Für Montag, den 12. März 2018, wirbt der Kreisverband Landkreis Rostock der «Alternative für Deutschland» (AfD) für eine Demonstration unter dem Motto „Islamisierung stoppen – Für eine sichere Heimat“ im Rostocker Stadtteil Evershagen. Ausgangspunkt dürfte die seit über einem Jahr geplante, aber mittlerweile verworfene Einrichtung eines muslimischen Gebetsraumes im Stadtteil sein, die von einer Vielzahl extrem rechter Aktivitäten begleitet wurde. Mit „Es ist wieder soweit: Große Demo“ will die hiesige AfD an ihren Mobilisierungserfolg vom Oktober 2015 anknüpfen. Innerhalb von zwei Wochen konnten damals über 1.000 Menschen mobilisiert werden – unter ihnen Personen der völkischen «Artamanen», ehemalige Mitglieder von «Blood & Honour» (B&H) und Kader aus dem Kameradschaftsspektrum sowie der «Nationaldemokratischen Partei Deutschland» (NPD) in Mecklenburg-Vorpommern. Nachfolgend sollen die Teilnehmenden und vertretenen Strukturen in Vorausschau auf die kommenden angemeldeten Demonstrationen der AfD in Rostock dargestellt werden.
Die Organisation der weit über 250 «MVgida»-Demonstrationen durch die NPD in den letzten Jahren kam vor allem der AfD zugute. Im September 2016 verpasste die NPD den dritten Einzug in den Landtag. Nun – ein Jahr vor der nächsten Kommunalwahl in Mecklenburg-Vorpommern – nimmt die AfD das Zepter selbst in die Hand und kündigt für die kommenden Montage mehrere Demonstrationen in Rostock an. Relevante Parteimitglieder waren zuletzt mehrmals bei den „Merkel muss weg“-Veranstaltungen in Hamburg, die einen ähnlichen Ausdruck haben. Unter ihnen auch Holger Arppe, dessen Gewaltphantasien im Herbst letzten Jahres für sein kurzzeitiges politisches Aus sorgten. In privaten Chats tauschte er sich mit anderen Mitgliedern der AfD und seiner damaligen Fraktion über Mord an politischen Gegnern, Vergewaltigungsphantasien, Pädophilie und Kannibalismus aus. Umso erschreckender ist die Tatsache, dass sich der Landesvorstand der AfD in Mecklenburg-Vorpommern nach der medialen Skandalisierung ohne erkennbare Konsequenzen für Arppe unreflektiert und unverändert mit diesem umgibt. Bekannt ist Arppe überdies für seine enge Verbindung zu Mitgliedern der «Identitären Bewegung» (IB). Mit Blick auf die Personalie Arppe ist es nicht verwunderlich, dass sich die hiesige AfD nahezu aller extrem rechter Strukturen im Land bedient: einstige NPD-Sympathisanten wie dem Second-Hand-Tankstellenverkäufer Philipp Steinbeck, Neonazis aus völkischen Siedlerfamilien wie Jan Krauter, Rechtsterroristen wie der kürzlich zugezogene Bernhard Schaub von der mittlerweile aufgelösten «Europäischen Aktion», Prepper Haik Jäger, Identitäre wie Jan-Phlipp Tadsen.
Struktur der AfD-Demonstration 2015
In der Hochphase der «Pegida»-Bewegung in Mecklenburg-Vorpommern „traute“ sich die AfD im Jahr 2015 erstmals unter dem Motto „Asylchaos stoppen! Große AfD-Demo“ auch nach Rostock. Die Gewaltbereitschaft der etwa 1.000 Teilnehmenden zeigte sich auch in einem auf Youtube eingestellten Video. Nach der Hälfte der Route traf die Demonstration auf Gegenprotest – getrennt durch eine Reihe von Polizeiautos. Das Video zeigt den Versuch der AfD-Demonstration, die Absperrung zu durchdringen und wie unzählige Wurfgegenstände und pyrotechnische Erzeugnisse auf die Protestveranstaltung geworfen wurden.
