Am 8. und 9. November 2025 fand in Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt erstmals die Buchmesse «SeitenWechsel» statt. Die Veranstaltung inszenierte sich als Gegenmodell zu etablierten Buchmessen und bot so einem breiten rechten Spektrum eine Plattform – von bürgerlich-konservativen Strömungen, über Initiativen aus der sogenannten Neuen Rechten, bis hin zu extrem rechten und neonazistischen Organisationen. Die Veranstaltung vereinte Milieus, die im öffentlichen Raum selten so offen sichtbar nebeneinander auftreten. Nach Eigenangaben besuchten mehr als 6.000 Menschen die Messe.
Schon im Vorfeld entlarvte der Organisations-Kreis der Buchmesse, was sie unter Meinungs- und Pressefreiheit verstehen, denn nur in Begleitung und unter Kontrolle von Aufsichtspersonen sollten sich ausgewählte Journalist*innen in der Messehalle bewegen dürfen. Foto- und Filmaufnahmen waren grundsätzlich untersagt. Eine kritische Berichterstattung sollte systematisch verhindert werden. Frei bewegen konnten sich hingegen die rechten Medien-Projekte «Utopia TV», «Auf 1 TV» und «Schmidtkes Welt» – ein YouTube-Projekt des langjährig aktiven Neonazis Sebastian Schmidtke, der noch 2024 für «Die Heimat» (ehemals NPD) kandidierte. Nur die eigenen, wohlwollend inszenierten Bilder sollten von der Messe nach draußen gelangen.
Mit dem Einsatz einer versteckten Kamera sollte diese Strategie der Selbstverharmlosung gebrochen und der interessierten Öffentlichkeit ein kritischer Blick auf das extrem rechte Event ermöglicht werden. Anhand des vorliegenden Video-Materials können im folgenden Personen und Zusammenhänge vorgestellt werden, die bislang unentdeckt blieben, in der Summe für eine analytische Betrachtung der Buchmesse allerdings relevant sind.
Organisatorisches

Ausgestellte Bücher am Stand des «Zeitenstrom Antiquariat» verweisen deutlich auf die Richtung der Messe nach rechtsaußen
Initiiert wurde «SeitenWechsel» federführend von der Dresdnerin Susanne Dagen, die mit ihrem Partner Michael Bormann die Buchhandlung «BuchHaus Loschwitz» und den dazugehörigen Verlag «edition buchhaus loschwitz» betreibt. Mit Sympathien für die PEGIDA-Bewegung, einer Kandidatur für die «Freien Wähler» und inzwischen als Sprecherin für Kultur und Tourismus der AfD-Fraktion in Dresden, gilt sie als bestens vernetzt und fest im rechten Milieu verankert. Gemeinsam mit Ellen Kositza moderiert Dagen seit Jahren die Literatursendung «Aufgeblättert, Zugeschlagen – mit Rechten lesen». Neben AfD-Politiker Maximilian Krah und Kositzas Ehepartner Götz Kubitschek – dem Mitbegründer der extrem rechten Denkfabrik «Institut für Staatspolitik» sowie Leiter des «Antaios-Verlags» – war auch schon der Kopf der «Identitären Bewegung», Martin Sellner, in der Sendung zu Gast. Keine Überraschung also, dass die AfD und ihr Vorfeld auf der Messe in Halle (Saale) omnipräsent waren.
Über die geladenen Gäste und den Großteil des Messeangebots wurde bereits ausführlich berichtet. Allen voran über Hans-Georg Maaßen und Helmut Roewer, beide einst „Hüter der Demokratie“ in ihrer Funktion als Verfassungsschutz-Chefs, die heute nur noch für das Postulieren bizarr rechter Verschwörungen bekannt sind. Gefolgt von extrem rechten Strippenziehern, Scharfmachern und „Vordenkern“ oder die, die es gerne wären, wie Philip Stein vom «Jungeuropa»-Verlag, der Rechtsanwalt Dubravko Mandic, «Junge Freiheit»-Chefredakteur Dieter Stein oder Kabarettist Uwe Steimle.
Wer versteckt sich hier?
