig ist und nimmt ihn dann erst fest. Denn wenn sie sich direkt einmischten, würden sie auch was abkriegen. Detlef Hartlehnert tauchte nur selten auf Fotos auf und wenn, dann auf Hammerskin-Partys und Konzerten. Auf Aufmärschen war er nicht zu sehen. Auch Detlef Hartlehnert hat die Hammerskins um das Jahr 2010 verlassen.
Gründungsmitglied der HSF war auch Jörg Schwarzbauer (*1973) aus Schwabach bei Nürnberg. Bis heute ist er in den sozialen Netzwerke als rechter Rocker mit umfangreichen Kontakten in die Neonaziszene feststellbar. Es ist jedoch unklar, ob er nach Mitte der 2000er Jahre noch einen Status bei den Hammerskins hatte. An die HSF waren in ihrer Anfangszeit einige Hangarounds angedockt, vornehmlich Personen aus den Regionen Bad Windsheim, Ansbach und Würzburg. Sie traten als Supporter auf und bereisten mit den HSF Konzerte.
Von 2003 bis 2005 richteten die HSF, allen voran Robert Mohr, alljährlich ein Konzert unter dem Motto „Support the Nation“ aus, das in der Szene als deutsches „Hammerfest“ galt. Am 15. März 2003 spielten in Thüngersheim bei Würzburg «Frontalkraft» und «Propaganda» vor 500 Gästen. Am 17. Juli 2004 besuchten bis zu 600 Personen das „Support the Nation“-Konzert in Kürnach bei Würzburg. Es traten unter anderem die Bands «No Alibi» aus den USA und «Vérszerzödés» aus Ungarn auf. Die Behörden notierten eine „Körperverletzung zum Nachteil eines Anwohners und dass „vereinzelte „Hitler-Grüße“ […] sofort von der Security unterbunden worden seien“. Da das Konzert angeblich „keine Außenwirkung“ gehabt habe, beschränkte sich die Polizei auf Anfahrtskontrollen. Im folgenden Jahr, am 17. September 2005, traten in der Frankenhalle in Dettelbach bei Würzburg neben deutschen Bands auch «Legittima Offesa» aus Italien, erneut «Vérszerzödés» sowie «White Wash» aus den USA auf, die in ihrem Song „A.R.A.“ ein Loblied auf die neonazistische US-amerikanische Terrorgruppe «Aryan Republican Army» (ARA) spielten. Wieder fand das Konzert ohne Störungen statt, nur über die geringe Zahl von zirka 300 Gästen zeigte man sich in der Szene enttäuscht.
Immer wieder organisierten die HSF auch kleinere Konzerte auf privaten Grundstücken, in Kneipen-Hinterräumen oder in Steinbrüchen, zu denen mal fünfzig, mal 120 Leute kamen. Meist spielten regionale Bands, in der Öffentlichkeit wurde dies kaum wahrgenommen. Bei der Organisierung ihrer Konzerte konnten die HSF stets auf Personen und Gruppen aus ihrem Umfeld zurückgreifen. So hatte das „Support the Nation“-Konzert 2003 Manfred Heuger aus Estenfeld bei Würzburg angemeldet. Er war (und ist heute noch) einer der führenden Neonazis im Würzburger Raum. Damals besuchte Heuger Hammerskin-Konzerte von der Schweiz bis nach Norddeutschland und führte zusammen mit Uwe Gebhardt aus Lichtenfels eine Gruppe an, die sich «Commando 88» nannte und ihre Mitglieder im gesamten ober- und unterfränkischen Raum sammelte. Heute ist Heuger in der Partei «Der III. Weg» aktiv.
Von «Blood & Honour» zu den Hammerskins: Die «Trouble Crew»
Anmelder des Konzertes 2005 in Dettelbach war wiederum Marcus Preiß, der zu dieser Zeit in Diespeck (Mittelfranken) wohnte und (noch) kein Hammerskin war. Es ist kein ungewöhnliches Vorgehen in der HSN für derartige Anmeldungen profilierungseifrige AnhängerInnen „vorzuschicken“ und ihnen Verantwortung zu übertragen. Marcus Preiß (*1980), heute wohnhaft in Gundelsheim bei Bamberg, erfuhr seine politische Sozialisation in der lokalen Struktur von «Blood & Honour» (B&H) im Raum Bamberg. Von dort zog er nach Mittelfranken und wohnte in verschiedenen Orten im Landkreis Neustadt an der Aisch, zeitweise auch in Nürnberg. Preiß war seit spätestens 2008 Prospect und bekam um 2010 seinen Fullmember-Patch.
Vor seiner Aufnahme bei den Hammerskins gehörte Preiß der Gruppe «Trouble Crew» (TC) an. Diese trat als «TC Franken» und «TC Ansbach» in Erscheinung und und hatte ihre Hochzeit von 2002 bis 2005. Ein Schwerpunkt ihres politischen Wirkens lag im 40.000 Einwohner*innen zählenden Ansbach südwestlich von Nürnberg. Die TC war der fränkische Ableger eines Netzwerkes, das sich «Division 28» nannte und für sich in Anspruch nahm, die legitime Nachfolgeorganisation des im Jahr 2000 in Deutschland verbotenen «Blood & Honour»-Netzwerks zu sein. Doch ab 2005 zerlegte sich die «Division 28». Es gab Streitereien zwischen verschiedenen Sektionen und Führungspersonen, bei denen es unter anderem darum ging, welchen Kurs das „neue“ B&H einschlagen sollte: Die einen wollten vor allem Geschäfte mit RechtsRock machen, andere einen militanten Untergrund unter dem Label von «Combat 18» aufbauen und eine dritte Strömung war bereits mitten in einem kriminellen Rocker- und Rotlichtmilieu angekommen. Die fränkische «Division 28» galt als Verfechter eines Untergrund-Konzeptes.
Eine Konkurrenz zwischen B&H und Hammerskins gab es in Mittelfranken nicht. Bilder von Feiern der TC von 2003 bis 2005 zeigen ein vertrautes Miteinander zwischen den hiesigen Exponenten von B&H und Hammerskins, mittendrin Detlef Hartlehnert und Marcus Preiß. Letzterer steht beispielhaft für mehrere Personen, die aus der TC kamen und sich ab Mitte der 2000er Jahre nach und nach den Hammerskins anschlossen. Die «Trouble Crew» löste sich ab 2005 sukzessive auf.
Anführer der «Trouble Crew» waren damals James Faulkner und Dirk Breuer. Der aus England zugezogene James Faulkner (*1977) war ebenso einer der Chefs der «Division 28» in Franken. Er wurde um das Jahr 2005 von der Bundesführung der «Division 28», die nicht aus Franken kam, mit der Begründung ausgeschlossen, er habe zu enge Kontakte zu den Hammerskins. Im Jahr 2010 wohnte Faulkner in Laichingen bei Ulm. Aus internen Mails geht hervor, dass er zu dieser Zeit hauptsächlich mit den Hammerskins unterwegs war. Doch vermutlich hat Faulkner nie einen Mitgliedsstatus in der HSN erlangt. Er gehört noch heute der Neonaziszene an.
Dirk Breuer (*1977) aus Petersaurach bei Ansbach, genannt „Doc“, war schon damals ein in der Region bekannter Neonazi. Er verließ die «Trouble Crew» im Jahr 2005. Ein Foto aus dem Jahr 2011 zeigt ihn zusammen mit Mitgliedern der HSF auf einem internen Hammerskin-Treffen im «Thinghaus» in Grevesmühlen (Mecklenburg). Er zählt heute zu den exponierten Hammerskins in Franken. Breuer war in Ansbach und Lichtenau ein bekannter Neonazi. Er arbeitete lange Zeit als Brauer in der Lichtenauer Traditionsbrauerei „Hauff“, die im März 2021 ihren Betrieb einstellte.
Zulauf um das Jahr 2008
Ab Ende der 2000er Jahre kann – vor allem anhand der aufkommenden sozialen Netzwerke – beobachtet werden, wie sich immer wieder Personen oder kleine Gruppen auf die Hammerskins zu bewegten, deren Nähe und Freundschaften suchen. Mitunter war und ist das nicht von Dauer.
Ein Gruppenbild, datiert um das Jahr 2008, zeigt die «Hammerskins Franken» in typisch elitärer Pose: Stehend die Fullmember, vor ihnen kniend die Prospects und Hangarounds. Die Vollmitglieder auf diesem Foto sind Uwe Schellhorn, Robert Mohr und Detlef Hartlehnert. Den Prospect-Patch an ihren Jacken tragen Manuel Hahn, Frank Zunner, Marcus Preiß, Daniel Orlewicz und Tony Gentsch. Flankiert werden die Prospects von zwei Personen ohne Patches, die offensichtlich Hangarounds sind: René-Sebastian Stöcklein und Benjamin M. Letzterer aus Hof in Oberfranken kann heute nicht mehr der Neonaziszene zugerechnet werden.
Mit Frank Zunner (*1979), heutiger Fürther, schloss sich eine führende Person der Nürnberger Kameradschaftsszene den Hammerskins an. Er wurde 2010 Vollmitglied und bereist seit Mitte der 2000er Jahre Hammerskin-Events im In- und Ausland. Zusammen mit dem Hammerskin Andreas Steinbauer organisiert er seit Jahren die Konzertreihen „Ein Sturm zieht auf“ und „Skins are back in town“ in Kirchheim (Thüringen). Auch gehörte er zum inneren Kreis des 2009 gegründeten «Freien Netz Süd» (FNS). Nach dem Verbot des FNS 2014 war er zunächst in der Partei «Der III. Weg» aktiv. Seine Partnerin ist Carolin Hebenstreit, die aus Thüringen zugezogen war. Zunner zählt – wie etliche Neonazis in der Nürnberger Gegend – zur Fanszene des 1. FC Nürnberg.