Für die Wahl der Ordner wurde auf die eigene Struktur sowie die außerparlamentarische Vertretung der «Identitären Bewegung Mecklenburg-Vorpommern» (IB MV) gesetzt. Neben dem aus NPD-Zeiten erfahrenen Ordner Daniel Funke aus Semlow und seinem Bruder Florian war weiterhin Marc Zelas aus Hamburg in ordnender Funktion bei der Demonstration. Die zumindest zeitweise bei der AfD beschäftigten IB-Aktivisten Albert Glas und Jan-Phlipp Tadsen waren ebenfalls in Rostock vor Ort. Begleitung fand der AfD-Mitarbeiter Glas durch den identitären Reisekader Daniel Sebbin.
Die lokale Struktur der IB hoffte auf einen ähnlichen Erfolg von «Pegida» im Nordosten, zeigte sich aufgrund der lokalen Ausgestaltung aber resigniert über die mäßigen Mobilisierungserfolge und die offen rassistische und neonazistische Gangart in MV. Bereits im März 2015 stellte sich der jetzige Bundespressesprecher der Identitären, Daniel Fiß, als Ordner für die NPD-Organisation «MVgida» zur Verfügung. Die Verbindungen zwischen der AfD und den Mitglieder der IB sind vielfach belegt, so ist es nicht verwunderlich, dass auch die neofaschistische Gruppierung über ihr Sublabel «Wellenbrecher MV» für die AfD-Demonstration am 12. März 2018 mobilisiert.
Außerdem 2015 als Ordner tätig war der ehemalige CDUler und jetzige AfD-Landtagsabgeordnete Jens-Holger Schneider. Um 2007 pflegte Schneider offene Sympathien für die extreme Rechte im Land. Mehrfach sind Teilnahmen an NPD-Demonstrationen dokumentiert. Am Rande einer Demonstration in Wismar 2007, die sich gegen die lokalen Neonazi-Strukturen der «Werwölfe Wismar» richtete, pöbelte Schneider zusammen mit dem mehrfach verurteilten Sven Krüger aus Jamel gegen die Antifa-Demonstration. Die freundschaftliche Beziehung zwischen Schneider und Krüger hält bis heute an. Der «Hammerskin» Sven „Obsti“ Krüger stellt ein wichtiges Verbindungsglied dar – sowohl im nationalen als auch internationalen Rahmen. Mehrere regelmäßig stattfindende Veranstaltungen im Jahr, wie beispielsweise Sommer- und Wintersonnenwenden, mit insgesamt mehreren hundert Neonazis aus ganz Europa stellen einige der wichtigsten Vernetzungsevents im Land dar.
AfD bringt militantes Netzwerk auf die Straße zurück
In der Mitte der AfD-Demonstration 2015: Oliver Dobitz, ehemaliger Sektionsführer von «Blood & Honour Mecklenburg». Nach dem Verbot von B&H betrieb Dobitz weiterhin den Szeneladen «Bodycheck», vormals «Last Resort», in Rostock und nahm an Demonstrationen der NPD teil. Ähnlich wie viele andere alte Kader sah er mit dem Aufkommen von «Pegida» die Stunde für einen neuen Aktivismus gekommen. Bereits beim ersten Aufmarsch von «MVgida» in Schwerin nahm Dobitz teil.
Im Oktober 2015 stets an seiner Seite war Christoph Goldbach, Verwaltungsmitarbeiter der Hansestadt Rostock. Goldbachs Arbeitsstelle als Koordinator der Amtsleitung im Amt für Jugend, Soziales und Asyl dürfte auch der Grund für seine Bemühungen sein, sich stets von anwesenden Kameras abzuwenden und eher bei szeneinternen Veranstaltungen vorstellig zu werden. Zuletzt nahm er an Wehrsportübungen «Combat und Survival» des Hildesheimers Johannes Knoch teil. Allem Anschein nach fungierten die „Schulen“ wie die «Combat & Survival Warrior School» als legales Dach, um militanten Neonazis eine paramilitärische Ausbildung zu ermöglichen. Die Übungen fanden teils auf Truppenübungsplätzen statt, bei denen Neonazis mit scharfen Schusswaffen ihr Training absolvierten. Zum Angebot zählte u.a. eine Scharfschützenausbildung. Auch der mittlerweile verstorbene Sänger der B&H-nahen Band «Nordmacht» Torsten Köhn nahm an der AfD-Veranstaltung teil. Köhn selbst wurde später auch aktiv und initiierte über Facebook spontan eine Kundgebung am 30. Januar 2016 gegen eine Asylunterkunft in Rostock-Lichtenhagen. Auch wenn der Beitrag über 150 Mal geteilt wurde, fanden sich nur 30 Personen, vornehmlich aus dem Umfeld der «Patrioten Rostock», zusammen.
