Gegründet 1994, waren die «Hammerskins Nederland» (HN) bis kurz nach der Jahrtausendwende bekannt für ihr dominantes Auftreten innerhalb der «Hammerskin Nation» (HSN). Eine Zeit lang hatten sie sogar die Position des „European Secretary” inne. Viele Mitglieder der HN waren älter als die anderer europäischer Chapter. Zusammen mit den «Schweizer Hammerskins» ergriffen sie Ende der 1990er Jahre die Initiative, die europäischen Hammerskins zu einer einheitlichen und hierarchischen Organisation zu formen. Mitte der 2000er Jahre stellte das alte Chapter seine Aktivitäten ein, jüngere Neonazis beleben jedoch seit spätestens 2013 die Struktur auf ein Neues, der heute eine Handvoll Fullmember angehört.
«Hou-Kontakt» als Vorreiter
Zum Verständnis der Entstehung niederländischer Strukturen der «Hammerskin Nation» muss ein Blick auf den Anfang der 1990er Jahre und das Neonazi-Netzwerk «Hou-Kontakt» geworfen werden. «Hou-Kontakt» war eine der ersten und am besten organisierten neonazistischen Skinhead-Gruppen in den Niederlanden, mit eigenem gleichnamigen Fanzine. Die Kontakte der Gruppe reichten unter anderem zur extrem rechten Partei «Centrumpartij ’86» (CP’86), mit deren Mitgliedern – einige selbst rechte Skinheads – gemeinsame Treffen organisiert wurden. «Hou-Kontakt» veranstaltete aber auch eigene Zusammenkünfte und Konzerte, wie etwa einen Auftritt der englischen Neonazi-Kultband «No Remorse» in den Niederlanden oder eine Tour dieser Band durch Tschechien und Polen. Laut eigener Darstellung besaß «Hou-Kontakt» 15 Ortsgruppen in den Niederlanden. In Eindhoven etwa rekrutierte das Netzwerk Personen aus der Gruppe «Mad 88», die vor Ort, unter anderem in der von Neonazis besetzten, ehemaligen Militärbasis «De Kazerne», die Security für RechtsRock-Konzerte stellte.
Von 1991 bis Juli 1995 veröffentlichte «Hou-Kontakt» insgesamt 25 Ausgaben ihres Fanzines. In einigen Ausgaben waren damals schon die Kontaktadressen der «Schweizer Hammerskins», «Northern Hammerskins» (USA), der «Charlemagne Hammerskins» (Frankreich) und der «Hammerskins Bohemia» (Tschechien) zu finden. Auf dem Cover der letzten Ausgabe des Fanzines befand sich zudem eine Zeichnung, die einen Skinhead vor zwei gekreuzten Hämmern zeigt. Zu diesem Zeitpunkt existierten die «Hammerskins Nederland» bereits ein Jahr. Die Zeichnung stammt aus der Feder des damaligen Hammerskins Nick Broers (*1970) aus Eindhoven.
Treibende Kraft hinter «Hou-Kontakt» war Martin Alexander Van de Grind (*1969). Ein Neonazi, der in der Region Amsterdam aktiv war und derzeit in Veendam im Norden der Niederlande lebt. Van de Grind ist noch heute noch in der Szene aktiv und betreibt an seinem Wohnort mit seiner Ehepartnerin Myrthe Van de Grind einen privaten Treffpunkt mit dem Namen «Rac’n’Roll Place». Dieser dient ist nicht nur der lokalen Szene als Anlaufpunkt, sondern war mehrfach Austragungsort für extrem rechte Liederabende. An den Wänden der Kneipe hängt unter anderem eine alte Flagge von «Hou-Kontakt», aber auch die der «Crew 38» – der UnterstützerInnengruppe der HSN – wurde regelmäßig angebracht. Besonders dann, wenn die neu formierte «Crew 38 Nederland» Van de Grinds Treffpunkt ab 2013 für eigene Events nutzte.
Turbulente Anfangszeit
Während 1994 die Struktur von «Hou-Kontakt» langsam zerfiel, gründete Martin Van de Grind die «Hammerskins Nederland». Im „Hammerskin Yearbook” (exklusiv für Hammerskins) von 1997 hieß es dazu: „Ursprünglich gründete das Chapter ein Typ namens Martin v d G. Er war ein großartiger Organisator und er war in der niederländischen Skinhead-Szene gut bekannt. Er war aber auch ein versoffener und ahnungsloser Idiot. Er hielt ungefähr ein Jahr aus und wurde dann aus dem Geschehen dauerhaft verdrängt”. [Übers. d. Verf.]
Später schloss sich Van de Grind der niederländischen Sektion von «Blood & Honour» an. Davon, dass sich in den Niederlanden ein Chapter der Hammerskins gegründet hatte, wusste auch der niederländische Geheimdienst 1995 zu berichten.
Die Anfangszeit der HN verlief nicht konfliktfrei. Im Jahrbuch der «Hammerskin Nation» von 1997 schilderten die Niederländer in einem Interview, dass die Organisation zunächst rasant anwuchs. Jeder rechte Skinhead, der etwas auf sich hielt, wollte Teil der neuen Gruppe sein. In kürzester Zeit entstanden drei Ableger des niederländischen Chapters in den Regionen Amsterdam, Rotterdam und Eindhoven. Unter den wachsamen Augen der Niederländer gründete sich um 1995 außerdem ein Chapter «Flandern» im Norden Belgiens. Ein prominentes Mitglied dieses Ablegers war Karel Himpens (*1973), damals Betreiber des «De Viking», der ersten rechten Szene-Location in Flandern.