Der heute im sächsischen Plauen wohnhafte Tony Gentsch (*1984) ist ein Szene-Multiaktivist: Ab Mitte der 2000er Jahre führte er die Gruppen «Freie Nationalisten Hof» und «Kameradschaftsbund Hochfranken» an, betrieb den neonazistischen «100%-Versand» und spielte von 2005 bis 2012 in den Bands «Braune Brüder» und «Brüder zur Freiheit». Im Jahr 2007 trat Gentsch als PotN auf. Er kaufte und pachtete Immobilien im Raum Hof, die als Wohnorte und Nazitreffpunkte dienten, wie das Objekt «Oberprex 47» bei Hof, das zum „nationalen Treffpunkt“ erklärt wurde. Gentsch zählte zum Führungskreis des «Freien Netz Süd». Von 2011 bis 2013 war er unter anderem wegen Körperverletzung in Haft. Im Jahr 2014 wurde das «Freie Netz Süd» verboten und «Oberprex 47» aufgelöst. Gentsch schloss sich der Partei «Der III. Weg» an, wurde dort Führungskader und zog ins sächsische Plauen. In der Szene heißt es, er habe aufgrund seiner „Karriere“ beim «III. Weg» seine Hammerskin-Aktivitäten 2014 eingestellt, was einige „Brüder“ offensichtlich nicht betrauerten. Noch 2020 lästerte Nico Roth, ehemals PotN des Chapter «Westmark», im neonazistischen „RockHate“-Telegram-Kanal über den „verkackten Dritten Weg“ und den „Hurensohn Gentsch“. Er riet seinen Kameraden bei Treffen mit Gentsch: „lass besser dein Mädel zu haus, sonst isse weg“ (sic!) Seine „Crossed-Hammers“-Tätowierung im Nacken trägt Gentsch noch heute.
Mit Hahn, Orlewicz und Stöcklein traten nun erstmals hessische Neonazis bei den HSF auf. Manuel Hahn (*1983), genannt „Rooster“, aus Neukirchen im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis ist seit Anfang der 2000er Jahre als Neonazi bekannt. Im Jahr 2007 wurde er Prospect, seit 2010 tritt er als Fullmember auf. Hahn ist auf etlichen internen Treffen und auf Hammerskin-Konzerten festzustellen, so im März 2017 auf der bei Anklam stattfindenden 20-Jahresfeier der «Hammerskins Pommern». Manuel Hahn ist Tätowierer. Daniel Orlewicz (*1982), genannt „Orle“, aus Petersberg bei Fulda gehört seit mindestens 2001 der Neonaziszene an und kandidierte noch 2006 bei den Kreistagswahlen in Hünfeld (bei Fulda) für die Partei «Die Republikaner». Im Jahr 2008 wurde er Anwärter und um 2010 Vollmitglied bei den HSF. Orlewicz wird seit vielen Jahren im bundesweiten Kreis der Hammerskins als eine treibende Kraft wahrgenommen. René-Sebastian Stöcklein (*1983) aus Hilders in der Rhön war seit den frühen 2000er Jahren oft im Duo mit Orlewicz unterwegs. Bei einem Aufmarsch des «Freien Netz Süd» am 1. Mai 2010 lief er am Banner der Neonazigruppe «Sturm Fulda». Noch im Jahr 2010 zog er nach Berlin und von dort nach Königs Wusterhausen. Er ist heute Vollmitglied des Chapter «Berlin».
Am 18. Oktober 2008 organisierten die HSF einen Reisebus, der von Nürnberg aus Hammerskins verschiedener Chapter, darunter auch aus Portugal, zum „Hammerfest“ nach Budapest brachte. Mit dabei: Gentsch, Preiß, Stöcklein, Orlewicz, Hahn und Benjamin M.. Weiterhin wurden in hoher Taktzahl Konzerte organisiert. Im unterfränkischen Raum war Robert Mohr der „Macher“, in Oberfranken Tony Gentsch. Das Aktionsfeld der beiden war größer als „ihre“ Regionen. Am 28. März 2009 organisierte Gentsch ein Konzert im Neonazitreffpunkt «Schützenhaus» in Pößneck (Thüringen) mit den «White Rebel Boys» aus Oberfranken und «Frontalkraft» aus Cottbus. Zunner, Preiss, Hahn und Schellhorn waren als Ordner vorgesehen. Die Polizei verhinderte das Konzert. Für den 10. April 2010 mietete Robert Mohr in Geiselbach nahe Aschaffenburg eine Sporthalle für einen „Beat-Abend“ an. Eigentlich sollten die Bands «Untergrundwehr» und «Jungsturm» spielen. Die Musikanlage war aufgebaut, das Transparent «Hammerskins Franken» hing schon hinter der Bühne, als ein Großaufgebot die Polizei anrückte und den bereits angereisten 80 Neonazis Platzverweise aussprach. Das Konzert wurde kurzfristig nach Baden-Württemberg in den Neonazi-Treffpunkt «Rössle» in Rheinmünster bei Rastatt verlegt.
Das «Freie Netz Süd» und der „Nationale Frankentag“
Um 2010 war eine enge Verbindung der HSF mit dem 2009 gegründeten «Freien Netz Süd» (FNS) zu beobachten. Tony Gentsch war eine treibende Kraft des FNS, Zunner ein umtriebiger FNS-Aktivist und Robert Mohr meldete 2010 einen Aufmarsch des FNS in Schweinfurt an. Bei Aufmärschen des FNS in Franken und in der Oberpfalz trat eine Gruppe von Hammerskins im Kreis der Organisatoren auf. Unter ihnen war auch Daniel Orlewicz, der im heimatlichen Hessen fast nie auf Aufmärschen zu sehen war und ist. Eine Ausnahme bildete der Fackelmarsch der JN 2012 in Hünfeld bei Fulda.
Das FNS organisierte von 2008 bis 2012 jährlich einen „Nationalen Frankentag“, an dem 150 bis 500 Neonazis teilnahmen. Die Neonazis des FNS hatten den von der bayerischen NPD organisierten „Bayerntag“ als zu wenig radikal empfunden und mit dem „Nationalen Frankentag“ (kurz: „Frankentag“) eine Konkurrenz-Veranstaltung geschaffen. Als Anmelder des Events trat der «Bund Frankenland» auf, ein Verein, der in den 1990er Jahren von Neonazis in Würzburg gegründet worden, jedoch seit vielen Jahren inaktiv war. Offensichtlich handelte es sich dabei um ein Label, an dem sich die Macher des „Frankentags“ frei bedienen konnten. Hauptorganisator des „Frankentags“ war Tony Gentsch. Die meisten Bands die dort spielten, kamen aus dem Netzwerk der Hammerskins.
Der „4. Nationale Frankentag“ am 13. August 2011 fand auf einem Privatgrundstück in Roden-Ansbach im Spessart statt. Hauptredner an diesem Tag war Martin Wiese aus München. Dieser war als Drahtzieher eines geplanten Bombenanschlags auf eine Veranstaltung zur Grundsteinlegung des Jüdischen Kulturzentrums am 9. November 2003 in München zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Bei seinem Auftritt auf dem „Frankentag“ trug er ein Shirt mit dem Motiv der Unterschrift von Adolf Hitler und drohte in seiner Rede den anwesenden Journalist*innen mit dem Tod. Im darauf folgendem Jahr fand der „Frankentag“ in Schwarzach in Oberfranken statt, zu dem lediglich 150 Gäste erschienen. Es spielte unter anderem, wie schon auf dem „Frankentag“ 2009, die ungarische Hammerskinband «Vérszerzödés». Es war das letzte Konzert unter dem Namen „Nationaler Frankentag“.
Als Nachfolge-Veranstaltung sollte am 10. August 2013 in Urspringen im Spessart ein Konzert unter dem Motto „Europa Erwacht“ stattfinden. Das Gelände hierfür stellte der Neonazi Andreas Steinbauer zur Verfügung. Als Redner waren Tony Gentsch und der FNS-Anführer Matthias Fischer angekündigt, spielen sollten einmal mehr «Vérszerzödés» und «Confident of Victory». Das Konzert wurde untersagt und das Verbot vom Verwaltungsgericht bestätigt. Daraufhin führten 50 Neonazis beim Wohnhaus von Steinbauer eine Protestkundgebung durch, bei der sie einige Zeit unmotiviert auf Bierbänken herum saßen. Immerhin hatte Steinbauer sein Wohnhaus mit einem FNS-Transparent behängt. In der Medienberichterstattung über die „Frankentage“ wurde auf die organisatorische Rolle des FNS eingegangen, die Hammerskins blieben jedoch unerwähnt. Dabei hätten entsprechende Veranstaltungen ohne ihr Netzwerk nicht in dieser Form stattfinden können.
Mit dem geplanten Konzert in Urspringen 2013 rückte nun Andreas Steinbauer (*1987) ins Blickfeld. Er war Teil der «Kameradschaft Mainfranken» und schloss sich um 2010 den Hammerskins an. Im Jahr 2014 war er Fullmember. Seit dieser Zeit sind er und Frank Zunner die Hauptorganisatoren der bundesweit bedeutenden Hammerskin-Konzerte wie das alljährliche „Joe Rowan Memorial“ und die Konzertreihe „Ein Sturm zieht auf“. Der Ticketverkauf von „Ein Sturm zieht auf“ läuft über Steinbauers Konto bei der Raiffeisenbank Main-Spessart. Die Konzerte finden zumeist in der «Erlebnisscheune» in Kirchheim nahe Erfurt statt. Steinbauer nimmt häufig an Aufmärschen teil, früher beim «Freien Netz Süd» und heute vornehmlich bei der Partei «Der III. Weg».
Die «Hammerskins Franken» ab 2010
Aus Anlass ihres zehnjährigen Bestehens gaben die HSF im Jahr 2010 den Sampler „Signs of Revolution – Support the nation“ heraus, zu dem die oberfränkischen Bands «Brüder zur Freiheit» und «White Rebel Boys» Lieder beisteuerten. Robert Mohr schrieb 2011 in einer internen Korrespondenz, das Chapter «Franken» habe sechs Mitglieder, von denen zwei im Knast seien. Die beiden Inhaftierten waren Gentsch und Zunner. Mitglieder waren zu dieser Zeit Mohr, Hahn, Orlewicz und Preiß. Auf einem Neonazikonzert im Juni 2014 in Nienhagen (Sachsen-Anhalt) setzte sich eine Gruppe der HSF in Szene, indem sie in voller Kluft zum Konzertgelände stolzierte: Frank Zunner, Daniel Orlewicz, Stefan Großhauser, Heiko Stephan und Andreas Steinbauer.