Nicht alle Involvierten wollten sich auf der Buchmesse offen dem Publikum präsentieren. Vermummt mit einer weißen Ski-Maske erschien, angekündigt vom neu-rechten Strategen Götz Kubitschek, ein viel umworbener Star der Szene als „Special Guest“: Aron Pielka, besser bekannt unter dem Pseudonym „Shlomo Finkelstein“. Der YouTuber versammelt tausende sogenannter Internet-Trolle hinter sich, die seiner Videoreihe «Die Vulgäre Analyse» folgen und auf Kommando ausgemachte Feinde mit Hass und Hetze überziehen, während sie Content der AfD auf Social Media viral gehen lassen. Regelmäßig wird in der „Finkelstein-Community“ thematisiert, dass man straffrei die Frage diskutieren können sollte, ob im NS-Regime tatsächlich sechs Millionen Jüd*innen ermordet worden. Keine andere Persönlichkeit aus der extremen Rechten konnte Pielka an diesem Wochenende das Wasser reichen. Vermutlich auch, weil Pielka erst im Frühjahr 2025 vorzeitig aus der Haft entlassen wurde, wo er u.a. wegen Volksverhetzung und des Verbreitens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen landete. Seine „Fans“, überwiegend ein ältere Klientel, stand während seiner Lesung auf der Buchmesse teilweise bis in den Flur.

Anmoderiert u.a. von Götz Kubitzschek, war die Lesung von Aron Pielka überdurchschnittlich stark besucht
Trotz einem kompletten Kleidungswechsel nach der Veranstaltung und der darauffolgenden Signierstunde, konnte Pielka seine Anonymität jedoch nicht wahren: die verdeckten Aufnahmen zeigen ihn am späten Nachmittag im Gespräch mit Götz Kubitschek, der ihm währenddessen einige Scheine zusteckt, während seine Partnerin solange Kubitscheks Bier halten durfte. Der Rummel um „Shlomo Finkelstein“ gibt viel Aufschluss über den eigentlichen Charakter der Buchmesse. Die größtenteils durchschnittlich wirkenden Biedermänner in Begleitung ihren Partnerinnen, oft im Stil der sogenannten „Tradwife“, scharen sich um den Mann, der für „die Sache“ sogar in Haft wanderte. Sie alle sind Teil der menschenverachtenden Hetze, Pielkas Hass-Armee. Der nicht mal Dreißigjährige, der an der Front des Kulturkampfes von rechts steht, ist Symbol dafür, wie innerhalb des Milieus Hass und Hetze als Meinungsfreiheit verkauft wird.
Der NS-Buchclub – Man wird jawohl noch den Holocaust leugnen dürfen
Der bereits in vielen anderen Artikeln erwähnte Eklat, die Ausladung des bekannten Neonazis Sascha Krolzig und seines «Sturmzeichen»-Verlags, war lediglich strategischer Natur. Im Repertoire des Verlags findet man u.a. druckfrisch Schriften und die Biografie der verstorbenen Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, sowie die verlagseigene Zeitschrift «N.S. heute» („Nationaler Sozialismus heute“). Krolzig ist nur das Bauernopfer, denn andere, teils seit Jahrzehnten umtriebige Neonazis samt ihrer Projekte, waren auf der Messe herzlich willkommen. Etwa der «MetaPol»-Verlag, der in Halle u.a. von Pierre Dornbrach (alias „Peter Steinborn“) und Paul Rzehaczek repräsentiert wurde. Beide gehörten der Führungsriege der «Jungen Nationalisten», einst Jugendorganisation der NPD (heute «Die Heimat») an. Dornbach ist Mitbegründer von «MetaPol», an dessen Stand jüngst auch einige Autoren des Verlags anzutreffen waren. Etwa der bekannte Neonazi-Anwalt Björn Clemens und Alexander Markovics, Mitbegründer der «Identitären Bewegung». Beide schreiben regelmäßig auch für die «Deutsche Stimme» (DS), dem völkisch-nationalistischen, antisemitischen Presseorgan der extrem rechten Partei «Die Heimat». Am Stand von «MetaPol» konnte zudem der Berliner Neonazi Steffen Nickel festgestellt werden, der schon vor über zehn Jahren über die Webseite «Buchschrank» u.a. Adolf Hitlers „Mein Kampf“ und das antisemitische Buch „Rassenkunde des jüdischen Volkes“ zum Verkauf anbot. Komplettiert wurde der Stand von «MetaPol» durch den extrem rechten Autor Peter Feist und einen weiteren langjährig aktiven, aber bislang namentlich unbekannten Kader der «Jungen Nationalisten». Dieser trat in der Vergangenheit mehrfach für ausländische Neonazi-Gruppen als Kontaktperson in Deutschland und als Übersetzer bei Aufmärschen auf.
