Anfang der 1990er Jahre schlossen sich auch in Osteuropa Neonazis zusammen, um mit eigenen Chaptern Teil der «Hammerskin Nation» (HSN) sein zu können. Vor allem die Mitglieder der Bruderschaft in Tschechien und in der Slowakei pflegten damals engen Kontakt zu den Hammerskins in Westeuropa, die wiederum regelmäßig an Konzerten in den Statten der ehemaligen Sowjet-Zone teilnahmen. Aufgrund einer chauvinistischen Haltung und da man glaubte, dass Chapter in Osteuropa nicht zu kontrollieren sein würden, wurden diese noch vor der Jahrtausendwende aus der HSN verbannt. Heute existiert kein vollwertiges Chapter östlich von Oder und Neisse. Das östlichste, aktive Chapter der HSN in Europa ist das der «Hungarian Hammerskins». Einzelne Neonazis durften sich aber ab 2012 der Unterstützungsstruktur «Crew 38» anschließen, die bis heute in Moskau und St. Petersburg aktiv ist.
Von den «Moscow Hammerskins» zur «Crew 38 Moscow»
„(…) Warum will die H.S.N. nicht verstehen, dass wir es uns nicht leisten konnten in die Staaten zu kommen, um den ‚Face to Face‘-Kontakt zu suchen, aufgrund dessen dass hier das durchschnittliche Grundeinkommen bei 60 US-Dollar liegt und ein Ticket in die Staaten uns mindestens 500-600 US Dollar kosten würde??? Warum sagen die Schweizer HS dass Slawen keine Arier sind, nach dem wir ihnen einen Brief geschickt hatten? Warum hat die H.S.N. alle Kontakte mit uns gebrochen? Warum will die H.S.N. nicht das Potential erkennen, dass die russische NS/WP Skinhead Szene bietet??? Weiß die H.S.N, dass KOLOVRAT, die Band der Moscow Hammer Skins, 5.000 Kopien ihres Albums ‚Blood of the Patriots‘ in Russland vertreiben konnte und deren Leadsänger bei den MHS sehr aktiv ist (…) Falls ihr aufgrund irgendwelcher dummen Gründe Russen hasst ( Slawen – nicht arisch?, Kommunismus? Etc.) werden wir euch Bilder schicken (…)“. (Übersetzung der Verf.)
Diese Zeilen schrieben russische Neonazis, die sich selbst als «Moscow Hammer Skins» (MHS) bezeichneten, im Jahr 2001 empört an die HSN – in der Hoffnung doch noch als offizielles Chapter autorisiert zu werden. Bereits 1997 riefen Neonazis in der russischen Hauptstadt die Band «Radegast» ins Leben, die den MHS als Sprachrohr diente. Laut einem Interview in einem polnischen Fanzine hatten die MHS ihre Arbeit als Organisation allerdings erst im Januar 1999 aufgenommen. Eine Autorisierung des Chapters soll per Briefkontakt durch den damaligen Hammerskin Kyle Chapman aus Neuseeland erfolgt sein. 1999 hätten die MHS zudem per E-Mail Kontakt zur HSN in den USA hergestellt, um auch dort Anerkennung zu erlangen. Sie hatten sich und ihr Chapter in der sechsten Ausgabe der «Hammerskin Press» des ehemaligen Hammerskins Shane McCormick aus Missouri (USA) vorgestellt und dachten, dass diese Art offizielle Bekanntmachung für eine Aufnahme in der HSN ausreichen würde.
Lange waren sich die Hammerskins – vor allem in Westeuropa – uneinig, wie damit verfahren werden sollte. Schließlich erfolgte keine offizielle Autorisierung des russischen Chapters. Vielmehr hielt man den MHS vor, sich eigenmächtig „Hammerskins“ zu nennen. Die «Hammerskins Nederland» waren es, die im Jahr 1999 in ihrer damaligen Funktion als „European Secretary“ im Namen der europäischen HSN dazu eine Erklärung abgaben. Sie schrieben, keine dieser „sogenannten HS Sektionen in das ostische Teil Europas“ (sic) würden mehr anerkannt werden. Es folgte eine deutliche Ansage an die Chapter jenseits Europas, die u.a. die MHS „autorisiert“ hatten: „Unserer Meinung nach ist das was hier in Europa geschieht erstens unsere Sache und soll deswegen von uns gehandelt werden“ (sic). „Geschichtliche und organisatorische Gründe“ führten zu dieser Entscheidung und vor allem die „deutschsprachigen Sektionen (…) moechten auch nichts mit ihnen zu tun haben“ (sic). Dies sei ein „sehr starkes Gefühl von unseren Germanischen Brüdern und es führt sehr lange in die Geschichte zurück“, erläutern die Niederländer. Sie selbst, wie auch das britische, italienische und französische Chapter „haben diese starken Gefühlens nicht“ (sic), würden ihre „Germanischen Brüder“ aber immer unterstützen.
Zu den offensichtlich chauvinistischen Gründen seien auch Probleme in der Kommunikation Schuld für diesen Bruch gewesen. Die osteuropäischen Chapter hätten sich nicht an die Regeln der Westeuropäer gehalten und zeitweise soll jeglicher Kontakt gefehlt haben. Malte Redeker erklärte auf Nachfrage unwissender «Crew 38»-Anhänger einst im internen Hammerskin-Forum, dass dabei auch der „monetäre Faktor“ eine Rolle gespielt habe. Die russischen Neonazis hätten nie regelmäßig an „European Officers Meetings“ (EOM) teilnehmen oder die der HSN so wichtigen „Face to Face“-Gespräche wahrnehmen können. Dadurch würde man die Kontrolle verlieren und Chapter könnten sich verselbstständigen. Die westeuropäischen Hammerskins misstrauten den Neonazis im Osten, die zahlenmäßig stark und überaus selbstbewusst waren. Sie glaubten nicht, dass diese die Führungsansprüche der alteingesessenen Chapter im Westen anerkennen würden. Dazu kamen die vielen Medienberichte über Gewaltexzesse und Morde, die durch Neonazis in Russland begangen wurden. Derartige Schlagzeilen würden der HSN nur schaden.
Nach dem Ausschluss 1999 bezogen sich russische Neonazis jedoch weiter auf die HSN. Allen voran war es die wohl bekannteste russische RechtsRock-Band «Kolovrat» (dt. „Hakenkreuz“) um deren Sänger Denis Gerasimov (*1977), die sich in den Folgejahren als Hammerskin-Band präsentierte. „Wir gehören den ‚MHS‘ (‚Moscow Hammerskinheads‘) an. ‚Kolovrat‘ ist eine ‚MHS‘ Band (…) wir haben unser eigenes Zine namens ‚Under the Hammer‘ (…)“. (Übersetzung der Verf.) So heißt es in einem Interview mit der Band in der siebten Ausgabe des polnischen Neonazi-Fanzine „Rock Against Communism“ im Sommer 2001. 2003 verwendete die Band auf dem Cover einer CD das Bild marschierender Zimmermannshämmer, entnommen aus „The Wall“ von Pink Floyd – dem Ursprung der Symbolwelt der HSN. Nur ein Jahr später produzierte der neonazistische «Moloko Plus Versand» die CD „Prisoner Of Conscience“, auf der «Kolovrat» den Hammerskins sogar ein eigenes Lied widmete. Jedoch gehörte der «Moloko Plus Versand» des (2021 an Covid verstorbenen) Patrick Prokasky aus dem Westerwald nicht dem Hammerskin-Netzwerk an.