Der Ansbacher Heiko Stephan (*1977) gehörte Mitte der 2000er der «Trouble Crew» an. Im Jahr 2012 war er PotN und 2014 Vollmitglied der Hammerskins. Er nimmt seit vielen Jahren an diversen Neonazi-Konzerten und Hammerskin-Treffen teil. Zusammen mit Dirk Breuer spielte er jahrelang aktiv Fußball beim Verein TSV Fichte Ansbach.
Aus der «Kameradschaft Altmühltal» kommt Stefan Großhauser (*1984) aus Neumarkt in der Oberpfalz. Er nahm regelmäßig an Aufmärschen des «Freien Netz Süd» teil. In Nienhagen 2014 trug er den Propect-Patch, 2018 auf einem Konzert in Thüringen trat er als Vollmitglied auf. Großhauser arbeitet in der Postverteilstelle der „PsoriSol Hautklinik“ in Hersbruck bei Nürnberg. Seit 2014 versucht er sich zudem als Tätowierer und bietet seine Dienste aktuell unter dem Namen „Ewige Narben“ an. Er zählt zur Fanszene des 1. FC Nürnberg und war oder ist beim Fanclub «FCN Stammtisch Neumarkt» aktiv.
Zu den HSF stieß ab spätestens 2012 auch Roland Brechtl (*1976), heute wohnhaft in Roßtal. Er war ein führender Aktivist der «Division 28» in Franken. Um das Jahr 2010 lavierte er zwischen Post-B&H, Hammerskins und der Rockergruppe «Gremium MC». Er wurde anscheinend von den Hammerskins gezielt angesprochen, wie aus einer internen Kommunikation aus dem Jahr 2013 mit dem Hammerskin und V-Mann Roland Sokol hervorgeht. Beide tauschen sich darüber aus, was denn nun die richtige und beste Organisation sei. „Nun ja ich war das gegenstück zu hartwin und achim in bayern“ sagt Brechtl und meint dabei u.a. Hartwin Kalmus, der B&H nach dem Verbot 2000 fortführte. „Aber wenns für die hs eins wäre denk ich mal das ich nicht gefragt worden wäre ich soll mal drüber nachdenken. Hoff das die leute schon denken bevor sie handeln, sonst hätt ich auch zu den neuen bayern 28lern gehn können“ (sic!), erzählt Brechtl weiter. Sokol erläutert ihm das Konzept der HSN u.a. mit den Worten: „Es ist anders, nämlich elitär (…) Wenig Leute, aber eben 100%ige.“ Auf dem Konzert in Nienhagen 2014 trat Brechtl dann in «Crew 38»-Shirt auf, 2017 hatte er die „Crossed-Hammers“ bereits auf den Hinterkopf tätowiert. Mit seiner Partnerin Eileen Brechtl (*1985), ehemals Eileen Riesch, bereist er seit vielen Jahren Neonazi-Konzerte. Roland Brechtl ist KfZ-Mechaniker und betreibt eine Autowerkstatt in Schwabach.
Die enge Anbindung der HSF an die Partei «Der III. Weg» wurde am 17. Januar 2015 einmal mehr sichtbar. Für ein Hammerskin-Konzert in der Reihe „Ein Sturm zieht auf“ diente Rico Döhler aus Plauen der Polizei als Ansprechpartner. Er ist Kader der Partei «Der III. Weg» und war in der Vergangenheit nie mit Hammerskin-Symbolik oder als Teilnehmer Hammerskin-interner Veranstaltungen aufgefallen.
Bands und Musiker im Spektrum der «Hammerskins Franken»
Die Aktivität der Band «Braune Brüder» von Tony Gentsch wurde offensichtlich im Jahr 2008 eingestellt. Ein paar Jahre länger, bis zirka 2012, existierte sein Bandprojekt «Brüder zur Freiheit». Die Band trug zum Sampler „Support the Nation“, den die «Hammerskins Franken» 2010 herausbrachten, den Song „HSN“ bei.
Andere bekanntere Bands aus Franken traten zwar nicht explizit als Hammerskin-Bands in Erscheinung, standen den HSF jedoch sehr nahe: «Untergrundwehr» aus dem Raum Würzburg und die «White Rebel Boys», die ebenfalls auf dem Sampler „Support the Nation“ der HSF von 2010 vertreten sind. Die Band «Haftbefehl» veröffentlichte ihre CD „Zurück nach Vorn“ im Jahr 2010 auf dem Label «100%-Versand» von Tony Gentsch. Sänger der Band war Ronny Gentsch (*1978), genannt „Paul“- der Bruder von Tony Gentsch. Ronny Gentsch wohnte im oberfränkischen Toepen und zeigte sich 2010 im Shirt mit der Aufschrift „Support the Nation“. Als „Liedermacher“ und im Duo mit „Ödi“ trat er auf vielen kleineren Feiern auf.
Bei „Ödi“ handelt es sich um den umtriebigen RechtsRockmusiker Tobias Wirth (*1986) aus Wüstenselbitz in Oberfranken. Er kommt aus der «Kameradschaft Hof» und war bis zur Inhaftierung von Tony Gentsch 2011 einer seiner engsten Weggefährten. Die Liste der Bands, in denen er spielte oder noch spielt ist lang: «Braune Brüder», «White Rebel Boys», «White Rebel Voice», «Haftbefehl», «Verboten», «Eskalation», «Musikgruppe», «Smart Violence», «MPU», «MEK», «Sachsonia», «Moiler», «True Aggression», «Treueschwur», «Überzeugungstäter Vogtland», «Spinning Backfist», «Musikalischer Amoklauf». Zudem tritt Tobias Wirth als Solist oder mit anderen im Duo auf. Wirth ist seit vielen Jahren Supporter der Hammerskins. Von ihm existieren aus den vergangenen Jahren etliche Fotos, die ihn mit Hammerskins und «Crew 38»-Leuten sowie mit dem Shirt „Support the Nation“ bekleidet zeigen. Wirth betreibt ein kleines Tonstudio in Wüstenselbitz. Seine Partnerin ist seit ca. 2019 Susann Wagener aus Hessen, die sich seit einigen Jahren im Kreis der Hammerskins bewegt. Sie nahm im Oktober 2015 an der Beerdigung des Hammerskins Roland Sokol in Karlsruhe teil.
RechtsRock – das ist für Hammerskins immer auch ein Geschäft. Aus einer internen Kommunikation geht hervor, dass nach Auflösung der bekannten hessischen Neonaziband «Gegenschlag» im Jahr 2007 diese sich von den HSF gedrängt sah, sich neu zu formieren und den Hammerskins anzuschließen. Zwar fand keine Reunion von «Gegenschlag» statt, doch trug die Band zum Sampler „Bruderschaft – 20 Jahre HSF“, den die «Hammerskins Franken» im Jahr 2020 anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens herausgaben, ein bisher unveröffentlichtes Lied bei.
Die aktuellen „Hausbands“ der «Hammerskins Franken» sind «Hermunduren» und «Killuminati» aus Thüringen sowie «Aryan Rebels» aus Oberfranken. Musiker bei «Hermunduren» und «Killuminati» ist Steven Arndt (*1985) aus Eisenach, der seit 2014 als Supporter der Hammerskins in Erscheinung tritt. Als Sänger von «Killuminati» trat er mehrfach auf Konzerten auf, die von Hammerskins organisiert worden waren. Zwischen 2010 und 2020 trugen die «Hermunduren» Songs zu mehreren Hammerskin-Produktionen bei. Beispielsweise zu den Samplern „Hessen Skins“ (2017), „In Gedenken an Hammer Max“ (2015) und „Bruderschaft – 20 Jahre HSF“ (2020). Unter dem Namen «Hermunduren» spielt Arndt auch als Solo-Musiker oder im Duo auf vielen neonazistischen Veranstaltungen – auffallend oft bei der Partei «Der III.Weg». Arndt ist Aktivist des «Nationalen und Sozialen Aktionsbündnis Westthüringen» (NSAW) und stellt somit eine Schnittstelle der Hammerskins zu anderen neonazistischen Organisation in Thüringen dar. Seine Partnerin Nadine Arndt (*1986) reist mit ihm auf Hammerskin-Konzerte. Die beiden haben drei Kinder.
Zum zweiten Mal Prospect
Der Haßfurter Uwe Gebhardt (1977), genannt „Barfly“, schloss sich bereits 1997 den Hammerskins an. Da es aber zu diesem Zeitpunkt in Bayern und Franken keine Chapter gab, kam er bei den Sachsen um Mirko Hesse unter. Im November 1997 besuchte eine Gruppe der «Hammerskins Sachsen» „Brüder“ in Spanien, mit dabei Gebhardt, der damals in oberfränkischen Lichtenfels wohnte. Im Jahr 1998 nahm er an einem Geländemarsch der sächsischen Hammerskins teil, in dessen Nachgang sich Hesse über den „dicken Uwe“, den „200kg Mensch“, lustig machte. Gebhardts Reputation rührte unter anderem durch sein Mitwirken bei der Band «United Blood». Deren Frontmann Stephan Pohlers – später selbst Hammerskin – gab 1999 in einem Interview an, dass sein Mitmusiker „Uwe“ ein „Anwärter“ der Hammerskins sei. «United Blood» war im bundesweiten RechtsRock-Geschehen wenig relevant, Gebhardts zweites Projekt «Aryan Rebels» hingegen schon. Ihr Album „Spirit of 33“ aus dem Jahr 2003 hat heute szeneinternen Kult-Status. Mit den «Aryan Rebels» spielte Gebhardt im November 2001 auf einem Konzert der «Hammerskins Espagna» in Madrid. Deren Chef Eduardo Chapela hatte er schon auf seiner Spanien-Reise 1997 kennengelernt. Wenige Monate später war Chapela in Deutschland zu Gast, als die «Hammerskins Sachsen» am 14. März 1998 ein Konzert mit den spanischen Neonazibands «Estripe Imperial» und «Torquemada 1488» in der Diskothek «Roxy» in Lichtenfels organisierten. Fotos des Konzertes zeigen Chapela und Gebhardt im Publikum in vorderster Reihe. Bis heute pflegen die beiden eine enge Freundschaft – trotz der Tatsache, dass es Gebhardt bei den «Hammerskins Sachsen» nicht zum Fullmember schaffte. Gebhardt gründete daraufhin Anfang der 2000er Jahre zusammen mit Manfred Heuger aus dem Raum Würzburg eine eigene Gruppe mit dem Namen «Commando 88». Deren Nähe zu den Hammerskins zeigte sich unter anderem 2003, als Heuger das Konzert „Support the Nation“ in Thüngersheim bei Würzburg angemeldete, dass als das deutsche „Hammerfest“ galt.