Ganz offiziell war auf der Messe auch das Magazin «Aufgewacht!» mit einem Stand angetreten. Es gehört zum Repertoire der extrem rechten Partei «Freie Sachsen» und fusionierte erst im März 2025 mit der «Deutschen Stimme». In Halle wurde das Format unter anderem vom Neonazi-Strategen Michael Brück und dem Chemnitzer Multi-Funktionär Robert Andres vertreten. Brück engagierte sich jahrelang mit verschiedenen politischen Kampagnen und Aufmärschen u.a. für die Freilassung der notorischen Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Die Abschaffung des § 130 StGB (Volksverhetzung) lag dabei im Fokus von Brück, dessen Buch „Kampf um Dortmund“ im besagten «Sturmzeichen»-Verlag erschien. An Brücks Seite befand sich in Halle der DS-Autor Ronny Zasowk, seit über einem Jahrzehnt Funktionär der NPD, heute «Die Heimat». Zasowk dürfte ganz entzückt über die Buchmesse gewesen sein, wie auch über die Entwicklung seiner Partei. Zum Richtungsstreit der NPD vor ein paar Jahren machte er sich für eine breite Öffnung der Partei stark und schrieb dazu etwa in der DS: „Die Partei sollte sich künftig als Netzwerker und Dienstleister des patriotischen Protests sehen, um so zur Einheit der Patrioten beizutragen und neue Bündnisse zu ermöglichen“. Auch Zasowk setzt sich für eine straffreie Relativierung des Holocaust ein und empörte sich schon 2009, dass „Zweifel an gesetzlich verbrieften historischen Wahrheiten“ nicht gestattet seien.
Dass die «SeitenWechsel»-Buchmesse nur Berührungsängste mit der Neonazi-Szene zeigte, wenn, wie im Fall des «Sturmzeichen»-Verlags, explizit hingewiesen wurde, bekräftigen auch die folgenden Beobachtungen.Beim «Zeitenstrom Antiquariat» um Betreiber Heinrich Mahling aus Chemnitz – „Alter Herr“ der «Marburger Burschenschaft Germania», IB-Aktivist, Gewalttäter und heutiger Inhaber der «GegenUni UG» – konnten schließlich neonazistische „Klassiker“ von SS-Offizier und Holocaustleugner Léon Degrelle erworben werden. Der von Adolf Hitler ausgezeichnete SS-Standartenführer glorifiziert in seinen Werken das NS-Regime. Seine Bücher sind heute äußerst begehrt, nicht nur in der Neonazi-Szene. Für satte 85 Euro war Degrelles „Die verlorene Legion“ am Stand von Mahling zu erwerben.
Diese Art Lektüre schätzt auch einer der Besucher der Messe, der sicher lieber unerkannt geblieben wäre: Henrik Ostendorf aus Bremen, bekannt als langjähriger Parteikader, Hooligan und Mitorganisator des Neonazi-Kampfsportevents «Kampf der Nibelungen». Als Herausgeber der geschichtsrevisionistischen, NS-verherrlichenden Zeitschrift «Ein Fähnlein», vermarktet er u.a. „Soldatenbiographien“ und organisiert unter konspirativen Umständen sogenannte „Zeitzeugen-Vorträge“. Sichtlich im Gespräch vertieft war er in Halle auch mit Roland Wuttke, dem Chefredakteur der Zeitschrift «Volk in Bewegung» (ViB), die vom Thüringer Neonazi-Kader Thorsten Heise herausgegeben wird. Die ViB erscheint seit 2008 im «Nordlandverlag», für den nicht nur der in Halle ausgeladene Sascha Krolzig schon schrieb, sondern vor allem Ursula Haverbeck, Horst Mahler und Rigolf Hennig – allesamt Persönlichkeiten des neonazistischen Spektrum, die bis zu ihrem Tod als glühende Holocaustleugner galten. Auch AfD-Spitzenfunktionär Björn Höcke schrieb schon in der ViB, wenn auch unter seinem Pseudonym „Landolf Ladig“.