Spätestens mit Aufnahme der Belgier kam zu Spannungen bei den HN gekommen sein. Offenbar mangelte es an gleichen Zielvorstellungen und dem gleichen Verständnis von „Bruderschaft“. Um den von den Hammerskins gesetzten hohen Standard zu wahren, wurden einzelne Mitglieder, die diesem nicht gerecht werden konnten, aus der Organisation ausgeschlossen. Dies führte letztlich zur Auflösung des flämischen Ablegers, der zu dieser Zeit neun Mitglieder umfasste. Laut den niederländischen Hammerskins lag die Schließung des Chapters am Fehlverhalten der flämischen Skins. Die (exilierten) französischen «Charlemagne Hammerskins» sahen dies jedoch anders. Laut ihres Newsletters «W.O.T.A.N.» sei den Niederländern die Schuld für den Ausschluss zu geben, nicht den Flamen. Die niederländischen Hammerskins hätten ihre flämischen „Brüder” wie „Sklaven” behandelt. Außerdem seien die Niederländer fast wöchentlich mit neuen Regeln gekommen. Diese hätte nicht die «Hammerskin Nation» aufgestellt, sondern einzig und allein „Skip” (*1960), der als Kopf der «Hammerskins Nederland» galt. Die flämischen Hammerskins seien verpflichtet gewesen, ihre niederländischen „Brüder” jedes Wochenende auf eigene Kosten zu besuchen, heißt es im «W.O.T.A.N.». Aufgrund der hohen Reisekosten und beruflichen Verpflichtungen hätten sie dieser Weisung nicht regelmäßig nachkommen können, weshalb sie ihre Patches nach kurzer Zeit wieder an die Niederländer abgeben mussten. Die Niederländer um „Skip” äußerten sich zu diesen Vorfällen sichtlich zufrieden. So heißt es im „Hammerskin Yearbook” von 1997: „Wir glauben, wir mussten es auf dem harten Weg lernen, doch nun sind wir ein eingeschworener, dynamischer Haufen, bestehend aus höchst engagierten Brüdern.” [Übers. d. Verf.]
Treffen im Clubhaus «Thunder»
Eindrücklich sind Fotos, die von einem Journalisten während einer Zusammenkunft am 28. April 1996 geschossen wurden. Die «Hammerskins Nederland» nutzten damals das Vereinshaus «Thunder» eines Motorradclubs in Amstelveen, um Treffen abzuhalten. Im Rahmen eines dieser Zusammenkünfte am besagten Tag zeigten die Anwesenden vielfach den Hitlergruß. Einer von ihnen, Robert Gustav Christian Krommenhoek (*1973), genannt „Rob”, trug sogar eine Armbinde, auf der das Hakenkreuz abgebildet war. In der Woche zuvor musste er sich gemeinsam mit seinem „Bruder” Chris van Snippenberg (*1972) wegen rassistischer Beleidigung und Misshandlung vor Gericht verantworten. Beide gehörten zu den «Hammerskins Nederland» aus der Region Amsterdam und waren bereits bei «Hou-Kontakt» organisiert gewesen.
Snippenberg war für eine Weile verantwortlich für dessen Verwaltung und später Inhaber des ersten Postfachs der niederländischen Hammerskins in Leiden. Das neu eröffnete Postfach in Schiedam wurde wiederum von Martijn Julian van der Esch (*1976) – zuvor Mitglied der Partei CP’86 – aus der Region Rotterdam betreut. Petrus Martinus van Os (*1970), der ebenfalls an der Veranstaltung im April 1996 im «Thunder» teilnahm, war zum Zeitpunkt aktives Mitglied von CP’86. Im Folgejahr fiel er durch seine Teilnahme an einer Hammerskin-Party in Amsterdam auf. Auf der Geburtstagsfeier eines führenden niederländischen Hammerskins in der selben Zeit erschien van Os dann mit Hammerskin-Patch.
Zwei Monate später, am 9. Juni 1996, kamen zu einem erneuten Treffen der HN im «Thunder» um die 55 Personen zusammen. Laut niederländischem Geheimdienst war die Atmosphäre, im Gegensatz zu den Treffen von «Hou-Kontakt», bemerkenswert schlecht. Ein Konzert, dass in dem Rahmen geplant war, fand nicht statt. Stattdessen wurde Ska-Musik aufgelegt.
«Viking Sounds»
Auf dem Treffen im April 1996 im Motorclub «Thunder» wurde auch Ben Oreel (*1969) aus Goes fotografiert, als er den Hitlergruß zeigt. Auf seiner Jacke prangte ein Patch der «Northern Hammerskins» – ein Zeichen der Verbundenheit mit dem nordamerikanischen Chapter. Oreel ist ebenfalls ein ehemaliges Mitglied von CP’86 und war Inhaber des bedeutenden niederländischen Neonazi-Labels «Viking Sounds». Mit diesem unterstützte er sowohl niederländische als auch ausländische Hammerskins finanziell und infrastrukturell. Im Jahr 1996 veröffentlichte Oreel etwa die CD „Faith & Fatherland” der irischen Band «Celtic Dawn» – im Booklet: das Logo der «Hammerskins Northern Irland». Als Bandkontakt diente das Postfach von «Viking Sounds». Ein Jahr hatte Oreel mit «Viking Sounds USA» eine CD der US-amerikanischen Neonazi-Band «Final Solution» veröffentlicht. Die Band um den Sänger und damaligen Hammerskin Christian Picciolini dankte auf ihrer CD „White Revolution” auch Ben Oreel: „Ben von Viking Sounds, du entzündest die Fackel, wir tragen sie weiter, pass auf dich auf 88”. [Übers. d. Verf.]
Über das Postfach von «Viking Sounds USA» lief zeitweise ebenso die Kommunikation der (exilierten) französischen «Charlemagne Hammerskins» (Frankreich) und der «Northern Hammerskins» (USA).