Im Jahr 1999 erhielten die Spanier den Fullmember-Status der HSN. Vier Jahre später, im Jahr 2003, wurde gegen die Gruppe wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Ein Gericht in Madrid verurteilte Chapela 2009 zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren und erklärte die «Hammerskins Espagna» für verboten. Chapela beschwerte sich 2012 aus dem Gefängnis heraus bei seinen „Brüdern“, dass ihm fast niemand, außer „my brother Uwe (Barfly)“, schreiben würde. Gebhardt widmete ihm auf der im Jahr 2013 erschienenen CD „Der Sieg des Gewissens“ der Band «Aryan Rebels» einen Song. Wieder auf freiem Fuß wurde und wird Chapela regelmäßig von Gebhardt in Haßfurt beherbergt und konnte dort als Tätowierer arbeiten. Dreh- und Angelpunkt dafür war Gebhardts Wohnhaus, in dem er bis ca. 2016 den „Muscle Growth Shop“ betrieb, über den er Nahrungsergänzungsmittel und Zubehör für Kraftsport verkaufte. Gebhardt wiederum besucht Chapela regelmäßig in Spanien. Sein Bezug zu dem Land scheint auch außerhalb dessen ausgeprägt zu sein, denn er spricht fließend spanisch.
Um 2015 wurden Gebhardts Bezüge zum «Hells Angels MC» innerhalb sozialer Medien zunehmend sichtbar, doch wendete er sich dann allerdings wieder vermehrt den Hammerskins zu. Seit 2017 ist er erneut Prospect, dieses Mal bei den «Hammerskins Franken». Greifbar wurde dies, als er 2017 den brasilianischen Prospect Alexandro Carneiro auf seiner Vorstellungsreise durch Europa in Empfang nahm. Mit Carneiro realisierte Gebhardt 2020 die Split-CD „Bruderschaft“, auf der er als «Barfly» und der Brasilianer mit seiner Band «Zurzir» vertreten war. Zum Sampler „Bruderschaft – 20 Jahre HSF“ steuerte Gebhardt mit «Aryan Rebels» das spanischsprachige Lied „Alarma!“ bei.
Neue Prospects und Supporter 2017
Am 2. Juli 2017 fand in Geiselhöring in Niederbayern ein NOM statt, dass das Chapter «Bayern» organisiert hatte. Daran nahmen auch vier Personen teil, die heute dem Chapter «Franken» als Prospects oder Vollmitglieder angehören: Matthias Max Schödl, Pascal Väth, Benjamin Koch und Daniel Arnold.
Vor seiner Zeit bei den Hammerskins gehörte Matthias Max Schödl (*1990), der aus Thum im sächsischen Erzgebirge stammt, der Neonazi-Bruderschaft «Pure Blood Brotherhood» an. Letztendlich handelte es sich dabei um eine Handvoll Neonazis aus dem Erzgebirge, die vor allem um 2016 aktiv waren und außer einem Konzert keine überregional bedeutenden Events auf die Beine stellten. Schödl nahm 2015 am „Hammerfest“ in Italien teil und präsentierte sich ab 2017 in Merchandise der «Crew 38». In dieser Zeit ließ er sich auch das Symbol der UnterstützerInnengruppe der HSN großflächig auf den Kopf tätowieren: den Zahnkranz, dazu den Schriftzug „Crew 38 Franken“. Mit den Hammerskins fand er eine Gruppe, die für ihn die ersehnte Super-Bruderschaft darstellt. Auf die Frage eines Freundes in den sozialen Netzwerken, wieso er nun „38“ (d.h. „Crossed Hammers“) sei, antwortete Schödl 2018: „Weil ich einen Weg gehe der für mich besser als alles anderes ist und deshalb 38 und das ist das für das ich Leben werde und sterben werde“. (sic!) Schödl reist nahezu überall hin, wo sich Hammerskins treffen und versucht, neben den „Großen“ stehen zu dürfen. Im Frühjahr 2020 wurde er Prospect beim Chapter «Franken». Seine Partnerin Peggy Podruch (*1989) aus Dornburg-Camburg bei Jena ist in Thüringen als Neonazistin bekannt und nahm mit Schödl an etlichen Events der Szene teil. Beim „Rock gegen Links“-Konzert am 28. Oktober 2017 in Themar (Thüringen), das maßgeblich von Hammerskins organisiert worden war, gehörten beide zum „Fußvolk“. Podruch war im Thekendienst eingeteilt. Schödl wohnt heute mit Podruch in Dornburg-Camburg und ist für die Firma „Brunnenbau Eder“ aus dem Raum Passau auf Montage tätig.
Bei Pascal Väth (*1984) aus Wertheim ist zu erkennen, wie er sich in den vergangenen Jahren unter dem Einfluss von Andreas Steinbauer immer stärker den Hammerskins zuwendete. Beide kommen aus dem Spessart-Ort Urspringen. Zusammen mit Steinbauer trat er als Ordner auf dem „Rock gegen Links“-Festival am 28. Oktober 2017 in Themar auf. Auf einem Neonazikonzert im Januar 2019 trug Väth das Propect-Patch. Er absolvierte seine Berufsausbildung in einem Betrieb in Lohr am Main, auf dessen Nachbargrundstück am 23. Februar 2019 ein NOM abgehalten wurde, das Väth mitorganisierte.
Benjamin Koch (*1986) bewegte sich die vergangenen zehn Jahre in einer neonazistischen Skinhead-Clique im Raum Offenbach am Main. Im Jahr 2019 zog er von Offenbach nach Büdingen im hessischen Wetteraukreis. Er nahm auch am NOM in Lohr am Main am 23. Februar 2019 teil.
Der ehemalige Eisenacher Daniel Arnold (*1976) steht beispielhaft für die enge Vernetzung der Hammerskins mit der NPD in Thüringen. Arnold betrieb von 2014 bis 2020 in Eisenach die Kneipe «Bulls Eye»- ein überregional bekannter Neonazitreffpunkt. Im Jahr 2014 kandidierte er auf der Liste der NPD für das Stadtparlament in Eisenach. Ab spätestens 2015 ist er in Sachen Hammerskins unterwegs. Er nahm seitdem an internen Feiern und NOMs in ganz Deutschland teil, auf dem „Hammerfest“ am 2. November 2019 in Frankreich trug er Fullmember-Bekleidung.
Zum Geburtstagskonzert des Liedermachers «Flak», Mitglied der «Hammerskins Rheinland», wurden die Teilnehmenden am 20. Juli 2019 nach Eisenach gelotst. Das Konzert sollte in der NPD eigenen Immobilie «Flieder Volkshaus» stattfinden. Neben «Flak» waren die Musiker Sten Söhndel von der Band «Frontalkraft» und der Hammerskin Harm-Jan Smit («Flatlander») angekündigt. Die Polizei untersagte das Konzert. Eine kleinere Ersatzveranstaltung fand in Arnolds Kneipe «Bulls Eye» statt.
Auch Daniel Arnolds Ehepartnerin Veronika Arnold-Enders (*1985) zeigt auf Facebook ihre Zugehörigkeit zum Hammerskin-Kreis. Seit 2019 arbeitet sie laut eigener Angabe in der Firma „KS Innovative Kabel Systeme“ im Spessartort Neustadt am Main, wo die beiden heute auch wohnen.
Auf dem NOM am 23. Februar 2019 in Lohr am Main kamen mit Oliver und Sandra Besters zwei neue Gesichter bei den HSF hinzu: Oliver Besters (*1978) ist seit 2012 als Neonazi aus dem Kreis der NPD bekannt und gehörte 2019 zur «Crew 38». Er wohnt zusammen mit seiner Partnerin Sandra Besters und Benjamin Koch in einem Haus in Büdingen im hessischen Wetteraukreis. Sandra Besters erledigte am 5. Januar 2019 zusammen mit Benjamin Koch den Thekendienst bei einem Konzert mit der Band «Oidoxie» in Büdingen, angemeldet von der NPD.
Hammerskins, Bootboys und OI-Skins
Hammerskins und Oi-Szene vertragen sich in der Regel nicht so gut. Schließlich versteht sich die HSN ausdrücklich als Gegenentwurf zur Saufkultur und zu denen, die mit Politik nicht so viel zu tun haben wollen. Doch in Hessen wird das nicht so eng gesehen.
Martin Gerber (*1980), der heute in Lauterbach wohnt, ist aus dem Jahr 2001 bekannt, als er – gerade einmal 20 Jahre alt – an einem Treffen in Baden-Württemberg teilnahm. Auf diesem entstand die «Division 28» als Nachfolgestruktur des verbotenen «Blood & Honour». Elf Jahre später, 2012, galt er bei der Polizei als ein Neonazi vom harten, militanten Kern. Zu dieser Zeit zog er von Saarbrücken nach Alsfeld in Mittelhessen und schloss sich der Szene um die «Hessen Oi League» an – eine Clique, die dem extrem rechten Spektrum zugehört aber eine politische Etikettierung für sich ablehnt. In den Jahren 2016, 2017 und 2018 reiste Gerber mit Daniel Orlewicz und dem Fanzine-Macher Andreas Moos zu Hammerskin-Konzerten nach Kirchheim (Thüringen). Vor allem fiel Gerber durch ein „HFFH“-Tattoo am Handgelenk auf. Die Internetseite „Versteckspiel – Lifestyle, Symbole und Codes von Neonazis und extrem Rechten“ veröffentlichte 2017 ein Foto dieser Tätowierung und erhielt daraufhin eine Mail von Gerber, in der er angab, die Tätowierung würde für „Hooligans Forever, Forever Hooligans“ stehen. Dies ist umso unglaubwürdiger, da Gerber wenige Wochen vor dieser Mail, am 15. Juli 2017, mit dem Shirt „Support The Nation“ an einem neonazistischen Konzert in Thüringen teilgenommen hatte. Auch wenn die Hammerskins darauf drängen, dass der Gruß „HFFH“ in der Neonaziszene ihnen vorbehalten bleibt, ist nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass Gerber Mitglied der Hammerskins ist. Möglicherweise gehörte er auch früher den Hammerskins an und schied dort – wie seine gemeinsamen Reisen mit Orlewicz zeigen – in Freundschaft aus.