Großer Bewunderer von Haverbeck und Co. und Besucher der Messe, ist auch Manfred Dammann aus Niedersachsen. Er war langjähriger Stratege und Funktionär der NPD, und gilt als Initiator des heutigen Neonazi-Zentrums «HeimatHof» (ehemals «Hof Nahtz») im niedersächsischen Eschede. Aktuell ist Dammann Mitbetreiber des YouTube-Kanals «Nordland TV», unter den beliebtesten Videos findet man dort den Beitrag „Ursula Haverbeck gibt nicht auf – Neue Chance im Rechtskampf“. Am Stand des Neonazi-Verlags «Lesen & Schenken», betrieben von Dietmar Munier mit Sitz in Martensrade (Schleswig-Holstein), fand sich in Halle wiederum der langjährig aktive NPD-Funktionär Jens Lütke neben Guido Kraus ein, dem ehemaligen Chefredakteur der «Deutschen Militärzeitschrift» (DMZ), die auch mit einem Stand vor Ort war.
Die kriegslüsterne extreme Rechte kommt im Sortiment von «Lesen & Schenken» voll auf ihre Kosten, ein NS-verherrlichendes Buch reiht sich ans nächste. Glorifizierung der Wehrmacht und Waffen-SS wird hier seit über vier Jahrzehnten perfektioniert und ist ein Millionengeschäft. Der Chef des tief braunen Imperiums tritt selten öffentlich auf, bewegt sich lieber abgeschottet im Kreise seiner völkischen Sippschaft, mit der er Sonnenwendfeiern und ähnliches abhält. Ein großes Werbebanner zeigt Dietmar Munier in Halle mit dem von ihm herausgegebenen Buch „Das neue Hausbuch Deutsche Weihnacht“. Der Sammelband ist im völkischen Milieu hoch im Kurs, auch weil in den abgedruckten Texten und Liedern „viele deutsche Landschaften, insbesondere die deutschen Ostgebiete“ berücksichtigt werden, wie es in einer Buchbeschreibung heißt. Mit „deutsche Ostgebiete“ ist hier nicht etwa Sachsen oder Brandenburg gemeint, sondern die Gebiete in den Grenzen des Deutschen Reichs. Mit Stefan „Björn“ Ulbrich, dem Betreiber des nicht unter den Ausstellern befindlichen rechts-esoterischen «Arun-Verlags» aus dem thüringischen Engerda, war ein weiterer Verleger aus völkischen Kreisen in Halle anwesend. Ulbrich war in jungen Jahren Teil der später verbotenen völkischen Jugendorganisation «Wiking Jugend». Schon 1991 gelang es ihm, eine skurrile Autorenschaft zusammenzustellen und extrem rechte Positionen salonfähig zu machen. An dem von Ulbrich herausgegebenen Buch „Multikultopia“ schrieb u.a. eine Politikerin aus dem damaligen SPD-Parteivorstand, ein CDU-Funktionär und ein Mitglied der Initiative „SOS Rassismus“ mit, neben dem bekannten Theoretiker der „Neuen Rechten“ Alain de Benoist und dem Holocaustleugner und Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger. In Halle unterhielt sich Stefan Ulbrich angeregt mit Ellen Kositza.