Auch die CD „Battle Legions of Wotan” der kanadischen Hammerskin-Band «Odins Law» wurde 1997 über «Viking Sounds USA» veröffentlicht. Das Label avancierte zum exklusiven Vertrieb all dieser Bands in Europa, wodurch Oreel nicht nur sein „Standing” aufrecht erhielt, sondern auch gut verdient haben dürfte. Laut dem Fanzine «W.O.T.A.N.» habe Oreel um 1996 mit «Viking Sounds» Treffen der «Hammerskins Nederland» gesponsert. Bei einem dieser Treffen, wo bis zu 60 Personen zusammen gekommen sein sollen, habe er auch Artikel seines Labels verkauft und soll reichlich Profit gemacht haben. Es ist nicht klar, wie lange Oreel aktives Mitglied der «Hammerskin Nation» war. Seine Aktivitäten und die weltweiten Kontakte als Betreiber von «Viking Sounds» dürften aber dem Ansehen der «Hammerskins Nederland» enorm geholfen haben. Jahre später verließ Oreel die organisierte Neonazi-Szene.
Die Eindhoven-Connection
Als sich «Hou-Kontakt» Mitte der 1990er Jahre in seiner Endphase befand, waren nur noch in ein paar Städten Gruppen des Netzwerks aktiv. Einer der aktivsten war «MAD 88» aus Eindhoven. Nur wenig später wurde auch diese Gruppe von den «Hammerskins Nederland» übernommen. Im Booklet des niederländischen Samplers „Welkom in Sassem” von 1997 wird den Neonazis „Michel” und „Henri” gedankt – den „Hemmerhers Tjepturlieders”, übersetzt die „Vorsitzenden des Hammerskin-Chapters”. Damit waren Michel Johannes Hubert (*1974) und Henri Wilhelmus Johannes Adriaans (*1973) gemeint.
Beide waren auch bei CP’86 aktiv und beteiligten sich an Veranstaltungen in der von Neonazis besetzten ehemaligen Militärbasis «De Kazerne». Huberts politische Aktivitäten erstreckten sich zudem über diverse extrem rechte Organisationen wie «Voorpost», die «Nationalistische Studentenverbindung Eindhoven» und die «Nationale Beweging». Adriaans hingegen war Sänger und Gitarrist der bekannten, heute inaktiven RechtsRock-Band «Standrecht». An einer der letzten CDs der Band, bei „Zwart als ravenveren” im Jahr 2007, arbeitete Adriaans gemeinsam mit Goedele Janssens, Partnerin von Michel Johannes Hubert. 2014 war die Band noch für ein Konzert in Brno (Tschechien) angekündigt.
Adriaans war im Mai 1997 gemeinsam mit weiteren Hammerskins Besucher der Geburtstagsparty von „Roel” in der Region Valkenswaard. „Roel” gehörte ebenfalls «MAD 88» an und entwarf mehrfach Cover-Motive für das Fanzine von «Hou-Kontakt».
Amsterdamer Szene
Neben „Skip” spielten auch andere Personen eine wichtige Rolle in Amsterdam, von wo aus das Chapter in den Niederlanden die Fäden zog. Einer davon ist Marco Zaal, der 1996 bei den Treffen im «Thunder» zugegen war und dort die gekreuzten Hämmer als Aufnäher auf seiner Jacke trug. Ein Foto im „Hammerskin Yearbook” von 1997 zeigt ihn mit Fullmember-Merchandise auf einer Geburtstags-Feier eines „Officers” der «Hammerskins Nederland» in Amsterdam. Zu diesem Event am 25. Oktober 1997 waren auch Hammerskins aus Italien, der Schweiz und Deutschland angereist. Einen Tag später sollte es eine kleine „Tattoo-Party” mit dem polnischen Neonazi und Tätowierer Adam Jaroszewicz geben, der auch zahlreiche Booklets der damals angesagten Band «Konkwista 88» aus Polen entwarf.
Zur Geburtstagsfeier von „Skip” und zwei weiteren niederländischen „Brüdern” am 25. April 1998 wurde Mirko Hesse, Gründungsmitglied der «Hammerskins Sachsen», ausdrücklich eingeladen. Zaal sendete ihm dafür eine persönliche Einladung – vor allem wollte er herauszufinden, warum Hesse auf diversen vorangegangenen Treffen in Europa nicht teilgenommen hatte. Das Verhältnis der Niederländer zu Hesse war damals enorm gespannt, denn Hesse hatte immer wieder versprochen, sich zu melden und sich zu erklären, aber hatte es nicht getan. Die Fronten waren im April 1998 so verhärtet, dass die Niederländer sogar in Erwähnung zogen, Hesse die Hammerskin-Patches abzureissen und ihn zu verprügeln. Sie hätten kein Vertrauen mehr in ihn und „ohne Vertrauen gibt es keine Bruderschaft”, teilten sie ihren europäischen „Brüdern” mit. Ob Hesse zur Geburtstagsfeier erschien, ist nicht bestätigt. Die Wogen glätteten sich jedoch in der folgenden Zeit.
Eine andere Person, die zum damaligen Zeitpunkt dem Amsterdamer Chapter angehörte, ist Patrick Andre (*1957), das mit Abstand älteste Mitglied der HN. Über ihn ist wenig bekannt, außer, dass er Mitglied in der extrem rechten Partei «Nederlands Blok» war und dass sein 41. Geburtstag am 17. Oktober 1998 als ein Hammerskin-Event gefeiert wurde, zu dem alle europäischen Hammerskins nach Amsterdam eingeladen wurden. Die HN sahen es als ihre „brüderliche” Pflicht, an jedem Geburtstag, jeder Beerdigung, Hochzeit und Party anderer Hammerskins teilzunehmen. Aufgrund dessen waren monatlich zwei bis drei mal Delegationen der HN auf Besuch bei anderen europäischen Chaptern. In einem Interview im „HammerskinYearbook” 1997 wurde erzählt, dass es ein kostspieliges Privileg sei, Teil der Elite der Nazi-Skin-Szene zu sein.