Auch die NS-Hardcore-Band «XopCC» aus Sibirien, die seit ihrer Split-CD mit der deutsch-österreichischen Band «Terrorsphära» 2018 in Westeuropa Bekanntheit erlangt haben dürfte, bezog sich noch 2006 auf die HSN und veröffentlichte einen Song namens „Hammerskins“.
Dass sich «Kolovrat» damals in der russischen Neonazi-Szene als Hammerskin-Band bezeichnete, wurde Jahre später von Seiten der Band in Interviews versucht zu relativieren. Kontakt zu Personen der MHS hätte es sicherlich gegeben, man sei aber nie eine „tatsächliche HS Band“ gewesen, heißt es in einem dieser Interviews. Die Enttäuschung darüber, kein Teil der HSN sein zu dürfen, war deutlich herauszulesen. Versöhnlich teilte die Band jedoch mit, dass die „Leute aus Moskau keine ‚bösen Pläne‘ gehabt hätten“, es „irgendwie eine traurige Geschichte“ sei und die Auflösung der MHS nur der „Unwissenheit und mangelndem Verständnis“ geschuldet wäre.
Mittlerweile scheint die HSN der Band verziehen zu haben. Das dürfte auch an dem regen Austausch zwischen deutschen Neonazis und den Musikern gelegen haben, der schon vor der Jahrtausendwende stattfand. So besuchte „ein Kamerad aus Deutschland“ ein Konzert am 8. Februar 1998 in Russland, der „ein guter und loyaler Freund von Kolovrat“ wurde, heißt es in einem Interview. Gemeint ist Henrik Ostendorf, dessen Spitzname „Ossi“ in jener Zeit auch in den CD-Booklets anderer russischer Bands, etwa von «Terror National Front» (T.N.F), auftauchte. „H.O. from Bremen“ – wie Ostendorf in einem anderen Interview von «Kolovrat» bezeichnet wird – habe zudem einen „positiven Artikel“ über die Moskauer Szene für die deutschen Zeitschrift „Unsere Welt“ verfasst. Ostendorf war an Jens Pühse und dessen Label «Pühses Liste» angebunden. Durch den Kontakt Ostendorfs nach Russland dürfte auch die 2001 veröffentlichte Split-CD von «Kolovrat» und der Bremer Band «Nahkampf» entstanden sein. „Eure loyale Unterstützung hilft uns, unseren musikalischen Terrorismus fortzuführen!“ heißt es im Booklet dieser CD von Seiten der Band «Kolovrat». Ferner wird festgestellt, dass „sie immer noch die inoffizielle Hammerskin-Band der ehemals roten Festung Moskau ist und es immer sein wird“. (Übersetzung der Verf.)
Nicht nur Ostendorf wird im Booklet gedankt, sondern auch den „Unofficial Moscow Hammerskinheads“, den „Kansas Hammerskins“, sowie „Alex & SHS“ (gemeint ist Alexander H. von den «Sachsen Hammerskins») und „Perry & Kyle“ (Perry Adank und Kyle Chapman von den «New Zealand Hammerskins»). Diese hatten das Moskauer Chapter einst per Briefkontakt autorisiert.
„Unity In Action“ war einige Zeit später der Titel der 2009 beim deutschen Label «PC Records» veröffentlichten Split-CD von «Kolovrat» und der Band «Hassgesang» um Maik Bunzel aus Cottbus. „Kameraden, lasst uns nicht aufgrund der Fehler der Vergangenheit spalten, lasst euch nicht vom Chauvinismus blenden, denkt positiv, vereint euch und handelt zuliebe unserer gemeinsamen großen Sache!“ heißt es dort im Booklet. Für „die Sache“ meint, für den „Rassenkrieg“.
Für „die Sache“ saßen einzelne Mitglieder der russischen Band auch schon in Haft. Darauf bezieht sich ein Bandmitglied von «Kolovrat» 2004 in einem Interview mit der rumänischen Sektion von «Blood & Honour». Zu über 20 Jahren Haft waren Alexej Karapuzov, zum Zeitpunkt Bassist der Band, und „Grigory“, enger Begleiter der Band, verurteilt worden. Sie hatten gemeinsam im Dezember 1997 einen Doppelmord begangen. Die Opfer: ein Ex-Skinhead – der angefangen haben soll Heroin zu konsumieren – und ein „Tramp alcoholic“, heißt es in einer eigenen Darstellung der Tat. Sozialdarwinistische Gewaltakte, wie sie in dieser Zeit ebenso in Deutschland zu dutzenden stattfanden. Auch Denis Gerasimov, heute das einzige Mitglied aus der Urbesetzung der Band, saß mehrere Jahre in Haft – allerdings in Tschechien. Er hatte dort im Januar 2004 mit «Kolovrat» gespielt und wurde bei seiner Rückreise am Prager Flughafen kontrolliert, wobei bei ihm NS-verherrlichendes Propaganda-Material gefunden wurde. Nach seiner Verhaftung bekam er internationale Solidarität aus der Szene, die ihn als Märtyrer inszenierte. «Kolovrat» erlangten dadurch eine immense Aufwertung als politische Band.
Zur Legendenbildung der Band half zudem der Ruf des Ex-Bassisten von «Kolovrat», Igor Dronov (*1977), genannt „Der Chemiker“. Dieser soll, laut Angaben der Band in einem Interview 2001, ab 1995 als Teil der russischen Spezialkräfte am Krieg in Tschetschenien teilgenommen haben. Als im Winter 1995/1996 die Stadt Grozny gestürmt wurde, soll er an den Panzer seiner Einheit die Hakenkreuz-Flagge und die der Konföderierten aus den USA angebracht haben. Grund für der Südstaaten-Flagge sei gewesen, dass man die Tschetschenen als „eine Art Nigger“ betrachte – so «Kolovrat» im Interview – und das diese von den Konföderierten schließlich „glorreich bekämpft“ wurden. Ein Narrativ, der durch die Band häufig im Bezug auf das „Russische Reich“ verwendet wird. Dronov selbst sei später, im Jahr 1999, getötet worden, angeblich aufgrund seiner Neonazi-Tattoos.
Neue Anbiederung
Als die «Schweizer Hammerskins» 2012 erneut anfingen darüber zu diskutieren, inwiefern die russischen Neonazis an die HSN angebunden werden könnten, war die Aufregung vor allem bei den deutschen Chaptern groß. Besonders Benjamin Doege vom Chapter «Berlin» stellte – im Namen aller Hammerskins in Deutschland – klar, dass man „niemals ein POTN oder Hammerskin Chapter Moskau akzeptieren“ würde. „Crew 38 ist das höchste was sie erreichen können und werden“, erklärte er. Und das auch nur, weil man sie „so besser kontrollieren“ könne, führte Doege aus. „Fighting for the brotherhood – Crew 38 Moscow – Authorization from Switzerland“ prangte auf dem ersten offiziellen Merchandise der Russen. Somit wurde erreicht, was die HSN 2012 vorschlug: Einbindung russischer Neonazis in das Netzwerk der HSN, aber auch eine klare Richtlinie hinsichtlich ihres Status.
Als „Supporter of the Nation“ hatten sich „Oleg“ und „Aleksandr“ – der sich in den sozialen Medien wahlweise „Aleks Mironov“ oder „Aleksandr Zobkov“ nennt – jedoch schon vor 2012 exponiert. Eindrücklich sei hier ein Beispiel aus dem Jahr 2010 aufgeführt, an dem sich die Rolle vor allem von „Aleksandr“ als Handlanger der HSN in Osteuropa, erklären lässt. In diesem Jahre hatten französische Hammerskins im Internet Bilder eines Aufmarsches vom 1. Mai 2009 mutmaßlich aus Moskau entdeckt: diese zeigen eine Gruppe Neonazis, die ein Transparent trugen, auf dem in russisch nicht nur „Arbeit macht frei“ geschrieben stand, sondern auch die gekreuzten Hämmer abgebildet waren. „Aleksandr“ und sein Mitstreiter „Oleg“ aus Moskau wurden sogleich von den Franzosen beauftragt, das Banner zu finden und zu konfiszieren.