Wenige Tage vor der AfD-Demonstration gründete Nico Waldow, Bundeswehrsoldat (Hauptfeldwebel) bei der Fliegerstaffel in Laage, eine geheime Facebook-Gruppe, um den Teilnehmenden „Informationen und Treffpunkte zu verschaffen“. Als weiteren Administrator der Gruppe setzte er den Rostocker Immobilienmakler Jean Dieckelmann ein. Die zunächst bewusst kleingehaltene Gruppe einte Altnazis, unter ihnen die rechte Hand von Christian Worch Lars Jacobs, den Betreiber des ehemaligen «Freien Infotelefons», einem Kommunikationsnetzwerk der Neonazis in den 90er Jahren. Ebenso vertreten war der «Nordmacht»-Sänger Torsten Köhn sowie das Unterstützerumfeld der lokalen Rockerstrukturen und bekannte Verschwörungstheoretiker.
Dieckelmanns extrem rechte Vergangenheit reicht zurück bis in die 1990er Jahre. Im April 1996 wurde die Polizei wegen „Sieg Heil“-Rufen und Schüssen in Diedrichshagen bei Rostock verständigt. Unter den Festgestellten waren die spätere B&H-Struktur, Bandmitglieder von Nordmacht und «Bataillon 500» sowie Jean Dieckelmann und weitere Personen aus der geheimen Facebook-Gruppe. Auch an der rechten 1. Mai-Demo in Rostock 2006, für die bundesweit mobilisiert wurde, nahm Dieckelmann teil. Erst vor einer Weile wurde er wieder am Rande einer antifaschistischen Kundgebung gegen die rassistische Hetze in Rostock-Groß Klein im Sommer 2016 gesichtet. Im Chat schreibt er offen über seine Kontakte zur Polizei und pflegt bei Facebook auch Kontakte mit dem Rostocker Staatsschutz. Seine Firma «Lifestyle Immobilien» wird bei «Radau-Immobilien» als Partner benannt. Radau-Immobilien vermiete den «Identitären» in Rostock eine Büroetage für ihre Bundeszentrale in der Graf-Schack-Straße 7. Mehrfach wurde das Unternehmen auf die Verflechtung des Mieters Daniel Sebbin und auf die große Bedeutung der Räumlichkeit hingewiesen – bisher ohne Reaktion.
Schulterschluss
Der Schulterschluss von NPD, AfD, «Identitärer Bewegung» bis hin zu Mitgliedern militanter Kameradschaften und Netzwerke ist bundesweit und auch in Mecklenburg-Vorpommern längst vollzogen. Immer deutlicher wird, dass die selbsterklärten Konservativen der AfD keinerlei Berührungsängste zu dem gewaltbereiten Spektrum der Rostocker Neonazi-Szene aufweisen. So sind auch für nächsten Montag mehrere hundert, gewaltbereite Rechte auf der Straße zu erwarten. Neben der AfD mobilisieren auch die üblichen rechten Seiten in den sozialen Netzwerken, etwa «Infoflut Rostock», die rassistische Gruppierung «Wismar wehrt sich» oder auch die neofaschistische «Identitäre Bewegung». Der AfD-Beitrag zur Demonstration wurde bisher annähernd 1.200 Mal verbreitet. Dass die NPD-Seite «MVgida» nicht öffentlich mobilisiert, wird dem Frust geschuldet sein, dass hier wieder einmal die AfD die Ideen und Aktionen der NPD weiterführt und bisher am meisten vom Rechtsruck profitiert. Neben dem „Kampf um die Parlamente“ heißt es für die AfD im Norden, nun offensichtlich strategisch auch den „Kampf um die Straße“ ebenso erfolgreich zu etablieren. Bereits für den 2. April 2018 ist eine weitere Demonstration der AfD in Rostock angemeldet.