Dem stimmt das sächsische Chapter zu:
„Als Hammerskins unterstützen wir Events unserer Brüder in ganz Europa. Diese Lebensart gegenseitiger Unterstützung verlangt es, viel zu reisen. Die Trips zu finanzieren ist manchmal schwer, aber wenn du es geschafft hast, das Geld dafür zusammen zu bekommen, ist es die Freude darüber, seine Brüder zu sehen wert”. [Übers. d. Verf.]
Nicht alle konnten diese „brüderlichen” Pflichten erfüllen, wie bereits anhand der Auflösung des flämischen Chapters erkennbar war.
Die Niederländer als „European Secretary“
Das erste europäische Chapter entstand 1990 in der Schweiz. In den folgenden Jahren gründeten sich etliche weitere Ableger. Doch erst 1997 schufen sich die Neonazis eine Art Dachverband, der bis heute Bestand hat: die «Hammerskin Nation». Dies geschah auf Drängen der Schweizer und Niederländer, die sich dadurch eine europäische Vereinheitlichung der Bruderschaft versprachen. Auf einem „European Officers Meeting” (EOM) am 30. Mai 1998 in der Region Amsterdam wurde entschieden, dass die niederländischen Hammerskins die Position des „European Secretary” übernehmen sollen. Mit diesem nun offiziellen Auftrag hatten die Niederländer die Aufgabe, sich um die „Chapter auf Probe” (Prospect-Chapter) in Spanien, Frankreich und Schweden zu kümmern. Die Anwärter mussten sich bei ihnen vorstellen und monatlich einen Bericht verfassen, den die Niederländer dann an die anderen europäischen Hammerskins weiterleiteten.
Neben organisatorischen Belangen, wie dem Vorschlag eines gemeinsamen Bank-Kontos für alle europäischen Chapter, besuchten die Niederländer auch einige der Prospect-Chapter selbst, um sich von den Anwärtern und deren Lebensumständen ein Bild machen zu können. Etwa im Juli 1998, als „Skip” und „Abels” – ein weiterer Hammerskin aus Aalsmeer – gemeinsam mit dem deutschen Hammerskin Jürgen Mahn aus Berlin die Prospects in Schweden besuchten. Ebenso bestanden enge Kontakte zu den französischen Prospects, mit denen die Niederländer gemeinsam das „Summercamp” der HSN im August 1998 organisierten, für das nach Albertville im Süden Frankreichs eingeladen wurde.
Eine enge Verbindung hatten die Niederländer zu den italienischen Hammerskins. Beide Chapter besuchten sich regelmäßig in ihren Herkunftsländern und brachten gemeinsam das „Hammerskin Yearbook” heraus. Als die Italiener im Mai 1998 von behördlicher Repression betroffen waren, bekamen sie von den Niederländern nur wenige Tage später Besuch. Sie informierten sich über die Vorfälle, leiteten die Informationen an den Rest der HSN weitergeleitet schrieben einen Spendenaufruf für anfallende Anwaltskosten. All das waren damals die Belange der Niederländer in der HSN, so wie sie auch heute noch vom „European Secretary” Malte Redeker aus Rheinland-Pfalz übernommen werden.
Wachsende Probleme
1998 beschwerte sich der Hammerskin Olivier Kunz aus der Romandie – dem französischsprachigen Teil der Schweiz – bei Hammerskins in den USA während eines Besuchs über das Verhalten der Niederländer. Er sei mit der Organisation eines EOM im Mai 1998 nicht zufrieden gewesen. In internen Nachrichten bezichtigte Kunz die Niederländer zudem der „Sklaverei” im Umgang mit den Anwärtern, des Diebstahls von Geldern der HSN und des Despotismus. Mitglieder der schwedischen, spanischen und französischen Prospect-Chapter dürften nicht an den offiziellen Treffen teilnehmen, ihnen sei der Konsum von Alkohol verboten worden und sie hätten sich immer als letzte beim Essen anstellen müssen, so Kunz. Daraufhin entbrannte ein Streit und seitenlange Brandbriefe machten innerhalb der europäischen HSN die Runde. „Skip” von den HN legte in dem Rahmen noch einmal die eigenen Ansprüche dar, dass sich die Mitgliedschaft durch harte Arbeit verdient werden müsse.
Kunz war zu diesem Zeitpunkt umstritten. Ohne die europäischen Hammerskins mit einzubeziehen, arbeitete er zusammen mit einer Filmcrew, die die Dokumentation „Skin or Die” produzierte – in der auch die Lebenswelt der Hammerskins dargestellt werden sollte. Dies widerspricht jedoch dem Regelwerk der HSN, in dem es heißt, dass mit Medien nicht über die Hammerskins gesprochen werden darf. Das niederländische und das Berliner Chapter forderten daraufhin eine umfassende Entschuldigung von Kunz für den Regelbruch, die er und sein Chapter – die «Romandie Hammerskins» – allerdings verweigerten. Letztlich wurden die Romands 1998 ausgeschlossen.
Öl ins Feuer gossen zu der Zeit auch die verstoßenen «Charlemagne Hammerskins» aus Frankreich. In ihrem Fanzine «W.O.T.A.N.» echauffierten sie sich über den Kurs der Niederländer und der „European Hammer Skum Nation” (Skum, d.h. Scum, dt. „Abschaum”) im Allgemeinen. Dabei veröffentlichten sie sogar Namen und Adressen von niederländischen Hammerskins, wie die von Rob Krommenhoek und seinem Mitbewohner Chris von Snippenberg sowie von Ben Oreel und Patrick Andre. Nach eigener Aussage seien sie selbst – die «Charlemagne Hammerskins» – das älteste, politisch aktivste und am besten organisierte Chapter in Europa. „Wir sind im Krieg und wir nehmen keine Gefangenen”, heißt es im selben Atemzug von den verstoßenen Franzosen im Fanzine «W.O.T.A.N.» bezüglich ihrer Ex-„Brüder”.