„Wenn die Typen was sagen, sollen sie geschlagen werden. Sie müssen Respekt zeigen.“ (Übersetzung der Verf.) lautete die Ansage der Franzosen. Nur wenige Tage später ließ „Aleksandr“ ausrichten, dass er die Leute hinter dem Transparent ausfindig gemacht habe und sie ihm das Stück Stoff freiwillig ausgehändigt hätten. «Russkii Obraz» hieß die Gruppe, die das Banner auch im Rahmen des „Russischen Marsches“ 2010 verwendet hatte, an dem mehrere tausend Neonazis und Nationalisten zusammen kamen. Als „Zeichen des Respekts“ übergab die Gruppe das Transparent an „Aleksandr“, der es den «Italia Hammerskins» übergab. Dies geschah im Rahmen einer Mini-Tour von «Kolovrat» durch Europa, die „Aleksandr“ begleitete. Ein Konzert mit den Russen fand schließlich am 27. November 2010 im «Skinhouse Milano» statt, dem Clubhaus der italienischen Hammerskins in Mailand. Mitglieder der «Vinland Hammerskins» aus Kanada zeigten sich positiv überrascht , dass die russischen Neonazis diese Aufgabe erfolgreich zu meistern wussten. An dieser „Leistung“ würde, so die Kanadier, letztlich auch festgemacht, ob man sich wieder um eine aktive Kommunikation mit den Russen bemühen und sie sogar zu sich einladen sollte.
Diese Anekdote hatte nicht nur einen positiven Einfluss auf den Werdegang der «Crew 38 Moscow», sondern zeigt eindrücklich die Arbeitsweise und das Selbstverständnis der HSN: ein hierarchisches Innenleben, das zur Selbstaufwertung beiträgt. Dass den Neonazis aus Moskau Befehle aus Frankreich erteilt werden können und die Russen diese in der Hoffnung auf Anerkennung prompt durchführen, stärkt nach innen die Identität als Bruderschaft und das Ansehen der HSN nach außen.
Gegenseitige Besuche in Ost- und Westeuropa
Mit dem Einzug des Kapitalismus veränderte sich auch die finanzielle Situation vieler Neonazis in Russland. „Aleksandr“ von der «Crew 38 Moscow» scheint einer der Gewinner zu sein. Die Zeit, als sich russische Neonazis keine Reisen ins Ausland leisten konnten, um am Leben der Bruderschaft teilzuhaben, ist vorbei und vor allem „Aleksandr“ zeigt sich sehr reisefreudig. Auch mit der Rolle als Mitglied der «Crew 38», d.h. als unterstützende Struktur der HSN, konnte er sich offensichtlich anfreunden. Seit deren Autorisierung im Jahr 2012 repräsentiert „Aleksandr“ diese auf allen möglichen Events der HSN in Westeuropa. Auch die «Hammerskins Berlin» scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass es jenseits der Oder und Neisse Angehörige der HSN gibt. Davon zeugt zumindest die Stimmung auf dem „European Hammerfest“ im November 2015 in Mailand (Italien). Unter den Chapter-Fahnen auf der Bühne befand sich auch die Flagge der «Crew 38 Moscow» recht zentral – überraschenderweise direkt unter der Flagge der «Berliner Hammerskins».
„Ein weiterer großartiger Tag mit der Familie und vor allem mit dem russischen Teil davon (…) Unsere Herzen schlagen im selben Rhythmus und haben die selben Ideen“.
Pathetisch beschreibt Thomas Gerlach, Fullmember der «Hammerskins Sachsen», innerhalb sozialer Medien seine Gefühle gegenüber denen, die ihn und sein Chapter im Oktober 2016 besuchten: „Aleksandr“ und weitere Personen der «Crew 38 Moscow». Gemeinsam habe man im Altenburger Land eine Gedenkstätte für die gestorbenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs besucht und dabei gezeigt, dass man „zusammen und nicht gegeneinander“ stünde. Abgerundet wurde der Tagesausflug mit einem Abendessen in einer gutbürgerlichen Gaststätte. Fotos von diesem Abend zeigen stämmige, teils schwer tätowierte Männer wie den damaligen Prospect Florian Jass, auf der Kleidung die Hämmer und das Zahnrad, daneben Kinder und Frauen. Auch Mirko Fritze (geb. Szydlowski) ist auf den Fotos zu erkennen. Bekleidet mit «Crew 38»-Merchandise gab er im Verlauf des Abends als Liedermacher «Barny» sein Repertoire zum Besten. Die Bilder entstanden am Freitag, den 7. Oktober 2016. Am nächsten Tag nahmen die russischen Neonazis in Begleitung der «Hammerskins Sachsen» am „Joe Rowan Memorial“-Konzert teil, das wiederum von den «Hammerskins Franken» in Kirchheim (Thüringen) organisiert wurde.
Die russischen Neonazis um „Aleksandr“ stehen seit vielen Jahren in Kontakt mit Gerlach und dem Chapter «Sachsen». Bereits um 2012 unternahm Gerlach mit der «Crew 38 Moscow» um „Aleksandr“ einen Ausflug nach Prag (Tschechien). Eine Verbindung, die bis heute hält: im Juni 2019 besuchte „Aleksandr“ erneut Thomas Gerlach und die «Hammerskins Sachsen» im Altenburger Land. Wenige Monate zuvor, im April 2019, reiste „Aleksandr“ durch Deutschland und verbrachte unter anderem einige Tage in Leipzig. Dort traf er sich mit Personen aus dem rechten Fan-Spektrum des 1. FC Lokomotive Leipzig und fuhr mit diesen sogar zu einem Spiel gegen den Chemnitzer FC. Entsprechender Merchandise von Lok Leipzig, den es speziell am Spieltag zu erwerben gab, hängt im Kleiderschrank von „Aleksandr“. Er selbst gehört in Russland zur extrem rechten Fanszene des Fußballvereins Lokomotiv Moskau, wie Bilder aus dem Jahr 2013 zeigen.
Auch bei Chaptern außerhalb Deutschlands bemüht sich „Aleksandr“ um Kontakte. Im Oktober 2017 reiste er in die USA, um in Boise (Idaho) am „Hammerfest“ teilzunehmen. Vor Ort waren ebenfalls etliche deutsche Hammerskins wie Christian Kunja, Robert Kiefer und Hendrik Stiewe. Ein solcher Austausch ist wichtig und hilfreich, um innerhalb der HSN an Reputation zu gewinnen – vor allem mit solch einer schwierigen Historie, wie sie die Russen innerhalb der Bruderschaft haben. Die Reise in die USA schien sich für die «Crew 38 Moscow» gelohnt zu haben. Wenige Monate später wurden sie zu einem „European Officers Meeting“ (EOM) eingeladen, das Ende Januar 2018 im fränkischen Triefenstein-Homburg stattfand. Auch bei einem EOM im Januar 2019 in Lissabon (Portugal) durfte „Aleksandr“ dabei sein.
Nicht nur „Aleksandr“ scheut weder Zeit noch Geld, um seine „Brüder“ in Westeuropa zu besuchen. Im Gegenzug reisten auch Fullmember aus der Schweiz, Niederlande, Ungarn und aus Deutschland nach Moskau. Allen voran das Chapter «Sachsen» um Thomas Gerlach, der sich seit 2017 mehrfach in der russischen Hauptstadt aufhielt – wahlweise begleitet von seinem „Bruder“ Tino Marx, vom «Crew 38»-Anhänger Mirko Fritze oder seiner Frau Marlen Gerlach samt gemeinsamer Tochter.