In bester Gesellschaft
Viele weitere Personen aus dem extrem rechten Spektrum fühlten sich von der Messe in Halle angesprochen. Etwa Andreas Groh aus dem Raum Bamberg (Bayern), der sich 2018 vor Gericht zu verantworten hatte, weil er um 2015 mit weiteren Neonazis die «Weisse Wölfe Terrorcrew» gebildet hatte, die u.a. Anschläge auf Unterkünfte für Geflüchtete geplant haben sollen. Groh entwickelte sich in den letzten Jahren als lokaler Funktionär der Neonazi-Partei «Der III. Weg», für die er vor allem bei bundesweiten Aufmärschen im Ordnerdienst tätig ist. Mit Malwig Stelter aus dem Raum Berlin konnte ein weiteres gewaltaffines Mitglied der Neonazi-Partei auf der Messe in Halle festgestellt werden. Dem Partei-Stützpunkt „Westsachsen“ im Raum Zwickau (Sachsen) gehörte lange Zeit Till Weckmüller an, der heute in der Kanzlei des Freiburger Rechtsanwalts Dubravko Mandic arbeitet und in Halle den Stand der Kanzlei mitbetreute. Weckmüller ist, wie Philip Stein und Heinrich Mahling, „Alter Herr“ der «Marburger Burschenschaft Germania». Aus seiner Zweitverbindung, der «Halle-Leobener Burschenschaft Germania», wurde Weckmüller ausgeschlossen. Die Betreuung des Standes der Kanzlei teilte sich Weckmüller in Halle mit dem Jung-AfDler Max Leonard Hülsenbeck, der in Passau (Bayern) Jura studiert(e) und darüber hinaus als Mitglied der extrem rechten Burschenschaft «Markomannia Wien zu Deggendorf» bekannt ist. Mit Mandic referierte Weckmüller auf der Messe zudem zum Thema „Juristische Aufrüstung in Zeiten zunehmender Repression und Mobilmachung“. Auf diesen Vortrag machte Mara Miosga aus Dessau (Sachsen-Anhalt), gemeinsam mit Aktivistinnen der «Jungen Nationalisten», im Eingangsbereich der Messe durch das Verteilen von Flyern aufmerksam.
Mit der Partei «Der III. Weg», an deren Aufmärschen er noch mindestens bis 2019 teilnahm, hat Weckmüller nie gebrochen. Erst im Mai 2025 reiste er mit Manuel Ganser und einer ukrainischen Neonazi-Aktivistin zu einer Kampfsportveranstaltung ins sächsische Stollberg. Wie Ganser, Leiter des Stützpunkt „Westsachsen“ von «Der III. Weg», war Weckmüller dort Teil des Teams «Barbaria Schmölln SG» um den bekannten Neonazi und «Kampf der Nibelungen»-Kämpfer Martin Langner. Bei der «Barbaria Schmölln SG» werden nicht nur Kampfsportkurse für den Partei-Nachwuchs abgehalten, auch altgediente Neonazis wie der NSU-Unterstützer Thomas Gerlach, trainieren im Gym in Schmölln schon länger.
Wie Gerlach gehört auch Tino Marx aus Merseburg (Sachen-Anhalt) der in Deutschland seit 2023 verbotenen, weltweit agierenden Neonazi-Bruderschaft «Hammerskin Nation» an. Lokal sind beide im Ableger «Hammerskins Sachsen» organisiert. In Halle bewegte sich Marx am zweiten Tag der Messe mit Hendrik Möbus, wie aus einem Live-Stream hervorgeht. Möbus ging in die Kriminalgeschichte als „Satansmörder von Sangerhausen“ ein. Seit 2022 in Merseburg wohnhaft, steckt er bis heute hinter den wichtigsten, international verbreiteten Produktionen im „National Socialist Black Metal“-Bereich, kurz NSBM. Er ist zudem in der Organisation von NSBM-Konzerten wie dem «Hot Shower Fest» in Italien und dem «Asgardsrei» in Kiew (Ukraine) involviert. Sein Interesse an der Messe in Halle rührt auch daher, dass er selbst als Autor tätig ist. Sein Buch „The White God Of War: Baron Roman von Ungern-Sternberg“ stellte er bereits 2018 im Rahmen des «Asgardsrei»-Festivals vor.