Solche Drohgebärden waren zu diesem Zeitpunkt sicherlich nicht besonders hilfreich, um innerhalb der HSN wieder Einigkeit herzustellen. Auch zu einem positiven Ausgang innerhalb der Diskussion, ob verbannte Hammerskins eine zweite Chance in der Bruderschaft erhalten sollen, dürften solch wortgewaltige Aussagen wie im «W.O.T.A.N.»-Fanzine nicht beigetragen haben. Dabei hatten die Hammerskins in dieser Zeit szeneintern schon „genügend zu tun” und mussten sich etwa mit «Blood & Honour» und dessen bewaffneten Arm «Combat 18» herumschlagen. «Combat 18» würde man generell ablehnen, wurde auf einem EOM 1998 beschlossen. Den Worten sollten auch Taten folgen. Als 1997 das flämische Neonazi-Label «Excalibur Records» ein Konzert mit Beteiligung der beiden englischen RechtsRockbands «Avalon» und «Warlord» plante, sollen Hammerskins aus den Niederlanden und aus Italien eine Gruppe beauftragt haben, Steve Calladine – Sänger von «Warlord», genannt „Stigger” – zu verprügeln. Calladine würde schließlich «Combat 18» unterstützen. Nach dem Konzert suchte die Gruppe das Haus des Betreibers von «Excalibur Records» auf und bedrohte ihn und seine Familie.
Niedergang
Im Oktober 2000 fand in Bremen, im US-amerikanischen Bundesstaat Georgia, eines der ersten Konzerte statt, die noch heute als „Hammerfest” gelabelt werden. Einer der wenigen Anlässe, auf der die HSN (begrenzt) Einblicke in ihre Lebenswelt zulässt. Anwesend waren dort u.a. Hammerskins aus Frankreich, Großbritannien, Spanien und den Niederlanden. Laut dem Protokoll eines EOM im Mai 2000 sei „Skip” im Frühjahr des selben Jahres schon einmal für sechs Wochen in den USA gewesen und habe dort jedes Chapter besucht.
Die Teilnahme an diesem „Hammerfest” war eine der letzten wahrnehmbaren Aktivitäten der Niederländer in dieser Zeit. Warum sie ihre Aktivitäten in der Folgezeit einstellten, ist nicht bekannt – fest steht aber, dass auch ihr Standing innerhalb der HSN Risse bekam. Im ersten Newsletter der HSN im Januar 2001 berichten die Niederländer über zwei ihrer „Brüder”, die in Sorgerechts-Streitigkeiten involviert seien. Ebenso wurde von einem „Bruder” aus Rotterdam berichtet, der für ein paar Tage ins Gefängnis musste, nachdem er einen Mitarbeiter des Jugendamtes angegriffen und verletzt habe.
Außer der Teilnahme von fünf Mitgliedern des Chapters an einem EOM im Mai 2001 in England ist aus der Zeit kaum etwas von den «Hammerskins Nederland» bekannt. In einem Bericht des niederländischen Geheimdienstes von 2003 heißt es, dass eine Gruppe Hammerskins an einem Rockkonzert in Deventer teilgenommen haben soll. Dies ist nicht verifiziert und recht unwahrscheinlich, da die «Hammerskins Nederland» zu diesem Zeitpunkt bereits „retired” gewesen sein dürften – heißt, ihre Mitgliedschaft in der HSN aufgegeben haben. In einem Interview mit einem rumänischen Neonazi-Magazin aus dem «Blood & Honour»-Milieu von 2003 stellt die niederländische Neonazi-Band «Brigade M» klar, dass die Zeit der niederländischen Hammerskins vorbei und die einzig ernstzunehmende, große Skinhead-Organisation die niederländische Division von «Blood & Honour» sei.
2010, also sieben Jahre nachdem sich die «Hammerskins Nederland» offenbar aufgelöst hatten, zog auch der niederländische Geheimdienst den entsprechenden Schluss. Laut diesem liegen die Gründe der Auflösung bei den vielen internen Streitigkeiten und Spannungen zwischen verschiedenen Nazi-Skin-Gruppierungen in den Niederlanden. Schuld seien auch die dominanten Charaktere einiger Personen innerhalb der Strukturen – zu denen u.a. auch „Skip” gehören dürfte. Erst fast zwanzig Jahre sollte es wieder Hammerskins in den Niederlanden geben.
Der Neuanfang
Am Wochenende um den 25. Mai 2014 fand im Norden Frankreichs nicht nur ein EOM statt, es wurde auch zu einem Gedenk-Konzert für den um 2000 verstorbenen französischen Hammerskin „Tino” eingeladen. Im Line-Up stand – neben drei deutschen Bands und einer aus Frankreich – überraschenderweise die bis dahin weitestgehend unbekannte Band «Blindfolded» aus den Niederlanden.
Die NS-Hardcore-Band war erst 2013 gegründet worden und hatte bis zu diesem Zeitpunkt nicht mal eine Demo-CD veröffentlicht. Nun spielte sie ihr erstes Konzert auf einer von französischen Hammerskins organisierten Veranstaltung. Dies ließ aufhorchen. Als die Band Ende 2014 ihre Demo-CD „Think for Yourself” herausbrachte, wanderte ein Großteil der CDs samt erstem Merchandise über den Tisch von «Wewelsburg Records» aus Deutschland. Das Label wurde von Hendrik Stiewe – langjähriges Mitglied des Chapter «Bremen» und heute Angehöriger der «Hammerskins Westfalen» – gegründet und wird heute offiziell vom «Crew 38»-Anhänger Nils Budig geführt. Mit Budig sind die Bandmitglieder seit Jahren bekannt, schließlich wohnte dieser bis vor wenigen Jahren noch im Nordwesten Niedersachsens, unweit vom Wohnort einiger Bandmitglieder entfernt. Als Budig im März 2016 ein Konzert mit «Blindfolded» organisierte und dieses aufgrund von Repressalien nicht in Norddeutschland stattfinden konnte, wurde es in die Niederlande verlegt – in die Lokalität «De Kiepe» in Nieuwe Pekela bei Winschoten. Dieser Ausweichort wurde von Harm Smit und Marcel Flink organisiert, beides Bandmitglieder von «Blindfolded». Aufgrund einer fehlenden Genehmigung wurde die Veranstaltung jedoch von der niederländischen Polizei abgebrochen, es waren 70 Personen vor Ort.