Bündnispartner außerhalb der HSN
Im September 2018 trafen Gerlach und Tino Marx in Moskau „Aleksandr“ und dessen «Crew 38 Moscow» und zudem Personen der NS-Straight Edge-Gruppe «PPDM – Father Frost Mode», kurz PPDM. Bilder zeigen gemeinsame Besuche touristischer Ziele in der Metropole und gemeinsame Treffen in Restaurants. Für PPDM waren bei diesen Zusammentreffen im September 2018 von Maksim Savelyev (*1979) und Maksim Alexandrowitsch Makiyenko anwesend. Das deutsche Pendant zu PPDM ist die Neonazi-Gruppe «Wardon21», die auch schon mehrfach nach Russland reiste und viele der Konzepte und den Habitus von PPDM übernahm.
Maksim Savelyev, der laut eigenen Angaben bis Mitte der 1980er Jahre in Gera (Thüringen) lebte und seit Ende der 1990er Jahren der Moskauer Naziskin-Szene angehört, ist heute renommierter Chef-Koch im „Crown Plaza Moskow – World Trade Centre“, einem 5-Sterne Hotel in der Moskauer Innenstadt. Auch sein Mitstreiter Maksim Makiyenko ist offenbar gut situiert. Er ist unter dem Namen „Dr. Brilliant“ als Zahnarzt tätig. Wenn er nicht arbeitet oder mit PPDM unterwegs ist, nimmt Makiyenko russlandweit an Events der „Live Action Role Playing”-Community (LARP) teil, bei denen Szenarien des Zweiten Weltkriegs nachgestellt werden. Bilder dieser Zusammenkünfte zeigen ihn in der Rolle eines deutschen SS-Soldaten.
Wichtiger Bestandteil der Lebenswelt und des Konzepts der russischen Gruppe PPDM ist der Umgang und die Ausbildung an der Waffe. „(…) vom Laden der Waffe bis zum Schuss. Nur, wenn man das Werkzeug und seine Struktur kennt, wird eine Verschmelzung sowie eine harmonische Arbeitsweise zwischen dem Mechanismus und der Person stattfinden, die im Komplex zerstörerische und intelligente Kraft erschaffen wird.“ (Übersetzung d. Verf.), heißt es in einem Posting von PPDM innerhalb sozialer Netzwerke. Etliche Videos zeigen den offenbar routinierten Umgang der russischen Neonazis mit Kurz- und Langwaffen. Trainiert wird dafür bei befreundeten Neonazis des Moskauer «Zorkiy Shooting Team» um Pavel Torgashov, genannt „Thor“. Maksim Savelyev selbst führt seit einiger Zeit stets eine Schusswaffe mit sich – eine slowakische Pistole Grand Power T12 – und auch der Rest der Gruppe ist im Besitz von Schusswaffen. Das PPDM-Mitglied Andryunin Dmitry hat gar eine militärische Laufbahn hinter sich.
Waffen und Kampfsport – und der Hammerskin Thomas Gerlach ist wieder einmal mittendrin. Von Maksim Savelyev wurde er bereits 2017 zu einer Schießübung eingeladen. Kurz nachdem sich beide das erste Mal getroffen hatten, schrieb Savelyev an Gerlach: „(…) ich hoffe wir werden uns treffen und zusammen schießen gehen, denn vor allem den HS zollen wir Respekt und wir würden gern eine gemeinsame Basis finden und ein gemeinsames Projekt entwickeln, dass unsere Ideen auszeichnet, Bruderschaft und Einigkeit.“ (Übersetzung d. Verf.) Gerlach antworte:„Ja, gute Idee“. Sein Interesse an PPDM scheint bis heute stark zu sein, auch weil er sich selbst seit einigen Jahren dem Alkoholkonsum entzieht und auf einen „gesunden“ Lebensstil schwört. Er ist der Subkultur entwachsen, sucht sein Wohl mehrheitlich im Bund der Familie als in Kneipen oder auf Konzerten – genauso wie die Russen um PPDM.
Auch an der slawischen Kultur hat Gerlach Gefallen gefunden, die vor Mythenerzählungen sowie dem Pathos von Tradition und Heimat strotzt. Ein wenig absurd wirkt es dennoch, wenn er seine Erlebnis- und Lebenswelten – seinen völkischen Traditionalismus und sein Hammerskin-Dasein – durchmischt. So ließ er sich etwa mehrere traditionell slawische Bekleidungsstücke vom «Pagan Store» in Chernihiv (Ukraine) in Handarbeit anfertigen. Eines dieser Leinen-Oberteile wurde noch mit gestickten gekreuzten Hämmern veredelt.
Maksim Savelyev und „Aleksandr“ von der «Crew 38 Moscow» dürften sich schon länger kennen, schließlich wurden beide in der Naziskin-Szene Moskaus in den 1990er Jahren sozialisiert. Auch der Rest von PPDM ist heute jenseits der 30 und dürfte die Hochzeit der Moskauer Neonazi-Szene um die Jahrtausendwende erlebt und geprägt haben. Auf diese Zeit verweist auch ein verblichenes Tattoo mit dem Schriftzug „Moscow Skins“ auf der Brust von Dima Turist – ebenfalls Gastronom und Angehöriger von PPDM. Eine Zeit in der die «Moscow Hammerskins», samt ihrem Aushängeschild, der Band «Kolovrat», äußerst aktiv waren. PPDM als Gruppe und vor allem Maksim Savelyev selbst wissen um die Hammerskins und ihre Symbolwelt. In den sozialen Netzwerken markierte Savelyev die Bilder eines Ausflugs mit Gerlach in Moskau 2018 mit „#hammerskins“ und benutzte die Losung „hffh“ – „Hammerskins forever – forever Hammerskins“. Eigentlich ein No-Go, denn dieses Kürzel darf nur von Fullmembern genutzt werden. Zudem besuchte Savelyev im Sommer 2017 mit weiteren Anhängern von PPDM ein Kampfsportturnier im französischen Annency, südlich von Genf. Das Event wurde maßgeblich von den «South France Hammerskins» organisiert und auch zahlreiche Hammerskins aus der Schweiz waren vor Ort. Die Symbole der HSN waren an den Wänden und auf etlichen T-Shirts der Teilnehmenden sichtbar.
„Es bedarf immer des Verlustes dessen, was mal als Selbstverständlich betrachtet um zu erkennen, wie wichtig dies alles ist!“ (sic) kommentierte Thomas Gerlach im April 2020 ein Bild in den sozialen Medien, das ihn mit Maksim Savelyev zeigt. „Heil & Segen an meine russischen Brüder und Schwestern“ wünscht er und bedauert darüber hinaus sehr, dass er seine alljährliche Reise ins „russische Reich“ aufgrund der Infektionsschutzmaßnahmen nicht wahrnehmen könne. Zuletzt hatten sich Savelyev und die Hammerskins Gerlach und Tino Marx im September 2019 in Moskau gesehen.