Daniel Orlewicz (*1982) aus Petersberg bei Fulda ist seit Anfang der 2000er Jahre als Neonazi bekannt. Er nahm beispielsweise 2001 und 2004 an den „Rudolf-Hess-Gedenkmärschen“ im bayerischen Wunsiedel teil. Noch 2006 kandidierte er bei den hessischen Kreistagswahlen in Hünfeld (bei Fulda) für die Partei «Die Republikaner». Zwei Jahre später, 2008, wurde er erstmals als Prospect festgestellt und wurde um 2010 Vollmitglied bei den «Hammerskins Franken». Orlewicz ist ein „Macher“ im bundesweiten Kreis der Bruderschaft: Er gibt die Zeitschrift «Hör mal wer da hämmert» heraus, die Mitgliedern der «Hammerskin Nation» vorbehalten ist und er war an der Organisation einiger Konzerte des Chapter «Franken» beteiligt. 2017 produzierte er den Sampler „Hessen Skins“, das NOM am 23. Februar 2019 in Lohr am Main wurde maßgeblich von ihm organisiert. Orlewicz ist Obergefreiter der Reserve und aktiv in der «Reservistenkameradschaft Marbach». Er nahm – obwohl er seit vielen Jahren als Neonazi polizeibekannt ist – bis in die jüngere Vergangenheit an militärischen Übungen der Bundeswehr teil, beispielsweise 2017 am „Trätzhofmarsch“ inklusive Waffenkunde, den die «Reservistenkameradschaft Fulda» ausgerichtet hatte. Sein Facebook-Profilbild aus dem Jahr 2015 zeigte den „Pink Panther“ – eine positive Anspielung auf den «Nationalsozialistischen Untergrund», der in seinem Bekennervideo diese Figur nutzte. Im Juli 2013 nahm er an der Beerdigung des bayrischen Hammerskins Maximilian Reichel teil. Er folgte dem Sarg, wie Martin Wiese aus München, der sich vor Ort in unmittelbarer Nähe zu Orlewicz und Malte Redeker einfand. Wiese war Drahtzieher eines geplanten Bombenanschlags in München im Jahre 2003.
Orlewicz war nach eigener Angabe um 2010 technischer Sachbearbeiter und Konstrukteur in einer internationaler Automobilentwicklungsfirma. Am 19. August 2017 heiratete er in Petersberg Eva Link, jetzt Eva Orlewicz. Die Hochzeitsfeier war ein Schaulaufen der Hammerskins, die aus mehreren Bundesländern teils in voller Kluft anreisten. In der Einladung an die Hammerskins schrieb Orlewicz: „Es wird (zumindest Anfangs) alles im rockigen Rahmen gehalten, bis die Spießer alle weg oder besoffen sind. Daher bitte ich um etwas Rücksicht. (Wie hoch das Getreide steht, sieht man unmittelbar auf der anderen Bahnschienenseite anhand eines großen Feldes, daher brauch´s keiner nochmal extra zeigen)“. Die Ansage ist klar: Keine „Hiltergrüße“ vor der Verwandtschaft und möglichen Passant*innen.
Der dritte im Auto auf dem Weg zu den Hammerskin-Konzerten in Kirchheim 2016 bis 2018 war Andreas Moos (*1989) aus Haiger im hessischen Lahn-Dill-Kreis. Zumindest schreibt Moos in den Berichten über die Konzerte in seinem Skinhead-Zine «For the Love of Oi!», von dem von 2014 bis 2019 mindestens zehn Ausgaben erschienen, selbst davon. In dem Heft gibt es manche Ausflüge zu eher politikfernen Bands und Konzerten, jedoch auch Beiträge aus dem harten Kern der Neonaziszene. So schrieb im Herbst 2018 Daniel Orlewicz als Gastautor „Onkel Orle“ einen Bericht über den «Kampf der Nibelungen» in Ostritz. Mindestens drei Frontcover des Fanzines wurden zudem von Jörn Kaiser gestaltet, der zeitweise eng an die Hammerskins angebunden war. Im Jahr 2018 trat Andreas Moos mit Symbolik der «Crew 38» auf und besprach das von Orlewicz erstellte Heft «Hör mal wer da hämmert», welches eigentlich nur Mitgliedern der HSN vorbehalten ist. Moos prahlt damit, von Orlewicz die Erlaubnis erhalten zu haben, das Heft zu lesen.
Treffpunkte im Spessart
Der Spessart in Unterfranken ist seit Jahren ein Treffpunkt von Hammerskins. Früher trafen sich diese unter anderem auf dem Grundstück von Robert Mohr in Kreuzwertheim. Auf einem Privatgrundstück in Roden-Ansbach (nicht zu verwechseln mit Ansbach in Mittelfranken) fand 2012 der „Nationale Frankentag“ statt, auf einem Privatgrundstück in Urspringen war 2013 das Konzert „Europa Erwacht“ geplant. Am Abend vor dem NOM in Lohr am 23. Februar feierten 30 Hammerskins auf einem schwer einsehbaren Privatgelände am Rand von Urspringen eine Party mit Lagerfeuer. Für das NOM am nächsten Tag konnten sie ein Gebäude der Firma „BK Metall“ in Lohr im Spessart nutzen. Niemanden in der Stadt fiel das Treffen von über 70 Neonazis auf, die Polizei wusste offensichtlich gar nichts und tauchte nicht einmal auf.
Die Wiedereröffnung des traditionellen Landgasthofes «Wolzenkeller» in Triefenstein-Homburg, keine 30 Kilometer westlich von Würzburg gelegen, war sogar der regionalen Tageszeitung Mainpost im Mai 2017 ein Artikel wert. Die Gaststätte wurde von Eva Ittensohn, Tochter eines Lokalpolitikers, übernommen. Ittensohn ist an die Neonaziszene angebunden. Sie unterhält über soziale Netzwerke Kontakte zu Neonazis im Raum Würzburg um die Band «Untergrundwehr». Mit den Worten „Da ist ja unsere süße Maus!“ kommentierte sie im März 2020 ein Bild des Prospects Matthias Max Schödl in den sozialen Netzwerken. Im «Wolzenkeller» finden seit der Wiedereröffnung außerhalb der Betriebszeiten kleinere und größere Hammerskin-Treffen statt, so ein EOM am 20. Januar 2018. Für das erste Augustwochenende 2020 plante Daniel Orlewicz ein NOM im «Wolzenkeller» und schickte dafür eine Anfahrtsbeschreibung an die deutschen Chapter. Damit nicht genug. Für einen Likör namens „Fetch the Rope – Frankonia Moonshine“ wirbt die Facebook-Seite des «Wolzenkellers» im September 2018 : „Attention please…Fränkischer Moonshiner…ohne künstliche Aromen und Farbstoffe…exklusiv nur bei uns in den Geschmacksrichtungen Apfel-Vanille & Kirsche…fetzt!!!“ (sic!)
Das Etikett des Likörs ist unverfänglich, die Wortwahl macht jedoch hellhörig. „Moonshine“ ist in den USA zwar ein gebräuchlicher Begriff für selbst gebrannten Schnaps, doch in Kombination mit „Fetch the Rope“ (zu deutsch „Hol den Strick“) werden hier Assoziationen zum US-amerikanischen «Ku Klux Klan» (KKK) hergestellt. Das Bild der „Klansmänner“, die ihre Gegner*innen nachts im Mondlicht aufhängen, ist ein festes Motiv in der Neonaziszene. Besungen wird dies unter anderem im „Klan Song“ der Band «Landser»: „… und der Mond zieht seine Bahn, überm Reich des Ku Klux Klan“. Auf dem Etikett des „Frankonia Moonshine“ befindet sich außerdem der Slogan „NO (fuck the system) TAX“ – offenbar wird der Likör nicht versteuert. Letzte Zweifel daran, worauf der Name des Likörs anspielt, beseitigt der Prospect der «Hammerskins Franken» Uwe Gebhardt aus Haßfurt. Auch er vertreibt den Likör „Fetch the Rope – Frankonia Moonshine“, jedoch mit abgeändertem Etikett. Dieses zeigt die Zeichnung einer Südstaaten-Fahne und davor einen „Klansman“ mit weißer Kapuze, der einen Strick mit Henkersknoten in der Hand hält. Die Alkoholangabe auf dem Etikett ist 18,8%. Gebhardt brachte den Likör als Mitbringsel für seine „Brüder“ zum „Joe Rowan Memorial“-Konzert im Oktober 2019 nach Kirchheim (Thüringen) mit.