Im November des selben Jahres veröffentlichte «Blindfolded» ihre CD „Blacklisted”, abermals über «Wewelsburg Records». Die Veröffentlichung ist voll mit Bezügen zu den Hammerskins. So taucht etwa das Logo der «Crew 38» im Booklet auf und auch der Song „Brotherhood” ist als Tribut an die Hammerskins zu verstehen:
„In einem Leben ohne dich werde ich keinen Tag überstehen, ohne dich an der Seite werde ich nicht überleben, diese Freundschaft ist real, ja es stimmt, alles was ich sagen will ist Danke, achtunddreissig – Bruderschaft, achtunddreissig – Bruderschaft”. [Übers. d. Verf.]
Zudem wird der HSN im Booklet für alle erhaltenen Möglichkeiten gedankt. Abschließend findet sich dort die Zahlenkombination „838”. Ein Code der von Mitgliedern und UnterstützerInnen der HSN genutzt wird, um ihren Gruß „Hail Crossed Hammers” zu chiffrieren. Im selben Jahr veröffentlicht «Blindfolded» zwei Lieder auf dem Sampler „Crew 38 Sampler – White Brotherhood World Wide”, den der saarländische Hammerskin Robert Kiefer mit «H8Bar Productions» produziert hatte.
Von der Crew 38 …
Im Dezember 2014 fing der «Blindfolded»-Gitarrist Hendrik Harm Johan Smit (*1989) – alias „Harm-J.”,„Harm-Jan”, „HJ” oder „Henk HJ Jansen” – an, sich ins «Crew 38»-Forum im Netz einzubringen. Später, im März 2016 schrieb er: „Mein Name ist Harm, ich gehöre auch der Crew 38 Nederland an. Wir sind eine Gruppe von 5 Männern und wollen dies auch das kommende Jahr dabei belassen”. [Übers. d. Verf.]
Einen Monat zuvor postete schon der «Blindfolded»-Sänger Marcel Flink (*1985) im selben Forum eine Nachricht, in der er bekannt gibt: „Ich bin Marcel, komme aus dem nördlichen Teil der Niederlande und ich möchte euch wissen lassen, dass wir eine Crew 38 ins Leben gerufen haben, in Rücksprache mit der europäischen HSN”. [Übers. d. Verf.]
Ein drittes Mitglied der «Crew 38» ist Anwar Aslander (*1981), der wie Flink in Groningen lebt. Harm Smit hingegen lebt in der deutschen Stadt Bunde, seiner Arbeit als Tätowierer geht er jedoch seit Frühjahr 2021 vorrangig im Studio «Invicta Tattoo and Piercing» im niederländischen Grenzort Bad Nieuweschans nach. Zuvor arbeitete er für fünf Jahre unter dem Künstlernamen „HJ Ink” im Tattoo-Studio «House of Pain(t)» in Stadskanaal.
Smit berichtete damals in einer internen Nachricht an seine „Brüder”, dass die Gruppe sehr beschäftigt mit der Organisation von Veranstaltungen sei. Smit und Flink sind beide Mitglieder der neonazistischen «Kameraadschap Noord Nederland» (KNNL) und organisierten mit dieser Konzerte und Aufmärsche, unter anderem gegen Geflüchtete.
Eines der Konzerte, bei denen Harm Smit involviert war, war das des Liedermachers Nigel Brown im «Rac’n’Roll Place» in Veendam am 31. Dezember 2014. Während Browns Konzert hing die Fahne der «Crew 38» sowie eine des alten «Hou-Kontakt»-Netzwerks an der Wand. Einen Mitschnitt des Konzerts von Brown – der aus Australien stammt, dort bei der Hammerskin-Band «Fortress» spielte und nun in Berlin lebt – brachte Smit später als CD heraus. Zwei Songs, die an diesem Abend von Brown gespielt und von den Anwesenden lauthals mitgesungen wurden – unter anderem ein Cover des Liedes „Invisible Impire“ von «No Remorse» – beinhalten explizit rassistische Schmähungen. Diese Zeilen wurden später im Mix-und Mastering der CD durch Soundeffekte unkenntlich gemacht. Im Booklet wird u.a. der «Brotherhood Crew38 Germany» gedankt.
Am 23. Mai 2015 organisierte die KNNL ein weiteres Konzert, diesmal mit zwei Liedermachern aus Deutschland: den Neonazis Mario Albrecht als «Oiram» und Sebastian Döhring als «Fylgien». Dabei war auf der Bühne nicht nur ein Banner der KNNL zu sehen (mit dem Slogan „Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu”), sondern auch eine Flagge der «Hammerskins Bremen». Die beiden deutschen Neonazi-Liedermacher waren während des Wochenendes bei Smit und seiner Partnerin Alagonda Walda (*1988) untergebracht.
Das deutsche Chapter «Bremen» war bis zur offiziellen Gründung der «Crew 38 Nederland» im Jahr 2016 der Leumund der Niederländer um Smit und Flink, d.h. die «Hammerskins Bremen» kümmerten sich um sie und waren der Erstkontakt zur «Hammerskin Nation». Regelmäßig besuchten die Norddeutschen ihre „Crew” in den Niederlanden, etwa am 19. Januar 2013, als Smit und Co. zu einem Liedermacher-Abend geladen hatten. Damals produzierte Hendrik Stiewe u.a. den Merchandise der «Crew 38», der bei diesem Anlass den Niederländern übergeben werden sollte. Das heißt, dass die Niederländer schon Jahre vor der offiziellen Gründung einer «Crew 38 Nederland», als Angehörige dieser UnterstützerInnenstruktur der «Hammerskin Nation» auftreten durften.