„(…) neben uns Deutschen, konnten wir uns mit Holländern, Weißrussen, Ukrainern und natürlich Russen unterhalten und zusammen sein. Die Sprachbarrieren immer vorhanden, hebt der Gleichklang um idealistische Punkte wie Freiheit, Brüderlichkeit – und das Gefühl einer Familie anzugehören deren Teile viele verschiedene Sprachen sprechen und viele kulturelle Eigenarten mitbringen aber trotzdem wie ein Mann stehen wenn die Not & Situation es gebietet (…)“ schrieb er im Nachgang dieser Reise. Ein zu diesem Kommentar veröffentlichtes Bild lässt vermuten, dass ein solches Zusammentreffen im Rahmen eines Balladenabends stattfand. Aufgetreten war der niederländische Hammerskin Harm Smit als Liedermacher «Flatlander» – einer der von Gerlach erwähnten „Holländer“, der von seinem niederländischen „Bruder“ Peter Adriaan van der Wal begleitet wurde. Auch Philipp Neumann (Liedermacher «Flak»), zum Zeitpunkt Prospect beim Chapter «Rheinland», hätte ursprünglich mit nach Moskau reisen sollen. Flüge waren bereits gebucht und von der «Hammerskin Nation» bezahlt worden, doch Neumann sagte kurzfristig ab. Er hätte Angst vor den russischen Behörden gehabt, da er kurze Zeit zuvor als Liedermacher im Rahmen einer Veranstaltung des ukrainischen Faschisten-Regiments «Asov» gespielt hatte, erklärte er sich bei seinen deutschen „Brüdern“.
Jüngste Aktivitäten der «Crew 38 Moscow»
„Aleksandr“ war zuletzt im Herbst 2019 in Westeuropa, nahm am „Joe Rowan Memorial“-Konzert in Kirchheim (Thüringen) im Oktober teil und besuchte das „Hammerfest“ im November in Frankreich. Dort zeigte er seine Zugehörigkeit zur «Crew 38» durch einen Patch auf der Jacke. Vor Ort war es vor allem Christian Kunja von den «Hammerskins Sachsen», mit dem er sich längere Zeit in Gespräche vertiefte.
In Moskau selbst konnte „Aleksandr“ mittlerweile einige neue MitstreiterInnen in der «Crew 38» sammeln. Selbst in St. Petersburg soll es nun Anhänger der UnterstützerInnengruppe der HSN geben. Der Personenzusammenhang scheint zwar klein, doch das Netzwerk der «Crew 38» in Moskau ist weit verzweigt. Seit einigen Jahren ist sie etwa in die Organisation extrem rechter Fußball-Turniere eingebunden, zuletzt im August 2021, als ein solches im Sokolniki-Park im Osten Moskaus stattfand.
Schon im April des selben Jahres und im Dezember 2018 hatte die «Crew 38 Moscow» diese Turnier in Moskau mitorganisiert. Bilder eines Spiels im April 2019 zeigen nicht nur die Flagge der «Crew 38» und des rechten Kampfsportclubs «Kuba Fight Club», sondern auch die der Eishockeyclubs «Trudovik Moscow» (XK Трудовик) und «XK Fizruk» (ХК Физрук). Die Clubs und dessen Fanszene besitzen zahlreiche Verbindungen in die Neonazi-Szene und ins rechte Hooliganmilieu. Unter anderem ist der 1986 geborene Dokukin Dmitri Wladimirowitsch (Докукин Дмитрий Владимирович) seit Januar 2021 selbst als Spieler beim XK Fizruk aktiv.
Wladimirowitsch, der außerdem dem Neonazi-Fanspektrum des Fußballclub CSKA Moskau angehört, war eine der Personen, die Thomas Gerlach während seines Aufenthalts im Juli 2017 in Moskau traf. Der russische Neonazi gehört auch der «Crew 38 Moscow» an. Er arbeitet als Sportlehrer und trainiert Kinder-und Jugendliche in staatlichen Einrichtungen. Zudem nahm er in den letzten Jahren mehrfach an staatlichen Anlässen teil, etwa 2018 als Prüfer in der Durchsetzung des «Allrussischen Körperkultur- und Sportkomplexes» (eine Art Sportprüfung) unter dem Motto „Bereit für Arbeit und Verteidigung“. Bilder dieser Anlässe zeigen junge Russen im Drill russischer Militärangehöriger, wobei auch der Umgang mit Waffen erlernt wird.
Zuletzt nahm Dokukin Wladimirowitsch im Februar 2022 an einem von der «Crew 38 Moscow», den «Vandals Moscow» und dem «Kuba Fight Club» gemeinsam organisierten Schachturnier teil. Auf Bildern des Turniers, das im Teehaus „Nasha Chainaia“ (Наша Чайная) im Süden Moskaus ausgetragen wurde, sind auch „Aleksandr“, sowie weitere «Crew 38»-Angehörige zu erkennen. Einer, der dort einen Pullover der «Crew 38 Moscow» trägt, nennt sich in den sozialen Netzwerken „Vitalii Petrov“. Ein anderer, der ebenfalls in den letzten Jahren bei diversen Events der russischen Hammerskin-Unterstützergruppe zugegen war, nennt sich „Serger Molov“.
Dieser ist als exponierte Person der rechten Fanszene von Lokomotiv Moskau bekannt und ist zudem Präsident des rechten Motorradclubs «Vandals Moscow». Mit „Serger Molov“ reiste „Aleksandr“ auch zu einem RechtsRock-Konzert in Gedenken an Ian Stuart Donaldson, das am 25. September 2021 in Sofia (Bulgarien) stattfand.
Hammerskins in der Slowakei
Die Entscheidung (west-)europäischer Hammerskins, Ende der 1990er Jahre allen bestehenden osteuropäischen Chaptern ihren Status abzuerkennen, betraf auch die slowakische Szene. Nur wenig ist über den damaligen Zusammenschluss bekannt. In einem Bericht in der vierzehnten Ausgabe des US-amerikanischen «Resistance Magazine» von 2001 erläutern slowakische Neonazis, dass die Hammerskins in der Slowakei die älteste rechte Skinhead-Organisation seien und zum Zeitpunkt seit fünf Jahren bestünde, sich also um 1996 gegründet habe. Diese wäre für wichtige Produktionen im RechtsRock-Bereich zuständig gewesen und habe etwa mit „einer der besten slowakischen WP Bands“ kooperiert: «Biely Odpor» um Ondrej Ďurica aus Bratislava. Die Hammerskins hätten auch die Produktion des Fanzines «White Victory» unterstützt, das laut Angaben der Autoren des Szeneberichts das „erfolgreichste slowakische WP Magazin“ sei.
Es gab tatsächlich ein Hammerskin-Chapter «East Slovakia», zu dem Hammerskins aus Westeuropa zeitweise enge Kontakte pflegten. Im August 1997 fanden Treffen in den tschechischen Städten Brno und Trutnov statt, an denen neben den tschechischen und slowakischen Chaptern auch Hammerskins aus den Niederlanden und aus Italien teilnahmen. Die „Arbeitsweise“ der Chapter in Osteuropa sei jedoch völlig unterschiedlich zu der in den Niederlanden gewesen, heißt es in einer internen Kommunikation im Nachgang der Treffen. Versuche das Chapter in der Slowakei zu formen seien gescheitert, trotz „gutes persöhnliches Kontakt“ (sic), wie die Niederländer 1999 im Namen der HSN in einem Grundsatzpapier feststellten. 1999 war demnach auch das Ende für die slowakischen Hammerskins besiegelt.
Doch auch ohne ein slowakisches Chapter pflegten deutsche Hammerskins Kontakte in das Land. So ließ Mirko Hesse, bis Anfang der 2000er Jahre Chef der «Hammerskins Sachsen» mehrere tausend CDs samt Booklet über die Firma über die Firma «Agentur für Kommunikation» (AFK) in Banská Bystrica herstellen. So u.a. die strafrechtlich relevante CD „Day Of Reckoning“ der US-amerikanischen Hammerskin-Band «Dying Breed» (später als «H8Machine» bekannt). AFK war die Firma des deutschen Neonazis Adrian Preißinger, der Hesse auch den „kameradschaftlichen Tipp“ gab, bei strafrechtlichen Produktionen die IFPI-Nummer auf den CDs heraus zu fräsen, da man sonst nachvollziehen könne, wo die CDs gepresst wurden.
