Am Montag den 5. Februar 2018 meldete Uta Ogilvie eine Demonstration unter dem Motto «Merkel muss weg» auf dem Hamburger Jungfernstieg an. Gefolgt sind dem Aufruf Neonazis, rechte Schlägerjungs der 80er Jahre und Menschen in Pelz und Perlenkette. Die Gruppe umfasste fast 60 Rechte aus Hamburg. Bis dato sind alle Aufmarschversuche einen Pegida-Ableger in Hamburg zu etablieren fehlgeschlagen, auch wegen der starken Gegenproteste. Trotz einer vergleichsweise geringen Zahl an Teilnehmenden, zeigte sich am letzten Montag in Hamburg eine äußerst heterogene Zusammensetzung auf der Straße.
Die Anmelderin Uta Ogilvie äußert sich in sozialen Medien mit Sätzen wie: „Ich will mein Land zurück“, teilt Beiträge von der rechten Zeitung «Junge Freiheit» oder Akif Pirinçci. Am 20. September 2017 verfasste sie für das Neu-Rechte Medium «Tichys Einblick» einen Artikel, in dem sie Donald Trumps Klimapolitik befürwortet und sich das politische Ende der „Grünen“ in Deutschland erhofft. Passenderweise ist sie bei dem Hamburger Energie-Dienstleister «EnVersum» angestellt, bei dem ihr Mann Erich Ogilvie die Geschäftsführung inne hat. Auch dieser mobilisierte für die Demonstration am Montag. Er sympathisiert mit der AfD, folgt in sozialen Netzwerken dem Faschisten Heinz-Christian Strache und AfD Politiker Jörg Meuthen, ebenso wie der unter Neu-Rechten beliebten Seite „Lügenpresse“.
In passender Gesellschaft befanden sich die Demonstrierenden mit dem Neonazi Danny Belucis, Mitglied der Kameradschaft «Sektion Nordland», sowie dem NPD Anhänger Sven Mazurek. Beide nehmen regelmäßig an neonazistischen Demonstrationen teil, wie beispielsweise dem «Tag der deutschen Zukunft» oder den «Merkel muss weg» Veranstaltungen, die seit März 2016 in Berlin stattfinden.
Einer der Hauptakteure vom vergangenen Montag, Thomas „Togger“ Gardlo ist die Schnittstelle zwischen dem eher bürgerlich geprägten Teil und den Neonazis, die am Montag auf der Straße waren. Als Türsteher bei verschiedenen Veranstaltungen, häufig im gehobeneren Umfeld, knüpfte er zahlreiche Kontakte in bürgerliche Kreise. Zudem trainiert Gardlo Mitglieder der «Identitären Bewegung» (IB) und Burschenschaftler für den sogenannten Straßenkampf. Bei Veranstaltungen wie dem IB-Stammtisch übernimmt Gardlo auch Schutzaufgaben. Bereits in der Vergangenheit gelangte Gardlo in die Schlagzeilen, als 2002 aufgedeckt wurde, dass er und sein Bruder, zwei bekannte Neonazis, Personenschützer von Ronald Schill waren. Beide engagierten sich im Umfeld der „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ (ANS) und später bei der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP). Auch sind die Brüder mit Wehrsport und paramilitärischen Übungen in Deutschland und dem Ausland in Verbindung zu bringen. Zudem ist Gardlo wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz vorbestraft. Bei einem Boxkampf 2007 wurde er bei einer öffentlichen Massenschlägerei außerhalb des Rings auffällig. Als Sicherheitsangestellte beleidigten er und seine Kollegen den Boxpromoter Ahmet Ö. rassistisch und provozierten ihn. Aktuell wirbt die Seite „Date4sports.com“ mit der „Türsteher-Legende Togger“ für Outdoor-Bootcamps.
Gardlo, der sich gerne als „Retter“ und „Beschützer“ inszeniert, rief im Rahmen des «G20» in Hamburg am 7. Juli 2017 dazu auf sich in Winterhude vor der Bar «Harms & Schacht» zu versammeln, um den Stadtdteil vor vermeintlichen Randalierern zu schützen. Im Zuge dessen wurden Fotos von vermeintlichen Linken mit der Aussage: „Finden und am Gänsemarkt fesseln und steinigen“ verbreitet. Anwesend war unter anderem auch Eric Eder – IBler, Burschenschaftler und Schützling Gardlos.
Ebenfalls in Winterhude, als auch am Montag bei der Demonstration am Jungfernstieg, war der Hamburger Faschist Claus Döring. Dieser pflegt guten Kontakt zu Burschenschaftlern der «Hamburger Burschenschaft Germania» und zahlreichen Neonazis bundesweit. Ebenso ist er gut bekannt mit Stefan Lüdtke, dem Hamburger Regionalleiter der IB. Der frühere Landesschriftführer der rechten Partei «Die Freiheit», gehörte kurze Zeit zum faschistischen Flügel der AfD, bis er als „Hooligan“ in die Schlagzeilen gelangte. Er nahm an dem Aufmarsch der «Hooligans gegen Salafisten» 2014 in Köln teil und feierte danach in sozialen Medien die Übergriffe des rechten Mobs.
Am besagten Montag schloss sich ebenso eine handvoll Neonazis an, die bereits in den 80er Jahren, beispielsweise bei der rechten HSV Fangruppe «Hamburger Löwen» aktiv waren und bis heute mit Thomas Gardlo bekannt sind. Vergangenen Jahres nahmen die rechten Schläger am sogenannten «Gangs united» Treffen auf der Hamburger Reeperbahn teil, um jahrzehntealte Gangstreitigkeiten zu begraben, in alten Heldengeschichten zu schwelgen und neue Bande zu knüpfen. Damals wie heute basiert ihr Agieren auf chauvinistischen Denkmustern und einem martialischen Männlichkeitsbild – das zentrale ideologische Bindeglied des Zusammenschlusses.
Weiter beteiligten sich am Montag drei Männer, die bisher im Zusammenhang mit der AfD aufgefallen sind. Ein Mann beispielsweise ist als die „rechte Hand“ des (Ex) AfD Mitglieds Ludwig Flocken bekannt. Er nahm an einer „Hooligan“ Demonstration in Magdeburg 2016 teil, zu der er unter anderem mit dem norddeutschen Neonazi-Kader Thomas Wulff anreiste. Ein weiterer anwesender AfD Anhänger tauchte mit dem Kreise um Flocken im Rahmen einer rassistischen Mobiliserung unter dem Namen «Bünt» gegen die Eröffnung einer Unterkunft für Geflüchtete auf.
Bundesweit versammelt sich die neue, völkische Protestbewegung seit Anfang 2016 regelmäßig unter der Parole «Merkel muss weg» in Berlin. Was NPD & AfD in Metropolregionen zuvor weniger gelang, schaffen offensichtlich neue Strukturen aus unorganisierten Einzelpersonen. In Berlin kann mit der zentralen Klammer «Merkel muss weg» spektrenübergreifend eine heterogene Masse von hunderten, teils tausenden Menschen mobilisiert werden. Immer wieder reisen auch zahlreiche Neonazis aus Norddeutschland zu diesen Demonstrationen organisiert an.
Dass in der Großstadt Hamburg jede Woche eine rechte Demonstration stattfindet, würde vielen Rechten bundesweit gefallen. So mobilisieren die entsprechenden Hetzseiten «PI-News», «Philosophia Perennis» und «Pegida» bundesweit zu der nächsten Veranstaltung nach Hamburg.
Für diesen Montag ist mit einem größeren Zulauf, sowie mit einer weiteren Vernetzung des rechten Spektrums zu rechnen.