Die niederländischen Angehörigen der «Crew 38» kamen nicht aus dem Nichts. Mit dem späteren «Crew 38»-Mitglied Ronnie Jan Peterson (*1991) nahm Harm Smit schon 2012 an einem Aufmarsch in Bad Nenndorf teil, im März 2015 fand sich Smit dann auf einem Aufmarsch in Dortmund ein, wo er ein Banner trug. Engster Kontakt dürfte auch hier Nils Budig gewesen sein, der um 2015 Prospect und später sogar kurzzeitig Vollmitglied bei den «Hammerskins Bremen» war und zur Szene in Dortmund vielfältige Verbindungen pflegt.
Im August 2017 erschienen Marcel Flink, Harm Smit, Ronnie Peterson und weitere Niederländer zum „Rudolf-Hess-Gedenkmarsch” in Berlin. Die Mitglieder der «Crew 38 Nederland» waren bemüht, sich den deutschen „Brüdern“ zu zeigen, um den Weg zur Vollmitgliedschaft in der HSN zu ebnen.
… zum Hammerskin
Im Januar 2018 postete «Blindfolded» auf Facebook, dass sie ihre Aktivitäten als Band einstellen würden. Die lange Suche nach einem neuen Drummer war nicht erfolgreich und auch in der Ausrichtung der Band waren die Mitglieder offenbar verschiedener Ansicht. Bis dahin spielten sie auf Hammerskin-Konzerten in ganz Europa. Ein letztes bekanntes Konzert fand im Dezember 2017 bei den «Portugal Hammerskins» in Lissabon statt. Harm Smit begann bereits vor der Auflösung der Band als Solo-Musiker «Harm-J» aktiv zu werden. Mit dem Projekt beteiligte er sich an dem Sampler „Hessen Skins”, den der deutsche Hammerskin Daniel Orlewicz vom Chapter «Franken» im Mai 2017 veröffentlicht hatte. „HFFH” – „Hammerskins Forever Forever Hammerskins” – heißt das Lied von Smit, dass die CD eröffnete. Durchaus gewagt, denn Smit war zum Zeitpunkt „nur” Prospect, die Losung ist aber eigentlich ausnahmslos Fullmembern vorbehalten. Aus «Harm-J» wurde später «Flatlander» – unter diesem Namen ist er als Balladenmusiker noch heute aktiv.
Auch der zweite Sänger und Mitbegründer von «Blindfolded», Peter Adriaan van der Wal (*1989), betätigte sich schon 2017 am Gesang in einer anderen Band: der sich unpolitisch gebenden Black Metal-Band «Sator Malus». Seit 2019 ist er zudem Sänger einer weiteren Black Metal-Band, «Cirith Gorgor». Bei beiden Bands tritt er unter dem Alias „Adri Pestus“ oder „Pestus“ auf, bei seinen „Brüdern” wird er schlicht Peter genannt. Van der Wal, damals wohnhaft in Oostworld, nahm mit Smit im März 2017 an der 20-Jahresfeier der «Hammerskins Pommern» in Salchow (Mecklenburg-Vorpommern) teil – angereist waren sie mit Personen des Chapter «Bremen».
Wenig später, im Juli 2017, reisten Van der Wal und Ronnie Peterson nach Geiselhöring in Bayern, wo ein „National Officers Meeting” (NOM) der deutschen Hammerskin-Struktur stattfand. Beide waren – dem getragenen Merchandise zu Folge – immer noch Mitglieder der «Crew 38». Harm Smit war zu diesem Zeitpunkt bereits Prospect.
Marcel Flink hingegen scheint es nach der Auflösung von «Blindfolded» 2018 nicht über den Status der «Crew 38» hinaus geschafft zu haben. Er konnte in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der HSN nicht festgestellt werden. Flink, der sich weiter als Neonazi präsentiert, spielt dennoch mit den Codes seiner ehemaligen „Brüder”. Seine Gerüstbaufirma «M.F. Stalen Steigers» aus Nieuwe Pekela trägt im Logo zwei gekreuzte Werkzeug, gerahmt von einem Zahnkranz.
2019 war Smit auf vielen Events seiner „Brüder” zugegen, meist im Rahmen eines Auftritts als «Flatlander». So unterstützte er Philipp Neumann (Liedermacher «Flak») im Juli des Jahres in Eisenach (Thüringen), als dieser – damals ebenfalls Prospect – seinen 30. Geburtstag mit Live-Musik feierte. Einen Monat später reiste Smit mit einem bislang unbekannten Angehörigen der «Crew 38 Nederland» zum Sommerfest der NPD nach Grevesmühlen (Mecklenburg-Vorpommern), wo er im Kreis seiner „Brüder” vom Chapter «Mecklenburg» spielte. Das unbekannte «Crew 38»-Mitglied hatte ihn bereits nach Eisenach begleitet.