Bezüge der slowakischen Szene zur HSN sind heute kaum zu finden. Nach Auflösung des Chapters Ende der 1990er übernahmen vordergründig die Strukturen um «Blood & Honour», d.h. die daran angebundenen Gruppen «Troublemaker Gemer» und «Dissident Product», das RechtsRock-Geschehen. Ein Tattoo von Michal Petris (*1993), genannt „Panzer“ – Kampfsportler, Neonazi-Hooligan und Tätowierer, wohnhaft im Raum Bratislava – stellt jedoch einen Bezug zu den Hammerskins her. Nicht frisch gestochen, dafür gut sichtbar, trägt er das Symbol der HSN, die gekreuzten Hämmer, unter dem rechten Auge. Gleichwohl exponiert er sich ansonsten nicht als Hammerskins und mit nicht einmal 30 Jahren dürfte er die aktive Zeit der Hammerskins in seinem Land auch kaum erlebt haben. Petris lebt Straight Edge und macht um seine Verehrung für die US-amerikanischen Rechts-Terroristen der Gruppe «The Order» keinen Hehl. Deren Wappen prangt auf dem Oberarm des Slowaken. Dass Petris nicht vom Geschehen der (west-)europäischen Neonazi-Szene isoliert ist und für Nachfragen zur Doppeldeutigkeit seines Gesichts-Tattoos durchaus ansprechbar ist, darauf verweist er selbstsicher in den sozialen Medien. Bilder zeigen ihn u.a. im Ausüben von Tätigkeiten als Security bei einem international beachteten Konzert, unter anderem mit der slowakischen RechtsRock-Legende «Kratky Proces» (vormals «Judenmord»), am 24. September 2016 in Bratislava (Slowakei). Auch der „European Secretary“ der HSN selbst, Malte Redeker, ist mit Petris bekannt. Als Petris im April 2019 auf dem konspirativ organisierten „Pro Patria Fest“ in Athen einen MMA-Kampf bestritt, war es schließlich Redeker, der den Kampf als Ringrichter begleitete. Petris‘ Tattoo dürfte ihm dabei sicherlich nicht entgangen sein.
Die ehemaligen «Bohemia Hammerskins»
„Wir müssen diesen heiligen Krieg kämpfen und gewinnen, damit wir weißen überleben“ (sic), erläutert der Tscheche Karel Duben (*1969) in einem Interview in Mirko Hesses damaligen Fanzine «Hassattacke» seine Rolle als Hammerskin. Er habe die «Bohemia Hammerskinheads» (BHS) im April 1993 ins Leben gerufen, als „Weg zur White Unity“. Die Idee dazu habe er von Hervé Guttoso bekommen, der nur kurze Zeit zuvor in Frankreich die «Charlemagne Hammer Skins» mitbegründet hatte. Duben war in den 1990er Jahren Herausgeber des Fanzines «Patriot» und laut eigenen Angaben Manager und Texter der bekannten tschechischen RechtsRock-Band «Buldok» um Jan S., genannt „Honza“. Deren Postfach in Trutnov, sowie Dubens Privatanschrift im nahen Žacléř an der Grenze zu Polen im Norden Tschechiens, dienten den BHS als Kontaktadresse. Doch nicht nur «Buldok» galt als Hammerskin-Band, sondern auch «Vlajka» um Martin Bulík und «Diktator». In einem anderem Interview mit den «Hammerskins Berlin» erklärte Karel Duben, dass in Tschechien „alle Bands unter der Fahne der böhmischen Hammerskins geeint“ seien. Grund hierfür sei gewesen, dass das Land „verhältnismäßig klein“ sei, so Duben.
Eine weitere Person, die die BHS ins Leben gerufen hatte ist Lukáš Stoupa (*1979) aus der Region Karlovarský kraj. Er fiel um 1996 durch einen schweren Angriff auf zwei Roma in Chumotov auf, wofür er später als Hauptangeklagter zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Noch Jahre später gehörte Stoupa zur Führungsriege der tschechischen Szene, organisierte RechtsRock-Konzerte und Aufmärsche. Zu einem Aufmarsch im April 2009 in Ústí nad Labem reisten auch etliche deutsche Neonazis an, u.a. der Ex-Hammerskin Mirko Hesse. 2012 ließ sich Stoupa für die Neonazi-Partei «Dělnická strana sociální spravedlnosti» (DSSS) zur Wahl aufstellen. Zu diesem Zeitpunkt unterhielt er vor allem zum deutschen Netzwerk «Freies Netz» enge Kontakte – ein Sammelbecken für Hammerskins aus Bayern, Sachsen und Thüringen.
Tatsächlich schienen die BHS ab 1994 an Einfluss zu gewinnen und gründeten einen weiteren lokalen Ableger in Brno, im Süden Tschechiens. Auch im Konzertgeschehen wurde kräftig mitgemischt, schließlich gehörten der Szene in Tschechien einige tausend (junge) rechte Skinheads an, die man einbinden wollte. Besonders in der kleinen Gemeinde Velký Dřevíč, östlich von Trutnov, sollen regelmäßig größere Konzerte stattgefunden haben. Aufgrund der günstigen Eintritts- und Getränkepreise auf den RechtsRock-Konzerten bereisten auch deutsche Neonazis, vor allem aus Sachsen, zuhauf das Nachbarland. Hammerskins wie Mirko Hesse aus der Sächsischen Schweiz waren jedes Mal aufs Neue begeistert von dem Verkaufsangebot der Tschechen, wie er regelmäßig in seinem Fanzine «Hassattacke» festhielt. Auch Mitglieder der «Hammerskins Berlin» merkten in einem Konzertbericht an, dass „gewaltige Geldmengen“ an den Verkaufsständen geflossen seien, wo „mit nazistischen Devotionalien und ähnlichen CD’s gehehlt wurde.“ Der Bericht bezieht sich auf ein Konzert am 14. Mai 1994, das von den BHS in der Nähe von Brno ausgerichtet wurde und zu dem die Berliner mit vier bis fünf Autos angereist seien. Gespielt hatten u.a. «Buldok» und «Peggior Amico» (Italien). Kostengünstige Konzerte mit durchaus bekannten Bands aus dem Ausland, dieses Konzept der BHS stieß in Deutschland auf enormen Zuspruch. Bemerkenswert ist zudem, dass es auch die BHS waren, die im November 1994 das wohl erste „Joe Rowan Memorial“-Konzert in Europa auf die Beine stellten und dafür «Squadron» aus England gewinnen konnten. Der Hammerskin Joe Rowan starb am 1. Oktober 1994 in Wisconsin (USA) und gilt bis heute als „Märtyrer der Bewegung“. «Squadron» war allerdings nicht die erste bekannte englische Band, die in Tschechien auftrat. Bereits 1993 veranstalteten die BHS gemeinsam mit «Hou-Kontakt» – der Wiege der «Hammerskins Nederland» – ein Konzert mit der Kultband «No Remorse».
„See you in the Fight or in Valhalla!“
Das waren die Schlussworte eines Interviews um 1998 mit Martin Korec in einem rechten Fanzine. Korec erzählte, er sei seit 1990 in der (rechten) Skinheadszene aktiv und damals vor allem vom Hype der tschechischen RechtsRock-Band «Orlik» mitgerissen worden. Später war er selbst Musiker, spielte in der Band «Zášť 88» und in der ersten Besetzung von «Kratky Proces» aus der Slowakei, die sich dann in «Judenmord» umbenannten – und heute wieder als «Kratky Proces» europaweit Konzerte geben.
