Am Samstagabend fanden in Norddeutschland gleich drei konspirativ organisierte Events statt, davon zwei RechtsRock-Konzerte: Joachim Saecker aus Rellingen organisierte in der von Horst Micheel betriebenen Kneipe «Titanic» in Neumünster (Schleswig-Holstein) ein „Solidaritätskonzert“ für den Erhalt dieser Neonazi-Location. Micheel sitzt für die NPD in der Neumünsteraner Ratsversammlung und bildet zusammen mit dem Vorsitzenden des NPD-Kreisverbandes Mittelholstein, Mark Michael Proch, eine Fraktion.
Angekündigt war u.a. «Stonehammer» und die Liedermacherin «Karin». Ersteres ist das Projekt des in Berlin lebenden Kanadiers David Allen Surette alias «Griffin». Hinter «Karin» steht die vormals in Brandenburg aktive Neonazi-Aktivistin Karin Mundt. Sie wurde vor allem durch ihre Band „Wut aus Liebe“ bekannt.
Konzertveranstalter Saecker ist seit über 20 Jahren in der Neonazi-Szene aktiv und ist in Norddeutschland und darüber hinaus bestens vernetzt. Schon in den 2000er Jahren organisierte er Konzerte für den «Club88» in Neumünster. Neben besten Kontakten in das Netzwerk von «Blood & Honour» unterhält Saecker auch enge Verbindungen nach Berlin zur rocker-ähnlichen Gruppierung «Vandalen», der u.a. Michael «Lunikoff» Regener und David Allan Surette angehören. Deutlich wurden diese auch innerhalb der Produktion von RechtsRock-CDs. Hinweisen zufolge war Saecker etwa für den «Amalek»-Sampler verantwortlich, der als Zeichen der Solidarität für den damals inhaftierten Thorsten Heise und zur Unterstützung dessen Familie produziert wurde. Joachim Saecker soll dabei seine Kontakte nach Berlin genutzt haben, um die kurze Zeit später als kriminelle Vereinigung verurteilte RechtsRock-Band «Landser» für den Sampler gewinnen zu können – deren Sänger damals Michael Regener war.
Auch zu Mitgliedern des «Dirty Pack MC» in seiner Region unterhielt Saecker schon damals Freundschaften, um gemeinsame Veranstaltungen zu koordinieren. In den letzten Jahren fiel er zudem mehrfach im Kreise bekannter Neonazis aus dem organisierten RechtsRock-Business auf: Ob als Gast auf dem Geburstags-Konzerts des Totschlägers Stefan Silar 2013 in Koberg, mit dem Moderator des «Thiazi»-Forums Marco Schmidt und der niedersächsischen Neonaziszene 2015 im Planschbecken, oder mit Uwe Menzel, dem Frontmann der Neonazi-Band «Uwocaust» aus Potsdam, auf der Couch.
Des Weiteren konnte im Clubhaus des «Dirty Pack MC» in Celle (Niedersachsen) ein Auftritt von Ken McLellan und David Braddon aus England ausgerichtet werden. Beide gehören der ältesten, noch bestehenden RechtsRock-Band «Brutal Attack» an und sind Gründungsmitglieder von «Blood & Honour» (B&H) in England. Organisiert wurde das Konzert in Celle von den «Skinheads Uelzen», einer Neonazikameradschaft, die seit Jahren rechte Konzerte im norddeutschen Raum veranstaltet. Ihre Mitglieder, darunter Stefan Schmidt und Marcel Schindler, sind zudem eng an die rechten Skinhead-Bands «Abtrimo» und «Alte Schule» angebunden. In den Lokalitäten der Rocker konnten die «Skinheads Uelzen» bereits zuvor Konzerte ausrichten.
Diese Kontakte lassen sich durch die zahlreiche Verbindungen des Motorradclubs in die organisierte Neonaziszene Norddeutschlands erklären. So gehörte einer der Member, Bernd Wilhelm Lebus, nicht nur der «Kameradschaft Celle» an, sondern besuchte schon 1996 den «Rudolf Hess-Gedenkmarsch» in Worms, an dem auch die Mitglieder des rechtsterroristischen NSU-Netzwerks Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben teilnahmen. Heute ist Lebus neben seiner Rockergang auch bei den «Skinheads Uelzen» organisiert.
Stefan Schmidt von den «Skinheads Uelzen» reiste wiederum mit Mitgliedern des «Dirty Pack MC» zur Gründungsfeier des Hells Angels-Chapter «Altmark» im November 2016 nach Salzwedel. Dem Chapter gehört auch der Neonazi Tino Worch an, der zuvor im 2000 in Deutschland verbotenen «Blood & Honour»-Netzwerk mitmischte und der auch zu Marcel Schindlers Freundeskreis zählt. Mittlerweile hat Worch die Funktion „Sergeant-at-Arms“ für das «Altmark»-Chapter inne. Damit ist er für die Sicherheit und die „Bewaffnung“ seiner Gruppe zuständig.
Unter den Besuchern des Auftritts der englischen RechtsRock-Legende am Samstag in Celle befand sich auch Stefan Lahmer, der unter dem Spitznamen „Klatscher“ nicht nur bei der rechten Oi-Band «Schusterjungs» am Bass steht, sondern auch bei der B&H-Band «Kraftschlag» mitwirkt. Lahmer, der in Sachsen-Anhalt wohnt, nahm mit den «Skinheads Uelzen» schon 2014 an einer «HoGeSa»-Kundgebung in Hannover teil. Seine Nähe zur norddeutschen Szene verdeutlicht auch ein Tattoo auf Lahmers Brust: „F.D.G.K.“. Dies ist der Titel des wohl bekanntesten Songs von Marcel Schindlers Band «Alte Schule» und bedeutet „Für Deutschland Gegen Kanaken“. Weiterer Gastgeber des Abends war «Skinheads Uelzen»-Mitglied Timm Kreidner aus Rotenburg an der Wümme. Dieser spielte vor Jahren noch in der Oi-Band «Guts ’n‘ Glory» und tummelte sich eher in alternativen Subkulturkreisen. Heute reist er mit den «Hammerskins» zum Gedenken an die Waffen-SS nach Budapest.
Eine weitere Veranstaltung fand am Samstag im «Thinghaus» in Grevesmühlen (Mecklenburg-Vorpommern) statt. Dort versammelten sich etwa 50 Neonazis zur alljährlichen Faschingsfeier. Unter den Gästen befanden sich auch Neonazis aus dem «Hammerskin»-Umfeld wie Tanja Steinhagen-Wolff aus Mölln und der Liedermacher Philipp Neumann alias «Flak» aus Nordrhein-Westfalen.