Am Montag, den 12. März 2018, versammelten sich über 500 Rechte im Rostocker Stadtteil Evershagen und folgten damit dem Aufruf des Kreisverbandes Landkreis Rostock der «Alternative für Deutschland» (AfD). Kurzerhand wurde der Auftaktort der Demonstration bei strömendem Regen um wenige hundert Meter hinter eine Protestkundgebung gelegt. Weit vor Beginn der auf 18.30 Uhr angesetzten Demonstration patrouillierte bereits eine Vielzahl von Nazigruppen durch die Straßen. Die Angereisten konnten sich zu Beginn der Veranstaltung trotz hohem Polizeiaufgebot frei im Stadtteil und auch auf den Kundgebungen des zivilgesellschaftlichen Bündnisses «Rostock Nazifrei» bewegen.
Bereits am Auftaktort der Demonstration war eine nicht unerhebliche Anzahl an Teilnehmenden alkoholisiert. Viele führten weitere Getränke in Glasflaschen mit. Die Versammlungsleitung fühlte sich aus diesem Grund genötigt, neben dem Verlesen der polizeilichen Auflagen auch auf ein striktes Alkoholverbot bei der Versammlung hinzuweisen. Weil die Anwesenden der Aufforderung nur ungenügend nachkamen, verzögerte sich der Start der Demonstration auf Grundlage polizeilicher Anordnungen.
Nachdem der Anmelder Steffen Reinicke, Beisitzer des AfD-Kreisverbands Rostock, die Veranstaltung mit dem Volkslied „Die Gedanken sind frei“ eröffnet hatte, übermittelte er den Teilnehmenden die Nachricht einer Routenänderung. Nach Absprache mit der Einsatzleitung der Polizei wurde die Demoroute aufgrund dynamischer Gegenproteste in Hör- und Sichtweite auf einige hundert Meter verkürzt. Trotz weiterer Volks- und Schlagerlieder wie „Hoch auf dem gelben Wagen“ und „Marmor, Stein und Eisen bricht“, die von den Rechten lautstark mitgegröhlt wurden und das Bild der Veranstaltung prägten, formierte sich zunehmend Unmut in den Demonstrationsreihen. Sprechchöre wie „Widerstand“, „Wir wollen marschieren“, „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ oder „Antifa-Hurensöhne“ wurden angestimmt und offenbarten so auch hörbar die Teilnahme von extrem Rechten. In der Gesamtschau kann von einer bürgerlichen Demonstration nicht die Rede sein. Etliche Teilnehmende nahmen bereits bei ähnlichen Veranstaltungen von «MVgida» teil, wie etwa der Anmelder diverser GIDA-Aufmärsche Enrico Naumann. Auch aktuelle Strukturen der extremen Rechten fanden sich in der Demo wieder, teils übernahmen diese gesonderte Funktionen.
So brachten sich Mitglieder der «Identitären Bewegung» (IB) strukturell in die Versammlung ein und übernahmen versammlungsrechtliche Aufgaben. Im Verlauf der Demonstration hatten sie immer wieder Probleme, die aufgebrachten und zum Teil hochaggressiven Teilnehmenden ihrer Veranstaltung beim Vorbeilaufen am Gegenprotest in den eigenen Reihen zu halten. Erneut kam auch der aus NPD-Zeiten erfahrende Ordner Daniel Funke zum Einsatz. Der hintere Teil der Demonstration wurde durch Daniel Sebbin und den kürzlich nach Rostock gezogenen Tom Mollzahn abgesichert. Die beiden aus Berlin stammenden Identitären Christian Adler, der gegenwärtig in Greifswald lebt und eine Vielzahl an Infoständen der neofaschistischen Gruppierung im gesamten Bundesland betreut, sowie Wilhelm Nolde waren auf der Demo mit AfD-Fahne anzutreffen.
Außerdem vor Ort: Daniel Fiß mit Kamera. Der im Umfeld der «Nationalen Sozialisten Rostock» (NSR) sozialisierte und NPD-erfahrene Bundespressesprecher der «Identitären Bewegung Deutschland e.V.» schien angesichts des mobilisierten Publikums sichtlich ernüchtert. Ein ähnlichen Eindruck machte auch der ihm an die Seite gestellte Begleiter, dessen einzige Aufgabe offenbar darin bestand, stets schützend einen Schirm über den Identitären und dessen Kamera zu halten. Fiß‘ ehemaliger Kamerad Kevin Käthner war ebenfalls mit Kamera vor Ort. Dieser schien besonders bemüht, die anwesende Presse sowie Protestierende abzufotografieren. Bereits bei dem jährlich stattfindenden Trauermarsch in Demmin tat er sich in der Vergangenheit als Anti-Antifa-Fotograf hervor und veröffentlichte im Nachgang Fotos bei Facebook. Auf Bildern stets vermummt, gehört er zum festen Stamm der Gruppe «Aktionsblog/NSR», die bereits bei der AfD-Demo im Oktober 2015 mit eigenem Transparent anzutreffen war. Am Montag außerdem vertreten waren die Kameradschaft «Sektion Nordland» mit der Neonazistin Franziska Kreuz, sowie die «Rostocker Division» mit Patrick Schulz, der erst vor wenigen Wochen aufgrund diverser Verfahren, u.a. wegen einer auf dem Hinterkopf tätowierten „Schwarzen Sonne“, zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde.
Am Ende der Demonstration bedankte sich Volker Litke, Vize-Vorsitzender der AfD Landkreis Rostock, ausdrücklich bei den Identitären. Litke kennt die neofaschistische Struktur schon länger. In einem Beitrag von «Spiegel TV» ist zu sehen, wie er an einem Stammtisch der IB teilnimmt. Das enge Verhältnis der AfD MV zur «Identitären Bewegung» scheint innerhalb der Partei auf keinen merklichen Widerstand zu treffen. Das Verhältnis beider Gruppierungen beinhaltet in Mecklenburg-Vorpommern eine personelle, strukturelle und inhaltliche Zusammenarbeit. Eine Vielzahl gemeinsamer Aktionen in der Vergangenheit und auch diese Demonstration zeigen, dass beide überdies ein aktionsorientierter Aktivismus eint. Ein Blick auf das Erscheinungsbild der aktuellen Demo genügt, um festzustellen, dass die AfD MV auch weiterhin organisierte Neonazis anzieht und in der öffentlichen Wahrnehmung von dieser dominiert wird. Am 9. April 2018 soll eine weitere Demonstration in Rostock-Evershagen folgen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der fehlende bürgerliche Charakter und der Gegenprotest auf die kommende Demonstration auswirkt.