Der Hammerskin Tino Marx und NS-Black Metal-Produzent Hendrik Möbus auf der Messe in Halle. Bildquelle: Screenshot YouTube
Ein anderer Besucher aus der organisierten Neonaziszene, der die Messe in Halle interessiert verfolgte, ist Steffen Hupka. Der heute als völkischer Siedler bekannte Hupka wohnt in Hohenthurm, unweit von Halle. Im nahen Leipzig hatte Hupka in den 2000er Jahren mit dem Hamburger Neonazi-Funktionär Christian Worch regelmäßig Aufmärsche durchgeführt. Auch Hupka ist seit den 1990er Jahren als Publizist tätig. In seiner Schrift „Neue Wege“ von 2010 warnte er etwa vor der „Vernichtung weißer Völker durch Rassenvermischung“. Auffällig viele Personen aus der „alten“, klassischen Neonaziszene fanden den Weg nach Halle. So auch Thomas Sattelberg, der Rädelsführer der 2001 verbotenen «Skinheads Sächsische Schweiz» in Ostsachsen war. Die Kameradschaft galt als bestens vernetzt und war für ihre Brutalität überregional berüchtigt. Später engagierte sich Sattelberg in der NPD und wurde zum Aushängeschild des Neonazi-Treffpunkts «Haus Montag» in Pirna. In den Räumen, die jüngst von den «Freien Sachsen» übernommen wurden, befindet sich auch eine Bibliothek, der «Club 451», in dem Sattelberg und seine Gefolgschaft über rechte Lektüre debattieren. Sattelberg ist der Neuen Rechten aufgeschlossen und besuchte schon im September 2025 ein «Jungeuropa»-Verlagstreffen in Freital (Sachsen).
Die große Nähe der „Neuen Rechten“ zu neonazistischen Strukturen, ist auch auf die zahlreichen Biografien ehemaliger Neonazikader zurück zu führen, die heute zentrale Funktionen in der „Neuen Rechten“ einnehmen: Michael Schäfer, als Teil der Vorfeldorganisation «Ein Prozent» zeichnet sich heute für den neu-rechten Verlag «Hydra Comics» verantwortlich. Bis 2012 war er Bundesvorsitzender der «Jungen Nationalisten». In Halle hatte Schäfer mit „Rango Wohlgemut“ einen der aktivsten «Hydra»-Zeichner im Schlepptau. Hinter dem Pseudonym versteckt sich der Münchner Comiczeichner und Messeveranstalter Gerhard Schlegel, der am «Hydra»-Stand Autogramme gab.
Am Stand des «Jungeuropa-Verlags» standen mit Benedikt Kaiser und Tom Zimmermann gleich zwei Personen aus der Chemnitzer Neonazi-Szene. Während Kaiser sich während seines Studiums in Chemnitz bei den «Nationalen Sozialisten Chemnitz» betätigte, bewegte sich Tom Zimmermann vor allem in extrem rechten Fangruppen des Chemnitzer FC.

Alexander Deptolla im Gespräch in vertrauter Runde mit den Österreicher IB-Kadern Yannick Wagemann und Johnny Mühlmann
Vor Ort in Halle war außerdem Alexander Deptolla, Mitorganisator des Neonazi-Kampfsport-Events «Kampf der Nibelungen», das seit 2019 in Deutschland keine Wettkämpfe durchführen darf. Deptolla war mit seiner Partnerin auf der Messe in Halle und immer mit verschiedenen Personen aus der Neuen Rechten im Gespräch. Zwischenzeitlich umringten ihn mehrere Personen, die ein Selfie mit ihm ergattern wollten, etwa Yannick Wagemann, Führungsperson des Wiener Ablegers der faschistischen «Identitären Bewegung». Sehr schlecht positioniert war in Halle der Stand der deutschen «Identitären» um Vincenzo Richter und Maximilian Märkl. Sie waren in Begleitung zahlreicher IB-AktivistInnen angereist, wobei vor allem die Gruppe um das «Zentrum Chemnitz» breit vertreten war. Bemerkenswert war, dass Richter am Stand ausgewählte Personen zu einer Afterparty in die «Villa Barbarossa», eine IB-Immobilie im nahen Schkopau einlud, auf der auch Götz Kubitschek mit seinem Sohn Wieland auftauchen sollte. 30 Euro kostete dort der Einlass, ein stattlicher Preis für eine „Privatveranstaltung“.
Ein anderer, einst in Halle aktiver „Identitärer“, Till-Lucas Wessels, war hingegen am Stand von «klein&ehrlich», gemeinsam mit der Inhaberin Claudia Maria Schlegl aus Passau, zu finden. Wessels ist für den „aufmüpfigen“ Kinderbuch-Verlag aus Bayern als Autor tätig. Auch das extrem rechte Kurzseminar-Portal «Blitzwissen», das in Halle vertreten war, stammt aus der «Identitären Bewegung». Ursprünglich u.a. von Martin Sellner initiiert, wird es heute von dem Wiener Stefan Kreuzwirt geleitet. Er zeigte sich am Stand gemeinsam mit dem extrem rechten Autor und Inhaber des völkischen «Alberich-Verlags», Linus Ammer. In der Vergangenheit nahm Ammer auch an Veranstaltungen der völkischen, seit Herbst 2023 verbotenen «Artgemeinschaft» teil.