Hammerskins in Hessen
Von 2016 bis 2018 verbreitete Daniel Orlewicz das Label der «Hammerskins Hessen». Er richtete die Emailadresse „hs-hessen“ ein und produzierte 2017 den CD-Sampler „Hessen Skins“. Auf diesem befand sich zwar keine Band aus Hessen, doch waren die Buchstaben H und S im Schriftzug herausgehoben, so dass die Anspielung auf Hammerskins unmissverständlich war. Für ein „White X-Mas-Konzert“ am 17. Dezember 2016 in Kirchheim (Thüringen) verschickte Orlewicz einen Werbeflyer, der durch ein abgebildetes Zahnrad verdeutlichte, dass es sich um ein Hammerskin-Konzert handelte und durch die e-mail-Adresse „handkaesmitmusik@“ kommunizierte, dass Hammerskins aus Hessen dieses organisieren. Denn Handkäs mit Zwiebeln ist eine südhessische Spezialität. Außerdem war auf dem Flyer ein Wappen mit einem Löwen abgebildet, eine Mischung aus dem thüringischen und dem hessischen Landeswappen. Bei einem Hammerskin-Treffen im Jahr 2017 trug ein Teilnehmer ein bis dato nicht bekanntes Shirt mit diesem Wappen und dem Aufdruck HFFH. Jedoch: Ein eigenständiges Chapter «Hessen» ist bisher nicht entstanden und vermutlich hat auch niemals eines existiert. Die Hammerskins aus Südhessen sind dem Chapter «Westmark» angebunden, der Rest von Hessen ist weiterhin Einzugsgebiet der HSF.
Auch in Hessen war in den vergangenen Jahren zu beobachten, dass sich Einzelpersonen und kleinere Cliquen zu den Hammerskins orientieren. Sie reisen zu Hammerskin-Konzerten und suchen (oft virtuelle) Freundschaften zu Hammerskins und «Crew 38»-Mitgliedern. Ein Beispiel hierfür sind Thorsten Klar-Felser (*1983), geborener Klar, genannt „Totte“, aus Angelburg Lixfeld und Ullrich Meißner (*1983) aus Steffenberg. Die beiden sind enge Freunde und wohnen in einer abgelegenen Ecke Hessens im Landkreis Marburg-Biedenkopf an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen. Zusammen reisten sie 2007 auf die „Jahresparty“ der «Hammerskins Westmark», die in Kirchheim an der Weinstraße (Rheinland-Pfalz) stattfand. Klar-Felser bewegte sich vor allem in der NS-Hardcore-Szene (NSHC) und begleitete die Thüringer NSHC-Bands «Brainswash» und «Moshpit» um das Jahr 2010 auf Auslandstourneen nach Skandinavien und in die USA. Vor allem «Brainwash» zählte zum engen Umfeld der Hammerskins.
Seit ca. 2009 ist ein intensiver freundschaftlicher Kontakt von Meißner und Klar-Felser zu Thomas Irion aus München zu erkennen, der eine führende Person der «Hammerskins Bayern» ist. Die drei verabredeten sich zu Treffen und saßen in kleiner Runde zusammen.
Der Facebook-Freundeskreis Meißners um das Jahr 2016 las sich wie das Who-is-Who der deutschen Hammerskins. Es gibt jedoch keine Gewissheit darüber, ob Meißner und Klar-Felser jemals Mitglieder der Hammerskins waren oder sind. Zuletzt wurde Meißner am 9. Mai 2020 auf der «Querdenker»-Kundgebung des Bündnisses „nicht-ohne-uns“ gesichtet und im Anschluss von Antifaschist*innen geoutet.
Der Neonazi Florian Engler (*1979) aus Jesberg im Schwalm-Eder-Kreis fiel Antifaschist*innen bereits im Jahr 2002 als Besucher eines neonazistischen Konzertes auf. Danach findet sich keine Aktivität mehr von ihm bis zum 11. März 2017. An diesem Tag feierten die «Hammerskins Pommern» in Salchow bei Anklam ihr 20-jähriges Bestehen und Engler war ebenfalls vor Ort. Die weite Reise nach Anklam für eine Feier mit eingeladenen Gästen hätte niemand unternommen, der nicht dem engeren Kreis der Hammerskins angehört. Doch auch bei Engler findet sich kein Hinweis, welchen Status er bei den Hammerskins hat.
Auf der Bühne: das Chapter «Rheinland»
Das seit ca. 2017 bestehende Chapter «Rheinland» zeichnet sich durch den Kern seiner Aktivitäten im Bereich der neonazistischen Musikwelt aus. Eine Kristallisationsfigur ist Andreas Koroschetz. Seine Band «Division Germania» zählt zu den führenden Hammerskin-Bands in Deutschland. Neben ihm gehören aber auch weitere RechtsRock-Musiker zum Mitgliederstamm der «Hammerskins Rheinland».
Aufbau des Chapter
Schon vor der Existenz eines eigenen Chapters gab es Bezüge der Hammerskins in die Region Rheinland, da das Einzugsgebiet des damaligen Chapter «Westmark» bis nach Nordrhein-Westfalen reichte.
So war Thorsten Dederichs (*1976) aus Rheinbach (Rhein-Sieg-Kreis) Teil der neonazistischen Skinheadclique «Skinheads Rheinland», die Ende der 1990er Jahre Verbindungen zu den Hammerskins pflegten. Dederichs selbst wurde um 2003 Prospect beim Chapter «Westmark», schaffte es jedoch nicht über diesen Status hinaus. Auch der Hammerskin Stefan Pohlers (*1978), der ursprünglich aus der Rhein-Neckar Region stammt, lebte Mitte der 2000er Jahre eine Zeitlang in Rheinbach und war dem Chapter «Westmark» zugehörig.
Im Frühjahr 2013 kam Bewegung in die Strukturen der bundesdeutschen Hammerskins. Aus Angst vor einem möglichen Verbot wurde das tonangebende Chapter «Westmark» (schein)aufgelöst. Daraus folgend waren einige Hammerskins auf der Suche nach einer neuen Heimat. So auch Andreas Koroschetz, der 2010 beim Chapter «Westmark» als Prospect aufgenommen und im Juni 2013 zum Fullmember wurde. Aus der «Westmark» entstand kurz zuvor unter anderem das Chapter «Westwall», dem er sich anschloss. Nachdem sich ab dem Jahr 2014 in NRW das Chapter «Westfalen» gründete und festigte, wechselte er höchstwahrscheinlich zunächst dorthin. Dafür spricht auch, dass die Flagge dieses Chapters stets bei Konzerten präsentiert wurde, auf denen er mit «Division Germania» spielte. Aufgrund der zunehmenden Größe des Chapter «Westfalen» wurde Koroschetz mit dem Aufbau und der Leitung eines neuen Chapters im südlichen Teil von NRW beauftragt, dass erstmals um 2017 unter dem Namen «Rheinland» als vollwertiges Chapter wahrgenommen werden konnte. Alle Mitglieder des Chapters besitzen eine direkte Verbindung zu Koroschetz – vor allem über gemeinsame RechtsRock-Projekte, aber auch über politische Strukturen in denen Koroschetz in der Vergangenheit aktiv gewesen ist.
RechtsRock-Multiaktivist „Ängry Andi“
Andreas Koroschetz (*1983) bewegt sich seit Anfang der 2000er Jahre in diversen neonazistischen Strukturen wie der Kameradschaft «Widerstand Mönchengladbach» und im Umfeld der 2012 verbotenen «Kameradschaft Aachener Land» (KAL). Im Jahr 2005 kandidierte er bei der Bundestagswahl für die NPD als Direktkandidat in Mönchengladbach und war regelmäßig Teilnehmer neonazistischer Aufmärsche. Heute lebt er in Goch (Kreis Kleve) an der Grenze zu den Niederlanden und ist nur noch sporadisch bei öffentlichen Aktionen der Szene feststellbar.
Bekanntheit erlangte er unter dem Pseudonym „Ängry Andi“ vor allem als Musiker verschiedener RechtsRock-Bands. Dazu gehörten am Anfang seiner Karriere die bekannten Bands «Sleipnir» und «Macht & Ehre», bzw. «Schwarzer Orden». Ende der 2000er Jahre wirkte er bei den mittlerweile aufgelösten Bands «Jungsturm» und «Rotte Charlotte» mit. Später kam die Band «Hunde des Krieges» dazu, sowie sein Mitwirken am Projekt «Phönix». Vor allem «Jungsturm» waren es, die sich zum Aushängeschild des Chapter «Westmark» entwickelt hatten und damit zum Bezugspunkt Koroschetz‘ zur «Hammerskin Nation» (HSN) wurden.
Dreh-und Angelpunkt seines musikalischen Wirkens ist jedoch bis heute die Band «Division Germania», welche er als „Ein-Mann“-Projekt Anfang der 2000er Jahre gegründet hatte. Schon 2004 steuerte er mit der Band zwei Songs zum Sampler „Status Quo Germania – Hammerskin Nation“ bei. «Division Germania» ist ein wichtiger Player im internationalen extrem rechten Konzertgeschehen, vor allem für die HSN. Sie wird als Hammerskin-Band wahrgenommen, auch wenn in den Texten der Band keine Bezüge zur Bruderschaft erkennbar sind. Sie trägt zum Prestige der „Nation“ bei und wirkt auf Konzerten der HSN als Zugpferd. Sei es beim „Hammerfest“ im französischen Toul im November 2012, dem „Hammerfest“ im November 2015 in Mailand oder dem von der HSN organisierten „Defend Europe“-Konzert im März 2017 im französischen Nonsard-Lamarche: jeweils erzielten die Veranstalter vierstellige BesucherInnenzahlen und Achtungserfolge, auch dank der Beliebtheit von «Division Germania».
Ähnlich verhält sich dies mit den Kult-Bands der Szene um Sänger Daniel Giese, genannt „Gigi“, – «Stahlgewitter» und «Gigi & die Braunen Stadtmusikanten» – bei denen Koroschetz an der Gitarre steht. Beide Bands spielen nur selten live, wobei «Stahlgewitter» überhaupt erst seit 2016 wieder Konzerte gibt. Dementsprechend groß war der Andrang, als die Band im Oktober 2016 in der Schweiz auftrat. Um die 5000 Neonazis versammelten sich. Über 6000 Teilnehmende zählten Beobachter*innen bei dem zweiten Konzert der Band nach langer Schaffenspause im Juli 2017 in Thüringen. Mit Gieses «Gigi & die Braunen Stadtmusikanten» produzierte Koroschetz die 2010 veröffentlichte CD „Adolf Hitler Lebt!“. Auf dem Album, welches über ein Jahr vor Selbstenttarnung des NSU erschien, wird die rassistische Mordserie in Form eines Liedes („Döner Killer“) verherrlicht. Es stand der Verdacht im Raum, dass zumindest Texter Daniel Giese von den Taten des NSU gewusst haben könnte. Giese wurde wegen des Liedes 2012 wegen Volksverhetzung zu einer siebenmonatigen Haftstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auch gegen Koroschetz liefen damals Ermittlungen, doch dass er zum Zeitpunkt Prospect der HSN war, spielte dabei keine Rolle.