Medien hätten fälschlicherweise berichtet, so Korec in einem anderen Interview 2011, dass er im Alter von 15 Jahren (um 1991) Anführer der «Bohemia Hammerskins» gewesen sei. Später allerdings, um 1995, führte er tatsächlich den lokalen Ableger der BHS in Brno an und gab mit Robert Daněk, einem „Bruder“ aus dem nahen Šlapanice, die Fanzines «New Order/Novy Rad», «Fenix» und die «Hammer News» heraus. 1996 wurde Korec festgenommen und saß 27 Monate in Haft. Ihm wurde zweifacher versuchter Mord vorgeworfen, den ihm die Gerichte in einem fast zehnjährigen Prozess vor den verschiedenen Instanzen jedoch nie nachweisen konnten und ihn somit freisprechen mussten. Zum Zeitpunkt seiner Freilassung sei er bereits kein Mitglied der Bruderschaft mehr gewesen, so Korec 2011 im selben Interview. Über die BHS wisse er nichts zu berichten und auch bei der Frage nach Struktur und seiner Rolle bei den BHS bleibt er wortkarg. Jedoch habe er gehört, dass jemand die BHS vor einigen Jahren wiederbeleben wollte. „Zum Glück ist es nicht passiert. Die Bohemia Hammerskins hörten in Ehren auf und sind schon heute eine Legende. Niemand sonst hat das Recht, sie erneut zu aktivieren.“ (Übersetzung d. Verf.) Seiner eigenen Karriere in der Neonazi-Szene Tschechiens taten der Freiheitsentzug und der Ausstieg aus den BHS keinen Abbruch. Im Gegenteil: bereits ein paar Jahre nach seiner Haftentlassung sah man ihn am Schlagzeug bei «Conquest» und als Bassist bei «Randall Gruppe». Mit letzterer trat er laut tschechischen Antifaschist*innen 2005 bei einem Konzert der «Italia Hammerkins» in ihrem Clubhaus in Mailand auf.
In der Schlussphase der BHS Ende der 1990er Jahre habe laut Behörden auch Martin Franek (*1980) den Hammerskins angehört, bis er sich dann «Blood & Honour» anschloss. Er erlangte Mitte der 2000er Jahre Bekanntheit, weil er den landesweit bedeutenden «Hate Core Shop» in Prag betrieben hatte und Inhaber der Marke «Eighty Eight» war.
Mit der Entscheidung westeuropäischer Hammerskins Ende der 1990er Jahre, die Ost-Chapter aufzulösen, verlagerte sich das Konzertgeschehen in Tschechien. Die lokalen Strukturen von «Blood & Honour» führten die Arbeit der BHS fort. Mitte der 2000er waren es vor allem Personen um und aus der Band «Conflict88», später dann die Konzertgruppen «Irminsul Crew» und «Barrister Crew», die gut besuchte Konzerte organisierten. Hinzu kamen Konzerte, die aus Deutschland geplant und in Tschechien umgesetzt werden konnten – ein Konzept das bis heute funktioniert. Besonders viele ausländische Neonazis, darunter vermutlich auch einige Hammerskins aus ganz Europa, dürfte auch ein Konzert im Juni 2009 in Tschechien angelockt haben. Als Headliner waren «H8Machine» und «The Bully Boys» aus den USA angekündigt, deren Musiker hohen Einfluss auf die Entwicklung der HSN hatten. Als ob die deutsche Szene hätte überzeugt werden müssen die Reise ins Nachbarland anzutreten, schrieben die Veranstalter als Zusatz auf den Flyer: „40KM from Görlitz“(sic!).
Mit dem steten Rückgang an Veranstaltungen von «Blood & Honour», brachte Tomáš Ducháček, genannt „Duchin“, neuen Wind ins Geschehen der Neonazi-Subkultur. Ab 2011 veranstaltete er unter den Mottos „Give Back The Oi!“ und „Bootboys Are Back“ Konzerte, die auch zahlreiche deutsche Neonazis anlockten. Denn neben mehr oder weniger bekannten Bands aus Osteuropa brachte er vermehrt rechte Bands u.a. aus den USA, Belgien, England und Schweden auf die Bühne. Und das zusammen mit einschlägigen Bands aus Deutschland, wie «Endstufe», «Selbststeller» oder «Smart Violence». Mit den Konzertreihen bezogen sich Ducháček und sein Umfeld bewusst auf den Skinkult der 1980er und 1990er Jahre und grenzten sich von modernen Formaten wie NS-Hardcore ab. Damit gelang es den VeranstalterInnen, die „Altgedienten“ aus der Szene zu reaktivieren und zu binden.
Dass sich (ehemalige) Hammerskins auf den Konzerten Ducháčeks dementsprechend wohl zu fühlen schienen, wird anhand der Bilder eines Konzerts der „Bootsboys Are Back“-Reihe aus dem Jahr 2014 ersichtlich. Der Konzertsaal ist nicht überfüllt, neonazistische Skinheads dominieren die Szenerie. Mittendrin Ducháček, der es sich als Veranstalter nicht nehmen ließ, mit freiem Oberkörper auf der Bühne zu posieren während «Bakers Dozen» aus Großbritannien spielten. Der Mittvierziger neben Ducháček, der sich ebenfalls seines T-Shirts entledigt hatte um seinen Bierbauch zu präsentieren, verriet dabei ein interessantes Detail: über seinem Bauch ist der Schriftzug „Hammerskins Nation“ zu lesen, gerahmt von gekreuzten Hämmern. Die selbe (namentlich unbekannte) Person fand sich auch zum Großkonzert „Defend Europe“ am Wochenende des 20. April 2019 in Norditalien ein und posierte dort ebenfalls oberkörperfrei für Erinnerungsfotos.
Auch Martin Korec befand sich an dem besagten Abend von Ducháčeks Konzert im Jahr 2014 in dem Tanzsaal der rustikalen Gaststätte, knapp zwei Stunden südlich von Prag. Als Schlagzeuger der RechtsRock-Band «Bootboys Social Club» stand er an dem Abend auf der Bühne. Korec unterhält heute einen eigenen Blog, auf dem er seine Arbeit als Tätowierer als „Martin‘s Tattoo Art“ vorstellt, seine Geschichten als (rechter) Skinhead in Tschechien erzählt und seine Musikprojekte vorstellt. „Thank you Brno for this great weekend!! (…) Best greetings to the Bohemia Skinhead Klan. Martin, thanks for all!!“ schreibt die Band «Schusterjungs» um Stefan Lahmer, genannt „Klatscher“, aus Sachsen-Anhalt im Februar 2018 in den sozialen Medien. Martin Korec bedankt sich ebenfalls und schreibt, er hoffe die Band bald wieder auf der Bühne begrüßen zu können. Offensichtlich führt Korec fort was Tomáš Ducháček vor rund zehn Jahren intensiviert hatte, denn seit 2015 ist Korec für die Konzertreihe „Oi! the Picnic“ verantwortlich. Seit 2016 nutzt er dafür – bis heute – den Namen «Bohemia Skinhead Klan» als veranstaltende Gruppe dieser Konzerte.