Zwischen bürgerlichem Antlitz und Glorifizierung des NS
«SeitenWechsel» verfolgte erklärtermaßen das Ziel, ein Gegenmodell zu etablierten Buchmessen zu schaffen – ein Anspruch, den die Messe 2025 in vielerlei Hinsicht erfüllen konnte. Bereits beim Betreten des Messegeländes wurde deutlich, dass «SeitenWechsel» weit mehr war, als eine reine Literaturveranstaltung. Die Messe fungierte als geschlossener Resonanzraum, in dem sich unterschiedliche Strömungen der Rechten begegneten und ideologische Schnittmengen sichtbar wurden. Die Vereinigung eines gesamten rechten Spektrums, vom bürgerlich auftretenden Konservatismus über verschwörungsideologische Milieus bis hin zur knallharten NS-Szene.
Neonazis wie Henrik Ostendorf und Roland Wuttke hätten sich vor einigen Jahren wohl kaum erträumen können, auf einer Messe mit tausenden Teilnehmenden ganz selbstverständlich neben dem ehemaligen Präsidenten des Geheimdienstes und einer Fürstin wie Gloria von Thurn und Taxis zu stehen. Von einem „Dammbruch“ sprach auch Götz Kubitschek ganz euphorisch und hatte damit wohl in gewisser Weise recht. Ein derartiger Schulterschluss gelang bislang, wenn überhaupt, nur bei Straßen-Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie rund um «Querdenken» oder dem AfD-Aufmarsch in Chemnitz 2018.
Und dennoch: Die Selbstdarstellung als „alternatives“ Forum, das vermeintlich unterdrückten oder ausgegrenzten Positionen Raum biete, prägte die Atmosphäre vor Ort. Viele Gäste beschrieben sich als Opfer von „Cancel Culture“ oder als marginalisierte Stimmen im politischen Diskurs, die sich vom „Mainstream“ bedroht fühlen. Neben dem substanzlosen Geraune von „Cancel Culture“, waren die enorm lange Wartezeit an den einzigen zwei Imbiss-Ständen der Dauerbrenner. Infrastrukturell war die Veranstaltung überfordert: eine Dreiviertelstunde Wartezeit für einen Kaffee und ein Brötchen, Wasser gab es zwischenzeitlich nicht zu kaufen – in die Messe mit rein nehmen durften Besuchende eh nichts. In der Warteschlange besprachen diese vor allem ihre Sorge, auf Fotos erkannt zu werden und dadurch berufliche Nachteile zu erleiden.
Nicht zuletzt betonte die enge Vernetzung rund um Kubitscheks «Sezession», den Verlag «Antaios» sowie die IB und AfD-nahe Infrastruktur, dass die Messe ein politisches Projekt ist – und ein Ort, an dem rechte Hegemoniearbeit längst Normalität geworden ist. Die thematische Mischung aus Politik, Lifestyle, Medien und Esoterik spiegelte das breite, aber homogen autoritäre Spektrum der heutigen Rechten wieder. Die Messe schaffte Räume zur Vernetzung und Rekrutierung und bot gleichzeitig Symbolwert. Auch indem sie eine hohe Zahl an Teilnehmenden sowie ein breites Sponsoring gewinnen konnte. Symbolträchtig war auch das Datum, der 9. November, dem Gedenktag für die Opfer der nationalsozialistischen Pogrome. Kubitschek ergötzte sich in seinem Resümee zur Buchmesse am symbolischen Gehalt und akzentuierte, dass sie sich ausgerechnet am 9. November „auf einer Mauer, einer Brandmauer müdetanzen, während sie eingerissen wird…“. Für November 2026 ist bereits eine Neuauflage der Messe angekündigt.











