Alle Bands in denen Koroschetz mitwirkt gehören zu den „Top Ten“ der deutschen RechtsRock-Szene und heben sich durch ihre musikalische Reife vom Rest der Szene ab. Heraus stechen auch die Texte der Bands, in denen der politische Umsturz gefordert wird und es an Gewaltfantasien nicht mangelt. „(…) mal was Politisches, kein Spasslied hier, von wegen holt die Dolche raus oder so was“, leitete Koroschetz in sarkastischem Ton den nächsten Titel ein, den er mit «Division Germania» den rund 2500 anwesenden Neonazis auf dem „Hammerfest“ 2015 in Italien präsentierte. Mit „Spasslied“ bezieht er sich auf das Lied „Blut muss fließen“, in dem es heißt: „Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig! Lasst die Messer flutschen in den Judenleib!“ Ein häufig vom Publikum angestimmter Song, der seit Jahrzehnten auf Konzerten als Lückenfüller dient und aufgrund seiner stumpfen Brutalität für Belustigung sorgt. Tatsächlich folgte nach der Ansage Koroschetz‘ ein Cover des Songs „Stunde X“ der Band «Saccara», das ebenfalls ein Projekt von Daniel Giese ist. Dort heißt es : „Wir leben nur für die Stunde. Die Stunde, die einst kommen wird! Es ist schon in aller Munde, dass es einmal passiert. Unsere Stunde wird einmal sein, dann werden wir Deutschland vom Abschaum befreien!“
Deutlicher kann man die „Tag X“-Phantasien der Szene kaum begreifen, musikalisch dargeboten von einem Hammerskin. Dass es Koroschetz nie um den Spaß an der Musik ging, sondern dass sein Wirken Mittel zum Zweck ist, hob er bereits in einem Interview aus dem Jahr 2005 hervor: „darüber hinaus bin ich Mitglied in zwei Kameradschaften und nehme regelmäßig an Treffen, Aktionen und Demos teil und helfe, wo es nur geht. Ich lebe meine Ideologie!“. An anderer Stelle betont er: „Manche Leute vergessen wohl immer leicht, dass die Musik unsere mit Abstand wichtigste Propagandawaffe ist!“
Bei «Division Germania» fanden sich über die Jahre unterschiedliche Live-Musiker ein, die dadurch den Kontakt zu den Hammerskins fanden, oder die Koroschetz über die Bruderschaft überhaupt erst kennenlernen konnte. Etwa Nico Roth, wie Koroschetz Prospect beim Chapter «Westmark» oder Valentin Totaro, der die Hammerskins im Südwesten Deutschlands bis heute unterstützt. An dem Projekt wirkte 2015 außerdem Mirko Fritze (ehemals Szydlowski) mit, der sich in dieser Zeit als Anhänger der sächsischen «Crew 38» präsentierte.
Eine tatsächlich verlässliche Konstante bei «Division Germania», aber auch bei anderen RechtsRock-Projekten von Koroschetz, ist Matthias Weßler (*1982) derzeit lebend in Grevenbroich. Mit Weßler hatte Koroschetz um 2013 bereits beruflich zu tun. Beide arbeiteten im Sicherheitsgewerbe und waren dabei u.a. für die Solinger Firma CCS Security auf Festivals tätig.
Brüder bei den Brüdern
Koroschetz und Matthias Weßler sind seit den frühen 2000er Jahren freundschaftlich verbunden und stammen beide aus der regionalen Neonaziszene um Mönchengladbach. Ende der 2000er Jahre trat Weßler als Bassist bei der mittlerweile aufgelösten Band «Rotte Charlotte» in Erscheinung und gehört seit über fünf Jahren zur Live-Besetzung von «Division Germania«, «Stahlgewitter» und «Gigi & die Braunen Stadtmusikanten».
Bei allen Bandprojekten werden Koroschetz und Weßler stets von dem aus Hamm stammenden Patrick Gerstenberger am Schlagzeug unterstützt. Über das gemeinsame musikalische Wirken mit Koroschetz fand Matthias Weßler Anschluss an die HSN. Mit «Division Germania» spielten beide fast ausschließlich auf Konzerten der Bruderschaft in ganz Europa, wodurch Weßler viele Einblicke ermöglicht wurden. Bereits 2016 posierte er mit Merchandise der «Crew 38». Erst seit Herbst 2019 tritt er als Fullmember des Chapter «Rheinland» in Erscheinung. Auch Tobias Weßler (*1993) aus Wegberg – der jüngere Bruder von Matthias Weßler – kann ab Mitte der 2010er Jahre bei den Hammerskins festgestellt werden. Auch er wurde im Herbst 2019 Fullmember beim Chapter «Rheinland».
Die Weßler-Brüder bewegen sich seit vielen Jahren in der Fanszene des Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach. Ihre Zugehörigkeit zur rechten Szene verbergen sie im Stadion nicht, wie ein älterer Bericht der Rheinischen Post zeigt. Nachdem es im Stadion zu rassistischen Vorfällen gekommen war, kamen in einer Reportage 2006 verschiedene Borussia-Fans zu Wort. So heißt es in dem Artikel:
„Auch Jungs mit rasierten Köpfen und altdeutscher Schrift auf ihren Trikots sind darunter. ‚Bis in den Tod‘ steht auf dem Shirt von Matthias Wessler. Seine Haare sind an den Seiten kurzgeschoren. ‚Asylanten-Rufe, na und?‘, sagt er. ‚Das müssen die Spieler abkönnen.‘“
Alte Bekannte
Zur Beerdigung des Hammerskins und V-Manns Roland Sokol am 2. Oktober 2015 in Karlsruhe reisten rund 200 Neonazis an, darunter eine Vielzahl an Hammerskins aus ganz Europa in voller Montur. Unter den TeilnehmerInnen befand sich auch Andreas Koroschetz, der mit seiner damaligen Lebensgefährtin Susann Wagener im Pulk der Vollmitglieder seinen Platz fand. Hinter den Tross, quasi als Anhängsel, fanden sich auch zwei alte Bekannte von Koroschetz, aus der rheinländischen Neonaziszene ein: Torsten Mols (*1979) aus Grevenbroich und der derzeitige Dormagener Richard Hoffmann (*1981), genannt „Richie“.
Mols trat dort ohne Insignien der HSN auf, während sich Hoffmann in einem „Support the Nation“-Shirt präsentierte. Heute sind beide vollwertige Mitglieder im Chapter «Rheinland». Dies vermittelte vor allem Mols, der auf dem „Hammerfest“ im November 2019 in Frankreich mit Fullmember-Merchandise herum stolzierte. Torsten Mols war wie Koroschetz Mitte der 2000er Jahre in den Parteistrukturen der NPD aktiv und darüber hinaus regelmäßig als Teilnehmer und Ordner auf neonazistischen Aufmärschen zu sehen. Dennoch wurde er von Antifaschist*innen vor Ort nicht als Führungsperson wahrgenommen. Auch Richard Hoffmann ist ein alter Weggefährte von Koroschetz und gehörte Anfang der 2000er Jahre einer extrem rechten Clique im Düsseldorfer Süden an, in deren Kreis sich auch Koroschetz bewegte.
Wenige Zeit später als Mols und Hoffmann stieß auch Sven Otten (*1974), der heute in Wesel lebt und mit der Neonazi-Aktivistin Patricia Hardt liiert ist, zu den Hammerskins um Koroschetz. Er stammt aus der Neonazi-Szene vom Niederrhein und war in den 2000er Jahren Kreissprecher der NPD. Auch als Besucher von RechtsRock-Konzerten und Aufmärschen trat er damals in Erscheinung. Beim „Hammerfest“ im November 2019 war er als Prospect auszumachen.
RechtsRock-Multiaktivist „Phil“
Mit Philipp Neumann (*1989), genannt „Phil“, aus Bad Neuenahr-Ahrweiler ist ein weiterer wichtiger Akteur der RechtsRock-Szene zu den Hammerskins gestoßen. Bilder aus 2015 zeigen ihn in Merchandise der «Crew 38 Rheinland». Im Rahmen eines Auftritts von «Division Germania» ein Jahr später in Finnland posierte er schon mit der Bomberjacke, auf der ein Prospect-Patch zu erkennen ist. Diesen Status trug er auch noch beim „Hammerfest“ im November 2019 zur Schau.
Mittlerweile dürfte er es zum Fullmember geschafft haben. Neumann gründete 2007 die Band «Flak», die sich in den Folgejahren zu einer in der Neonazi-Szene beliebten und „authentisch“ geltenden Band entwickelte. Auf ihrem 2015 erschienenen, zweiten Studioalbum „Der Maßstab“ ist bei zwei Liedern als Gastsänger Andreas Koroschetz zu hören. Neumann wiederum beginnt in dieser Zeit in der Live-Besetzung von «Division Germania» und «Stahlgewitter» mitzuwirken. Mit der personellen Anbindung Neumanns an die Hammerskins rückte folglich auch «Flak» in den Fokus der Bruderschaft.
Die kommenden Veröffentlichungen fanden nun ihren Produktionsweg über Malte Redekers «Gjallarhorn Klangschmiede/Frontmusik» und auch ein Großteil der Konzerte wurde unter dem Banner der «Hammerskin Nation» durchgeführt. So befand sich «Flak» im Programm zentraler Events, wie den „Joe Rowan Memorial“-Konzerten 2017 und 2019 in Thüringen oder dem „Hammerfest“ 2019 in Frankreich. Möglichkeiten um sich live zu präsentieren, fand die Band darüber hinaus bei kleineren Konzerten der „Nation“, wie am 27. Juli 2019 im spanischen Gijon, eingeladen vom Chapter «Asturias». Auch Solo, als Liedermacher «Phil», kann Neumann seine „Brüder“ begeistern. Sei es in intimer, geselliger Runde in der Gartenlaube beim Chapter «Brandenburg» in Rathenow, oder im Nachgang von Treffen der Bruderschaft, wie bei einem EOM im Mai 2019 in Italien oder bei einem NOM im Frühjahr 2019 in Lohr am Main.