Anfang September 2019 war Smit nach Osteuropa eingeladen worden, wo die russische «Crew 38 Moscow» ein Konzert organisiert hatte. Mit ihm reiste dieses Mal Peter van der Wal, während auch Hammerskins vom Chapter «Sachsen» an dem Konzert teilnahmen. Zurück in den Niederlanden gab Smit als «Flatlander» am 15. September 2019 in Hengelo ein Konzert organisiert durch die extrem rechte Gruppierung «Voorpost», bei dem ihn wiederum Ronnie Peterson am Gesang unterstützte. Peterson spielt ebenfalls Gitarre und trat 2020 mit Smit als Liedermacher-Duo auf. Die beiden kennen sich schon länger. Gemeinsam mit Smits Partnerin Alagonda Walda gehörten sie einst zum Kreis der heute inaktiven «Blood & Honour – Division Groningen» – die von Martin van der Grind nach seinem Rauswurf bei den Hammerskins geführt wurde. Im Fullmember-Merchandise fielen Smit, Peterson und Van der Wal allerdings erst auf dem „Hammerfest” im November 2019 in Frankreich auf. Ihre Prospect-Phase dürften zumindest Van der Wal und Peterson erst kurz zuvor beendet haben. Schließlich war Peterson noch Mitte September auf einem Konzert von «Flatlander» mit einem „Prospect of the Nation”-T-Shirt bekleidet. Er und Van der Wal waren vermutlich zur selben Zeit Prospects geworden. Nur Smit ist länger dabei, könnte also schon früher zum Fullmember gepatcht worden sein. Seine Zugehörigkeit zur HSN in Form eines Tattoos ließ auch nicht lange warten: die gekreuzten Hämmer, samt einer „38”, trägt er spätestens seit Frühjahr 2020 am linken Unterarm.
Auch Smits Partnerin Alagonda Walda sowie weitere Angehörige der «Crew 38 Nederland» nahmen am „Hammerfest” 2019 in Frankreich teil. Walda und Peterson sowie ein unbekanntes Mitglied der «Crew 38» reisten nur wenig später nach Budapest (Ungarn), wo im Februar 2020 das jährliche Neonazi-Großevent „Tag der Ehre” stattfand. Harm Smit stand bei der Gedenkfeier in Budapest am Rednerpult und spielte als «Flatlander» ein paar Stücke.
Jüngste Aktivitäten
Auch wenn mit Beginn der Covid19-Pandemie die (sichtbaren) Aktivitäten der niederländischen Hammerskins herunter gefahren wurden, war «Flatlander» weiterhin umtriebig. Ähnlich wie andere Neonazi-Musiker nutzte er das Internet, um am 25. April 2020 ein Akustik-Set, aufgenommen in seinem eigenen Haus, zu streamen. Während er Cover-Versionen, mehrheitlich von bekannten RechtsRock-Bands, präsentierte, prangte ein Bild von Rudolf Hess über dem Türrahmen. Als er im Stream zwischen den Liedern begann, über seine „Brüder” zu schwadronieren, erntete er Reaktionen wie „HFFH” – die bekannte Losung der neonazistischen Bruderschaft.
Trotz beschränkter Einreise aufgrund der pandemischen Lage bekamen die Niederländer am Wochenende des 30. Januar 2021 Besuch von Personen aus dem Kreis der «Hammerskins Mecklenburg». Bilder dieses Treffens zeigen Tom Mex, zum Zeitpunkt Prospect, seinen Bruder Hagen Mex und dessen «Crew 38»-Mitstreiter Wilhelm Krüger in wildem Saufgelage mit den Hammerskins Peterson und Smit, sowie Angehörige der «Crew 38 Nederland» – vermutlich im Rahmen der Geburtstagsfeier von Smit.
Ferner waren die niederländischen Hammerskins in der Zeit der Pandemie mit der Entwicklung einer eigenen Bekleidungsmarke beschäftigt. «Batavica – Patriotic Apparel» heißt die Marke, die erstmals im Februar 2021 in den sozialen Medien beworben wurde. Schwülstig heißt es in einer der Eigendarstellungen, dass „BATAVICA eine patriotische Bekleidungsmarke ist, die die westeuropäische Identität repräsentiert”. Die Marke hat ihren Firmensitz in Winchoten und wird steuerrechtlich über «AsgART» abgewickelt – eine Firma von Harm Smit, die er im Frühjahr 2017 ins Handelsregister hat eintragen lassen. Smit selbst modelt für die Marke und es scheint so, dass er auch für das Design der Produkte zuständig ist. Unter den Namen «AsgART» und «HJ Ink» ist Smit nämlich nicht nur als Tätowierer zu Gange, sondern auch als Grafikdesigner tätig. Diese Fähigkeiten kamen schon etlichen Covern und Booklets diverser rechter CD-Produktionen zu Gute.
Kein eigenes Chapter?
Trotz dessen, dass die niederländischen Hammerskins samt «Crew 38» zahlreich zum „Hammerfest” im November 2019 in Frankreich anreisten, war nirgends eine Flagge der «Hammerskins Nederland» oder Ähnliches zu sehen. Ein seltener Fall, denn die Chapter sind stets bemüht, Präsenz zu zeigen. Das Aufhängen der eigenen Chapter-Flagge spielt dabei eine nicht unwesentliche Rolle.
Bekannt ist, dass es eigenen Merchandise der «Crew 38 Nederland» gibt sowie T-Shirts für Prospects mit dem Bezug zu den Niederlanden. Bei allen Artikeln findet sich der Löwe wieder, das Wappen-Motiv des Landes. Dass es allerdings (noch) nicht wieder ein eigenes Chapter «Nederland» gibt, dürfte mit der Personalstärke zusammenhängen. Mit gerade einmal drei Fullmembern lässt sich schwer ein Chapter aufbauen. Auch im Regelwerk der HSN finden sich Bezüge zu einer Mindestanzahl von Fullmembern, bevor offiziell ein Chapter aufgemacht werden darf. Positionen wie „Schatzmeister”, „Officer”, „Schriftführer” und „Security” sollen dafür besetzt sein.
Das Potential dazu haben die Niederländer durchaus. In ihrem engsten Umfeld bewegt sich seit Jahren eine Handvoll Personen, die sie über die Einbindung in die «Crew 38» an die HSN heranführen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese mit Prospect-Patch herum laufen werden und sich durch den Zuwachs ganz offiziell erneut ein Chapter in den Niederlanden gründen kann.
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