2017 versuchte das einstige Mitglied der «Bohemia Hammerskins», Štěpán Holý aus Trutnov, sogar ein RechtsRock-Festival zu organisieren. In einem Ferienlager nahe Chotěvice in der Region Hradec Králové wollte er im Juni 2017 mit einem weiteren ehemaligen Hammerskin, David Konečný, ein zweitägiges Event durchführen. Unter dem Namen „Bohemia Excalibur Night“ sollten Bands aus Finnland, Deutschland und Griechenland auftreten. Holý und seine Mitstreiter gaben sich dabei als Veranstaltungsgruppe «Bohemia Patriots» aus und wollten hunderte Neonazis aus ganz Europa beherbergen. Antifaschist*innen machten die Pläne der Gruppe jedoch frühzeitig publik und trugen so zur Auflösung des Mietvertrages für das Gelände bei. Einen Ersatzort für das Festival, mit dem Holý im Vorfeld großspurig angab, hat es nie gegeben. Auch wenn es heute keine aktiven tschechischen Hammerskins mehr gibt, zieht das Land nach wie vor Hammerskins aus etlichen Ländern an. Etwa Michaël Biolley, der seit Sommer 2012 den «Schweizer Hammerskins» (SHS) angehört und 2017 nach Zliv in der Nähe von Českých Budějovic (Budweis) verzog. Vor allem sein damaliger „Bruder“ Christophe Gruy ist regelmäßig bei Michaël Biolley und seiner Frau Veronika Biolley (geb. Schwarzová) zu Besuch. Michaël Biolley selbst fand in Tschechien Anschluss an den Freundeskreis um Michal Moravec – dem Sänger der RechtsRock-Band «Imperium» – sowie zur Trainingsgruppe um den Neonazi-Kampfsportler Tomáš Dubský, die sich «Perun Boxing Club» nennt.
Hammerskins in Serbien, Polen und in der Ukraine?
Überaus eiffrig teilt Aleksandar Najdenov um 1999 im Namen der «Serbian Hammerskins» seinem „neuen Kameraden“ Mirko Hesse in einem Brief mit, was er alles mache. Er schreibt, er sei Sänger der Band «Radical Patriots», schreibe für ein Magazin namens «Southland» und habe auch ein eigenes „Hammerskin Fanzine“ in Planung. Die «Serbian Hammerskins» besäßen ihr „Hauptquartier“ in Belgrad und hätten bereits vor dem Brief an Hesse mit Hammerskins wie Kyle Chapman aus Neuseeland, Petr Kopeck von den BHS aus Tschechien und Karolina Wisniewska von «Mjölnir Diffusion/Romandie Hammerskins» in Kontakt gestanden. Er war der festen Überzeugung, dass ihn seine Brieffreundschaften dazu berechtigen, ein eigenes Hammerskin-Chapter in Serbien zu eröffnen. Selbst im Jahr 2000, als die HSN bereits die Auflösung der osteuropäischen Chapter beschlossen hatte, präsentierte sich Aleksandar Najdenov selbstsicher als Teil der internationalen Bruderschaft. Er sei „National Director“ der serbischen Hammerskins und bringe mittlerweile das Hammerskin-Fanzine «Nas Put» raus – gemeinsam mit dem Gitarristen seiner Band «Radical Patriots», der ebenfalls Hammerskin sei. Beide nutzten den „Crossed Hammers“-Gruß, wie auch andere Insignien der HSN, wie man anhand der Bilder der Band im polnischen Fanzine «Rock Against Communism» feststellen kann. Am Ende nützte den «Serbian Hammerskins» nichts dergleichen. Weder das Herunterbeten des „Who-Is-Who“ der HSN, noch das Drucken von Merchandise oder die Übernahme hierarchischer Strukturen und Statuten. Die serbischen Hammerskins wurden nicht im Entferntesten von den westeuropäischen Hammerskins wahrgenommen und entfalteten auch keine sichtbaren Aktivitäten über ihre eigene Selbstinszenierung hinaus. Geblieben war vor allem eine Visitenkarte dieses Chapters, die es ins Jahrbuch der Hammerskins 2019 schaffte – offenbar in der Kategorie „Absurditäten“.
Ähnlich schien es auch polnischen Neonazis ergangen zu sein, die sich der Symbolwelt der Hammerskins bedient hatten. Kaum etwas ist zu einem Ableger in dem Land bekannt, außer, dass das polnische Fanzine «Rock Against Communism» den Hammerskins vermutlich als Sprachrohr gedient haben könnte. Auf dem Cover der dritten Ausgabe des Magazins um 1998 waren die gekreuzten Hämmer abgebildet, auf die in den folgenden Ausgaben jedoch wieder verzichtet wurde.
Weitere Chapter, bzw. Versuche solche zu etablieren, hatte es östlich der Oder-Neisse nicht gegeben. Nicht in Estland oder Lettland und auch nicht in der Ukraine. Dort hatte maßgeblich Arsenij Bilodub (geb. Klimachev) – heute Sänger von «Sokyra Peruna» und Gründer der Marke «Sva Stone» – eine «Blood & Honour»-Division etablieren können. Bis zu Beginn des russischen Angriffkrieges im März 2022 zogen die verdeckt von B&H organisierten Konzerte in Kiew hunderte Neonazis aus ganz Europa an. Die Symbole der HSN fanden sich auch dort, denn schließlich zog Robert Smithson vor einigen Jahren in der ukrainischen Großstadt. Er gehörte in Kalifornien (USA) dem «Rise Above Movement» an, kämpfte beim Neonazi-Turnier «Kampf der Nibelungen» im April 2018 im sächsischen Ostritz und nahm noch im November 2019 am „Hammerfest“ in Frankreich teil – als „Prospect of the Nation“. Es liegt nahe, dass er an die «Hammerskins Finland» angebunden ist, da dieses Chapter seinem aktuellen Wohnort geografisch am nächsten ist. „Brüder“ aus Finnland besuchten ihn schon im Dezember 2019, im Rahmen des Neonazi-Festivals „Asgardrei“ in Kiew.
Anti-slawischer Rassismus
Allzu primitiver Chauvinismus und Rassismus gegen Menschen aus Osteuropa wird heute in neonazistischen Szene weitgehend abgelehnt. Bekannte Neonazi-Songs, wie „Polackentango“ der Berliner Band «Landser» gehören mehrheitlich der Vergangenheit an. Stattdessen werden die Ideen eines „Europa der Vaterländer“ und eines „weißen, pan-europäischen Kampfes“ gepredigt. Doch der anti-slawische Rassismus und das Misstrauen gegen die „aus dem Osten“ sitzt in der extremen Rechten Westeuropas tief. Und er entzündet sich immer wieder aufs Neue, sobald man sich mit den Neonazis aus osteuropäischen Ländern – oder im Umgang mit ihnen – nicht einig ist. Dann ist sofort wieder von „Kanisterköpfen“ die Rede und davon, dass Slawen keine „Herrenmenschen“ sein können und einfach nicht für Organisationen wie die «Hammerskin Nation» taugen.
Dann erklingen Reaktionen wie jene im Jahr 2011, als Neonazis aus Armenien Kontakt zur HSN aufnahmen. Die Armenier hatten die „Crossed Hammers“ unautorisiert genutzt, entschuldigten sich dafür in den sozialen Medien und erfragten, was sie tun könnten, um die Hammerskins auch in ihrem Land zu etablieren. Der (damalige) Hammerskin Stephan Oppelt aus Baden-Württemberg hatte dafür wenig Verständnis. Auf die Frage aus Armenien teilte er seinen europäischen „Brüdern“ in einer internen Nachricht mit: „Sie sollen das selbe machen, wie alle anderen Arschlöcher einer Scheissdreck Fick-Rasse: sollen sich den Strick nehmen und sich erhängen. Armenien…WTF…HS Timbuktu oder was kommt als nächstes?“
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