«Phil» ist aber auch auf zahlreichen Events der extremen Rechten außerhalb der HSN anzutreffen. Dabei gibt Neumann den RechtsRock-Musiker „zum Anfassen“, reist quer durch die Republik, macht fleißig Fotos mit seinen Fans und produziert Videos mit Szene-Beteiligung. Ob bei Veranstaltungen von «Die Rechte» und NPD oder ein „Solidaritätskonzert“ für die «Gefangenenhilfe»: «Phil» stellt sich „für die Sache“ stets zur Verfügung.
Die Bedeutung der «Hammerskins Rheinland» um Neumann, Koroschetz und Weßler für die neonazistischen Musiknetzwerke ist enorm. Besonders zu Tragen kam dies bei dem Großkonzert „Rock gegen Überfremdung II“ im Juli 2017 in Thüringen, welches mit über 6.000 Teilnehmenden eines der größten RechtsRock-Konzerte in Deutschland darstellte. Gleich dreimal stand Neumann dort für drei unterschiedliche Bands auf der Bühne: für «Flak» am Gesang und für «Stahlgewitter», sowie «Division Germania» an der Gitarre. Bei den zwei letzteren gemeinsam mit Koroschetz und Weßler. Für das trinkfreudige Neonazi-Publikum muss es an dem Abend manchmal schwer gewesen sein auf den ersten Blick zu erkennen, welche Band denn nun gerade spielt. Denn auch Patrick Gerstenberger trat an dem Abend nicht nur mit «Division Germania» und «Stahlgewitter» auf, sondern trommelte noch bei «Sleipnir». Der Band gehört auch Dominik Burcek (Kreis Gütersloh) an – auch Gitarrist bei «Flak» – sowie Martin Böhne aus Hamm, der bei dem Konzert auch für «Division Germania» die Gitarre zupfte. Verwirrung pur. Vier von Acht Bands auf einem Konzert – davon drei Headliner – die sich aus einem Pool von Musikern der nordrhein-westfälischen RechtsRock-Szene speisten. Ein Kern an Musikern, die munter das Live-Linup für unterschiedliche Band-Leader stellen – unter Mitwirken der Hammerskins.
Vom ABM zur HSN
„Besondere Grüße gehen an meine Familie des Koblenzer Prozesses, die Bruderschaft 38 Rheinland und die üblichen Verdächtigen in der Republik der kleinen Lichter“, heißt es in einer Grußliste von «Phil» in der Split-CD „Kampfgefährten“, welche zusammen mit Jens Herder aka «Der Oberberger» Anfang 2017 herausgekommen ist. Neben dem klaren Bekenntnis zur HSN wird selbstverständlich auch die „Familie des Koblenzer Prozesses“ gegrüßt. Denn schon bevor Philipp Neumann seine „Karriere“ als Musiker begann, gehörte er seit Mitte der 2000er Jahre zur militanten Neonazi-Szene im Raum Bonn und war einer der ursprünglich 33 Beschuldigten im Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen das «Aktionsbüro Mittelrhein» (ABM) vor dem Koblenzer Landgericht. Neumann verbrachte nach den Razzien gegen die Gruppe im März 2012 mehrere Monate in Untersuchungshaft. Nach einer siebenjährigen „Justizposse“ platzte der Prozess im November 2019 endgültig.
Den Angeklagten des ABM wurde unter anderem gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch sowie eine systematische Anti-Antifa-Arbeit vorgeworfen. Zur selbsternannten „Feindaufklärung“ gehörte die Pflege einer Personendatenbank mit gesammelten Informationen von „politischen Gegnern“. Im Zuge des Prozesses kam zum Vorschein, dass bspw. einem vermeintlich linken Journalisten und Referenten nach einer Vortragsveranstaltung ein Peilsender unter das Auto montiert wurde.
Das «Aktionsbüro Mittelrhein» war ab Mitte der 2000er Jahre eine der zentralen Kameradschaftsstrukturen im nördlichen Rheinland-Pfalz und war mit dem südlich angrenzenden «Aktionsbüro Rhein-Neckar» (ABRN) eng vernetzt. Bei Aktionen und Aufmärschen des ABRN unter der maßgeblichen Führung der Hammerskins Malte Redeker und Matthias Herrmann war das ABM regelmäßig vertreten. Einen der ersten größeren Auftritte als Liedermacher hatte Philipp Neumann schließlich am 10. April 2010 beim „Südwestdeutschen Kulturtag“ in Ludwigshafen. Bei der Veranstaltung, welche maßgeblich von Matthias Herrmann und ehemaligen Funktionären der verbotenen HDJ unter dem Deckmantel der NPD-Jugendorganisation JN organisiert wurde, war es Malte Redeker der «Phil» und die kleine Delegation des ABM am Eingang in Empfang nahm. Schließlich stellten Redeker und die «Hammerskins Westmark» den „Saalschutz“ an dem Abend. Nach dem es beim ABM 2012 zu Razzien gekommen war, unterstütze Redeker die Durchsuchten auch finanziell. In der Zeit hatte er eigentlich nur für seinen Kameraden Dierck Wagner in der Szene Geld gesammelt, weil dieser wegen einer nicht bezahlten Geldstrafe in Haft genommen wurde. Als dabei mehr zusammen kam, als für dessen Freilassung benötigt wurde, spendete er den übrigen Betrag „an die Jungs vom Aktionsbüro Mittelrhein“.
Von der Anklagebank in Koblenz hin zu den Hammerskins, führte es auch den im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler wohnhaften Norman Petrat (*1988). Im Zusammenhang mit der HSN fiel er zum ersten Mal auf, als er im März 2017 an der 20-Jahresfeier der «Hammerskins Pommern» in Salchow teilnahm und wenig später bei einen NOM im Juli 2017 im bayrischen Geiselhöring auftauchte. Noch im Sommer 2019 präsentierte er sich als Prospect des Chapter «Rheinland». Petrat zählte seit Mitte der 2000er Jahre zu den Strukturen des «Aktionsbüro Mittelrhein» und nahm regelmäßig an deren Aktionen teil, ohne zum engsten Führungskreis zu gehören. Nach den Razzien gegen das ABM musste auch er für mehrere Monate in Untersuchungshaft. An Personen wie Petrat und auch Neumann zeigt sich, dass es die Hammerskins einmal mehr geschafft haben, Mitgliedern verbotener oder zerschlagener Organisationen eine neue politische Perspektive zu bieten – abgeschottet von der Szene, mit der Bruderschaft als Lebensbund.
Aktivitäten des Chapters in der Öffentlichkeit
Am 20. Juli 2019 sollte anlässlich des 30. Geburtstags von Philipp Neumann ein RechtsRock-Konzert stattfinden. Angekündigt wurde ein Akustik-Set von «Frontalkraft», sowie der niederländische Liedermacher «Flatlander» aka Harm-Jan Smit, der ebenfalls der «Hammerskin Nation» angehört. Der Kartenvorverkauf lief über den NPD-Kader Sebastian Schmidtke und auch der Austragungsort, das «Fliedervolkshaus» im thüringischen Eisenach, gehört zu lokalen Struktur der NPD. Im Hintergrund zogen allerdings die Hammerskins die Fäden. Dies wurde ersichtlich, nachdem die Polizei die Veranstaltung schon während des Aufbaus auflöste. Dabei wurde nicht nur Hausherr Patrick Wieschke aus dem Objekt heraus geführt, sondern auch das fast komplette Chapter «Rheinland»: Neumann, Petrat, die Weßler-Brüder, Otten und Koroschetz. Auch Richard Hoffmann war anwesend.
Für Unbehagen sorgte bei den rheinländischen „Brüdern“ insbesondere die Tatsache, dass sie erst bei der Auflösung durch die Polizei registrierten, dass auch Journalist*innen vor Ort waren und das Ereignis dokumentierten. Während sie sich beim Aufbau unbeobachtet fühlten und einheitlich ihre „Rheinland – Prospect of the Nation“-Shirts zur Schau trugen – ausgeschlossen Koroschetz, der im Fullmember-Merchandise auflief – wirkte das Szenario während der Auflösung fast schon skurril. Schnell zog sich etwa Petrat ein anders Shirt über, während Neumann sein Shirt einfach umdrehte.
Wenige Monate später beim „Joe Rowan Memorial“-Konzert in Kirchheim das selbe Spiel: als Neumann die anwesenden Journalist*innen bemerkte, zog er zügig einen Windbreaker über seine Bomberjacke mit dem Prospect-Patch. Neumanns Geburtstagsfeier im Juli 2019 wurde letztendlich ins «Bulls Eye» in Eisenach verlegt, dessen ehemaliger Besitzer der Hammerskin Daniel Arnold ist.
Auch jenseits der Erlebniswelt RechtsRock sind die Mitglieder des Chapters als Gruppe auf extrem rechten Veranstaltungen anzutreffen, ohne dabei ihre gemeinsame Zugehörigkeit zur HSN zur Schau zu stellen. In einem Pulk tauchten zum Beispiel Philipp Neumann, Torsten Mols, Richard Hoffmann, Norman Petrat, Matthias und Tobias Weßler gemeinsam auf einer Kundgebung am 27. August 2018 vor dem Landtag in Düsseldorf auf. Rund 120 Personen, mehrheitlich aus der extrem rechten Szene, hatten sich dort versammelt um sich mit den rassistischen Mobilisierungen in Chemnitz solidarisch zu zeigen. Auch beim „Rudolf-Hess-Gedenkmarsch“ am 19. August 2017 in Berlin reiste ein Teil des damals jungen Chapter «Rheinland» geschlossen an und formierte sich zu eine Gruppe. Für Außenstehende nicht wahrnehmbar nahmen an dem Aufmarsch etliche Hammerskins aus ganz Deutschland teil, die sich bewusst in Blöcken zusammen fanden.
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